Grünwald:Kunst - ganz natürlich

Grünwald: Amphitheater in Miniaturgröße: Die Bilder von Kirsten Joas sind im liebevoll gestalteten Pavillon des Walderlebniszentrum ausgestellt.

Amphitheater in Miniaturgröße: Die Bilder von Kirsten Joas sind im liebevoll gestalteten Pavillon des Walderlebniszentrum ausgestellt.

(Foto: Claus Schunk)

Im Erlebniszentrum in Grünwald zeigt Försterin Kirsten Joas Fotografien aus der Region und anderen Wäldern Deutschlands. Eine Nachbearbeitung ihrer Bilder am PC kommt für die 44-Jährige nicht infrage

Von Anna Hordych, Grünwald

Es ist eine Kunst, genau hinzusehen - Geduld ist gefragt. Oft braucht es gezielte Anregungen, um den Blick auf ein Detail zu lenken. Kirsten Joas spielt die Mittel der Fotografie aus, um jene Art der Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Försterin, die des Berufes wegen jede Woche um die 30 Stunden im Grünen verbringt, ist sich im Klaren darüber, dass die schillernden Facetten des Waldes im Getöse des modernen Alltags nur allzu oft übersehen werden. Mit ihren ruhigen Waldfotografien versucht die Künstlerin, dem Trend entgegenzuwirken.

Am vergangenen Wochenende öffnete die Ausstellung mit Fotografien von Kirsten Joas im Walderlebniszentrum in Grünwald. Die Aufnahmen stammen aus ihrem eigenen Forstrevier Niederseeon, auch aus weiteren Wäldern aus dem Umkreis München und Ebersberg, sowie aus entfernteren Winkeln Deutschlands. Ein trauriger Anlass begründete im Jahr 2004 den Beginn ihrer Fotostrecken: Ihr Vater, mit dem sie als Kind immerzu den eigenen Wald in Mittelfranken erkundet hatte, erlitt einen Gehirnschlag. Nachdem er wiederbelebt worden war, konnte er sich nicht mehr artikulieren, sein Körper atmete zwar weiter, aber seine geistige Gegenwart war verloren.

Um den Vater seinem Lieblingsort näher zu bringen, den er nun vom Zimmer des Pflegeheims aus nicht mehr sehen konnte, entschied die Tochter, Aufnahmen des Waldgrundstücks anzufertigen: "Da er immerzu im Bett lag und sein Blick zur Decke gerichtet war, habe ich beschlossen, von unten nach oben hin in die Baumkronen seiner Heimat zu fotografieren", erklärt Joas. An der Ausstellungswand im Walderlebniszentrum hängen nun mehrere solcher Bilder, sie sind aus der Froschperspektive aufgenommen. Helles Sonnenlicht bricht sich dort Bahn durch die Äste, majestätisch ragen die Stämme einer alten Ulme oder einer mächtigen Eiche in den Himmel. "Der erinnert mich in seiner Wucht an den afrikanischen Baobab-Baum", sagt Josef Würzburger. Kirsten Joas pflichtet dem Leiter des Walderlebniszentrums bei. Wie die Fotografin Joas ist auch Würzburger als Förster tätig.

"Das ist die erste Vernissage, die wir hier heraußen haben", sagt Würzburger, er ist grau meliert und stämmig, er trägt einen klassischen dunkelgrünen Janker und dazu einen Holzfällerbart. Er nimmt sich hier im Walderlebniszentrum nicht nur den Rundgängen für Schulklassen an, es kann auch vorkommen, dass man Würzburger mit einer Gruppe chinesischer Touristen antrifft, denen er die Ursachen für Hochwasser vorführt. Denn anderswo weiß man darüber mitunter nicht so genau Bescheid, wie die 29-jährige Sandi Makisheva bestätigt. Sie absolviert einen Bundesfreiwilligendienst in Grünwald und kommt aus Kasachstan, wo solche Diskurse nicht ausführlich geführt werden. "Zwar ist auch die Natur dort eine andere, aber es geht meist darum, wie sich mehr Profit aus ihr gewinnen lässt."

