Grünwald:Ich räume, du räumst, er räumt

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Eigentlich unterrichtet Inge Koch Englisch an der VHS Grünwald. Jetzt bringt sie Asylbewerbern wie Ibrahima und Ousmane (v. li.) Deutsch bei. (Foto: Angelika Bardehle)

Inge Koch bringt Flüchtlingen in der Grünwalder Volkshochschule Deutsch bei. Die tun sich zwar schwer mit Wörtern wie "Schneeschaufel", aber das Konjugieren von Verben klappt schon ganz gut. Dabei ist nie klar, wer beim nächsten Mal noch dabei sein kann

Von Claudia Wessel, Grünwald

Allein für ihr Hüpfen und Springen möchte man auch Deutsch lernen. Okay, das ist jetzt ein kleines bisschen übertrieben. Aber es fühlt sich so an, wenn Inge Koch begeistert ist, weil jemand etwas richtig gesagt hat. Dann hüpft und springt auf jeden Fall ihre Stimme, sie ruft laut "Jaaaaa", und nicht umsonst wird ihr nach einer halben Stunde heiß und sie muss ihre Jacke ausziehen.

Donnerstagnachmittag im Kursraum der Grünwalder Volkshochschule im Bürgerhaus Römerschanz. Nfally, Ibrahima und Ousmane aus dem Senegal sitzen nebeneinander, ihnen gegenüber hat Ludmira aus Albanien Platz genommen, in der Mitte Nazish aus Pakistan. Es fehlen noch einige, die anfangs angemeldet waren, aber das ist normal, sagt Inge Koch. Zum einen gibt es bei den Flüchtlingen in der Traglufthalle eine hohe Fluktuation, wobei ihre Informationen darüber oft auf Gerüchten beruhen. "Die eine Familie wurde abgeschoben, ein anderer Teilnehmer wurde verlegt", hat Koch erfahren, die seit 40 Jahren Sprachdozentin bei der Volkshochschule ist, eigentlich für Englisch, denn sie ist in England geboren. Auf jeden Fall hat sich die Gruppe schon ein wenig verkleinert seit der ersten Stunde am 9. November, und auch die Disziplin ist nicht bei allen gleich gut.

Entstanden ist der Kurs auf Anregung von Ingrid Reinhart, Leiterin des Helferkreises Grünwald. "Sie hat schon vor langer Zeit angefragt, ob wir einen Deutschkurs für Asylbewerber machen könnten", sagt Margit Landesberger, pädagogische Mitarbeiterin der Grünwalder Außenstelle der Münchner Volkshochschule. "Doch anfangs waren es einfach noch zu wenige Teilnehmer. Aber als dann immer mehr Flüchtlinge nach Grünwald kamen, konnten wir den Kurs anbieten." Auch Inge Koch hatte schon lange die Idee, Asylbewerber in Deutsch zu unterrichten. "Ich hätte es auch ehrenamtlich gemacht", sagt sie. Doch als VHS-Dozentin wird sie natürlich bezahlt. "Wir konnten den Kurs auch dank der schnellen unbürokratischen Hilfe des Landkreises anbieten", freut sich Landesberger. Der Landkreis übernimmt die Kosten für diesen Deutschkurs. Auch in der Traglufthalle in Grünwald findet täglich Deutschunterricht statt, dort allerdings halten ihn Ehrenamtliche ab. Einen Vorteil haben diese Lehrer aber dort auch, findet Koch. "Die Schüler sind auf jeden Fall da. Ich bin darauf angewiesen, dass sie herkommen."

Heute sind es dann immerhin insgesamt sieben Leute, denn eine halbe Stunde später tauchen noch die beiden Nigerianer Austin und Calvin auf. Alle haben sie am 9. November ihren ersten Deutschunterricht gehabt, seitdem zweimal die Woche drei Zeitstunden, aber an diesem Tag Ende Januar können sie schon überraschend viel. Na klar, kleine Fehler passieren noch. "Es ist 15 Uhr nach zwei", sagt etwa Ousmane und wie das Ding heißt, mit dem man Schnee schippt, liegt ihm zwar sichtbar auf der Zunge, aber er kriegt nur "Schneeee. . .ehhh. . .schsch. . ." raus.

"Schneeschaufel" sagt Inge Koch fröhlich und schreibt es noch mal an die Tafel. Auf ihre Frage "Was mache ich mit der Schneeschaufel" sind dagegen alle schon sehr gut und konjugieren einwandfrei: "Ich räume. Du räumst. Er räumt. Wir räumen." Da hüpft die Stimme von Inge Koch gleich wieder begeistert. "Jaaaa", ruft sie.

Auch das Schreiben wird geübt, indem Sätze auf Arbeitsblättern ergänzt werden. Ich friere, steht da und die Schüler müssen ergänzen: an der Nase, an den Füßen, an den Zehen, an den Händen. "Was kann ich mit den Händen tun?" fragt die Lehrerin. "Ich kann arbeiten", sagt Ludmira. "Ich kann schreiben", sagt Ibrahima. "Ich kann gehen", sagt Ousmane und jetzt hüpft Inge Koch wieder. "Ja, wirklich, Ousmane? Kannst du mit den Händen gehen? Zeig mal!" Es dauert ein bisschen, bis er versteht, was sie meint, dann lacht er auch. "Frau Koch ist besser Lehrerin" sagt Austin zum Schluss. Nach nur zwei Monaten Deutschunterricht darf diese künstlerische Freiheit der Formulierung durchaus noch sein.

"Es macht mir wirklich Spaß", sagt Inge Koch. Schade nur, dass man nie weiß, wie lange die fleißigen Schüler letztlich bleiben. Bis zum Ende des ersten Kurses am 15. Februar aber hoffentlich auf jeden Fall.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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