Grünwald:Musikalische Grenzgänge ins Glück

nemanja radulovic

Eröffnet "Klassik Plus 2017": Nemanja Radulović, der die fulminante Tradition der Zigeunergeiger mit französischer Violinkunst verbindet.

(Foto: Charlotte Abramow/DG)

Die Grünwalder Reihe "Klassik Plus" wartet wieder mit experimentierfreudigen Künstlern auf

Von Udo Watter, Grünwald

Sigmund Freud behauptet zwar, das menschliche Glück sei im Plan der Schöpfung nicht enthalten, aber das hält natürlich niemanden - selbst seine morbiden Wiener Landsleute nicht - davon ab, es dennoch zu suchen. Grob gesagt, ist die Chance, (zumindest partiell) fündig zu werden, unter zwei Voraussetzungen ziemlich groß: zum einen ist es die Gewohnheit, das Vertraute, das Geborgenheit Vermittelnde, welches uns in einen wohligen Zustand der Zufriedenheit versetzt. Zum anderen ist es genau das Gegenteil: die Veränderung, das Neuartige, es sind inspirierende Horizonterweiterungen, die unsere Sinne erfrischen und beflügeln.

Wenn das Duo Eckart Runge (Cello) und Jacques Ammon (Piano) nun in diesem Jahr zum bereits dritten Mal in Grünwald bei der Reihe "Klassik Plus" auftritt, darf man sie getrost als Stammgäste bezeichnen - wer das virtuose Duo einmal erlebt hat, darf also darauf vertrauen, auf gewohnt hohem Niveau unterhalten zu werden. Zum anderen präsentieren die beiden Musiker, die bereits 2012 und 2015 im August-Everding-Saal zu Gast waren, aber auch wieder Neues, nämlich ihr bereits drittes Programm innerhalb von fünf Jahren: Nach "Tango Nuevo" und "Cello Cinema" steht dieses Mal ihr Abend unter dem Motto: "BaroqueBlues". Runge, Gründungsmitglied des berühmten Artemis-Quartetts und der chilenische Pianist Ammon unternehmen schon lange zusammen musikalische Grenzgänge und in ihrem aktuellen Projekt kombinieren sie Barockwerke von Vivaldi, Händel oder Gluck mit Jazzstücken von George Gershwin und Chick Corea und Tango-Kompositionen von Piazzolla. "Sie sind idealtypisch für Klassik Plus", sagt die Grünwalder Kulturreferentin Regine Müller. "Es ist großartig, wie sie ihre Konzerte moderieren und sie präsentieren Crossover, ohne Gefahr zu laufen, ins Seichte abzudriften." Die beiden Musiker kommen selber immer wieder gerne ans Isarhochufer, diesmal werden sie am 5. Oktober im August-Everding-Saal spielen.

Die Abo-Reihe "Klassik Plus" wurde ja 2011 von Müller vor allem mit der Intention ins Leben gerufen, zusätzlich zum etablierten reinen Klassikangebot im gediegenen Münchner Vorort ein Forum für innovations- und experimentierfreudige Künstler zu schaffen. Vor allem im Fokus: musikalische Brückenbauer und Grenzgänger.

Ein besonders schillernder Protagonist in diesem Sinne wird "Klassik Plus" am 17. März im August-Everding-Saal eröffnen: Der serbische Geiger Nemanja Radulović. Dem langmähnigen Echo-Klassik-Preisträger von 2015 (Nachwuchskünstler) wird nachgesagt, die Tradition der Zigeunergeiger mit ihrer fulminanten Virtuosität und ihrem feurigen Temperament zu kombinieren mit der elegant-geradlinigen französischen Violinschule - er hat seine Ausbildung unter anderem in Paris erhalten. "Er ist außergewöhnlich und unglaublich mitreißend", urteilt Müller. In Grünwald präsentiert er mit seinem Streichersextett Les Trilles du Diable Werke von Fritz Kreisler, Pablo de Sarasate, Bach, Paganini oder Emir Kusturica.

A-cappella-Kunst auf hohem Niveau verspricht das rein weibliche, niederländische Gesangs-Quintett Wishful Singing am 29. Juni zu bieten. Die fünf Sängerinnen aus dem westlichen Nachbarland begeben sich in ihrem Programm "Time travels" auf eine Reise durch fünf Jahrhunderte Musikgeschichte und widmen sich dabei sieben Sprachen und Komponisten aus neun Ländern - von Scarlatti über Ligeti bis Paul McCartney. Das Quintett gilt nicht nur wegen seiner vokalen Klasse als guter Tipp, sondern auch wegen seiner Bühnenpräsenz und choreografischen Elemente.

Zum Saisonausklang wird das Vision String Quartet ein Programm spielen, das ebenfalls gut zur grenzüberschreitenden Maxime von "Klassik Plus" passt. Das in Berlin beheimatete Ensemble, das als besonders experimentierfreudig gilt, präsentiert "Klassik meets Pop". Im ersten Teil des Abends gibt es Schuberts "Der Erlkönig" und Debussy, im zweiten Jazz, Rock und Pop nach Ansage - das Quartett spielt immer auswendig. "Es ist faszinierend, zu erleben, wie sie sich von einem klassischen Streichquartett quasi in eine Jazz- und Rockband verwandeln", erklärt Müller. Für sie dürfte auch gelten, was die Grünwalder Kulturreferentin über Radulović, den ersten Protagonisten der diesjährigen Reihe sagt: "Er hat eine Art zu spielen, die Glücksgefühle auslöst."

Weitere Informationen gibt es unter www.gemeinde-gruenwald.de; Kontakt über 089/641 62 130 oder kulturreferat@gemeinde-gruenwald.de.

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