Würzburger, der seit Gründung des Zentrums vor 21 Jahren im und am Walderlebnispark arbeitet, geht es um rudimentäre Aufklärung mit Blick auf den Wald und zwar "global gedacht". Das fange bei der Reflexion über die Ressource Wasser an, "weiter über einen nachhaltigen Holzabbau, bis es zuletzt auch um den alltäglichen Fleischkonsum geht". In Bayern habe man auf das Waldsterben schon vor Jahrzehnten mit Reformen reagiert, derzeit würden die bayerischen Wälder ganz ordentlich dastehen, doch schlussendlich ausgetragen werde das Konsumverhalten des Freistaats zur Zeit auf den Schultern anderer: Das Fleisch komme aus Argentinien, das Holz aus Brasilien, der Zellstoff aus Kanada, so Würzburger. Um diese Themen auch den Jüngsten seiner Gäste näherzubringen, stellt sich der Experte auch gerne hinter die Ausschanktheke und backt stundenlang Waffeln für seine hungrigen Besucher, denn nur so bekämen auch die Kinder Lust, sich auf das Gesamtpaket "Wald" einzulassen.

Für die Zukunft des Erlebniszentrums hat der 63-Jährige große Pläne, er möchte auch Ernährungsdebatten in Schwung bringen. Doch vorerst ist der Bau des neuen Pavillons ein schöner Fortschritt: "Im Gegensatz zu den gewohnten Dauerausstellungen über Pilze und Fische drüben im alten Saal hoffen wir jetzt auf eine neue, innovative Reihe mit wechselnden Angeboten", so Würzburger. Joas' Ausstellung soll den Auftakt zu einer ganzen Serie von Kulturformaten einleiten. Der neugestaltete Pavillon, der im vorigen Jahr fertig wurde, ist ein holzverkleideter Bau, der wegen der hierarchisch angeordneten Sitztreppen einem Amphitheater in Miniaturgröße ähnelt. Nur formt der Raum keinen Kreis; die Stufen sind auf eine spektakuläre Glasfront gerichtet, welche die eine Seite des Raumes durchzieht - sie gibt den Blick frei auf jenes dichte Waldgebiet, das den Grünwalder Erlebnispark zur Attraktion macht. Die Wände abseits der Glasfront sind aus einem dezenten, hellen Holz, gefertigt. Das verleiht dem Raum viel Leichtigkeit.

"Meine Aufnahmen gehen inmitten der Holzarchitektur fast ein wenig unter", stellt Fotografin Joas erstaunt fest. Bisher habe sie die Bilder in kargen, fast düsteren Umgebungen ausgestellt, dort seien sie dann gerade im Kontrast leuchtend hervorgetreten. "Als ich anfing, die Waldbilder bei meinem Vater im Pflegeheim aufzuhängen, freuten sich die Schwestern so über die Naturszenen, dass ich mehr produzierte, und die Aufnahmen bald auch auf den Gängen hingen", so Joas. Nachdem ihr Vater 2007 gestorben war, hielt sich der Kontakt, die Bilder blieben als Dauerleihgabe dort. "Zwei Jahre später fand meine erste Ausstellung statt."

Im lichtdurchfluteten Inneren des Pavillons gehen die Fotos eine schöne Symbiose mit dem sonnigen Fensterpanorama ein. Wie die Fotografin versichert, sind die leuchtenden Farben auf den Leinwänden "auf rein natürlichem Wege" entstanden. "Ich bearbeite nicht digital nach, sondern möchte, dass die Betrachter die Szenerie exakt so sehen, wie sie sich mir dargestellt hat", sagt Joas. Es widerspreche schlichtweg dem "Ethos der Naturfotografie", im Nachhinein Hand an zu legen. Auch tüftelt die 44-Jährige vor Ort nicht Stunden an der Technik herum: "Wenn ich etwas sehe, muss ich direkt zuschlagen, denn schon eine halbe Stunde später ist das Licht anders", sagt die Försterin. So müsse auch das Equipment handlich sein. Joas trägt eine einfache Digitalkamera bei sich, wenn sie die Wälder durchkämmt.

Die Ausstellung "Waldschönheiten" läuft noch bis Freitag, 30. September, im Walderlebniszentrum Grünwald, geöffnet täglich von 10 bis 17 Uhr.

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