Vorlesen:Krokodile und andere Stolperfallen

Oberhaching, Gemeindebibliothek, Vorlesewettbewerb,

Für Berlin hat es nicht gereicht, trotzdem ist Yannick Thedens aus Oberhaching nicht enttäuscht.

(Foto: Angelika Bardehle)

Sechstklässler aus ganz Bayern ermitteln in Grünwald den Teilnehmer am Bundesentscheid des Vorlesewettbewerbs

Von Johanna Mayerhofer, Grünwald

Es ist still. Nur eine Stimme hallt durch den Raum mit hohen Holzdecken. Yannick Thedens sitzt auf einem Stuhl, vor ihm auf dem Tisch liegt ein Buch mit rotem Einband. Der Titel: Ein Krokodil taucht ab. An die 60 Augenpaare sind auf den Zwölfjährigen gerichtet, während er mit Hingabe einen Ausschnitt aus der Abenteuergeschichte des Alligators Orinoko vorträgt. Der Oberhachinger Schüler gibt sein Bestes. Ebenso die anderen neun Mädchen und sechs Jungen aus ganz Bayern, die nacheinander auf dem Stuhl Platz nehmen. Ihr aller Ziel: der Bundesvorlesewettbewerb der sechsten Klassen am 17. Juni in Berlin. An diesem Nachmittag im Evangelischen Gemeindezentrum in Grünwald müssen sie allerdings noch eine Hürde überstehen. Im Landesfinale entscheidet sich, wer Bayern als Lesemeister in Berlin vertreten darf.

Er zählt zu den größten bundesweiten Schülerwettbewerben: Allein in Bayern haben sich 92 000 Sechstklässler im diesjährigen Wettbewerb gemessen. In Klassen-, Schul-, Landkreis- und Bezirksentscheiden wurden die Besten ermittelt. Yannik Thedens, Schüler am Gymnasium Oberhaching, hat sich im Bezirksentscheid Oberbayern Süd durchgesetzt. Unweit seines Heimatortes misst er sich nun mit Vorlesetalenten aus den anderen sieben Bezirken.

Organisiert vom Börsenverein des deutschen Buchhandels, findet der Wettbewerb in diesem Jahr bereits zum 56. Mal statt. "Als Buchhandlung Silvia Horn wurden wir vom Landesverband für die Ausrichtung angefragt", sagt Claudia Sperling, Jugend- und Kinderbuchbeauftragte der Grünwalder Buchhandlung. Vor allem die Leseförderung durch den Wettbewerb sei unterstützenswert. Im Evangelischen Gemeindezentrum fand sich ein geeigneter Raum für den langen Entscheidungsnachmittag.

Ausdauer müssen alle Beteiligten beweisen, sowohl mitgereiste Eltern und Freunde als auch die Vorleser selbst. In zwei Runden werden die Vorlesequalitäten der Sechstklässler geprüft. Auf der ersten Leseetappe zeigen die 16 Teilnehmer mit einer selbst ausgewählten Textpassage aus ihrem Wunschbuch ihr Können. Mit wechselnder Geschwindigkeit, Lautstärke und Tonfall lassen die Schüler die Geschichten um Michael Endes "Momo" oder Cornelia Funkes "Drachenreiter" für die Zuhörer lebendig werden. Eine sechsköpfige Jury ist für die Bewertung der dreiminütigen Vorträge zuständig. Ihre Kriterien: Textverständnis, Lesetechnik und Textgestaltung.

Zu Letzterem gehören die Bewertungsaspekte sinnbetontes Erfassen und natürliches Auftreten. "Die Ausstrahlung ist uns besonders wichtig", sagt Catharina Döring, Jury-Mitglied und Siegerin des Landeswettbewerbs im vergangenen Jahr. Nach der Kür folgt die Pflicht. In der zweiten Etappe wartet eine besondere Herausforderung: Die Essener Buchautorin Mechthild Gläser hat ihr Werk "Die Buchspringer" mit nach Grünwald gebracht. In ausgeloster Reihenfolge tragen die Schüler von der Autorin ausgewählte Passagen vor - und zeigen sich wettbewerbserfahren. Textstolperer bleiben auch bei den unbekannten Sätzen weitgehend aus. Die Teilnehmer zeigen noch einmal ihr Talent und meistern flüssig die letzte Lesehürde.

Am Ende reicht es für den Vertreter aus Oberhaching nicht. Paul Schappert aus dem oberpfälzischen Amberg hat die Jury in den beiden Runden am meisten überzeugt. "Vor allem durch die Ruhe, mit der er vorgelesen hat", sagt Catharina Döring. Yannick Thedens zeigt sich nicht sonderlich enttäuscht: "Berlin wäre schön gewesen, aber ich bin weiter gekommen als gedacht."

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