Grünwald:Der Vater von St. Bernhard

Grünwald: Kaum zu glauben: Robert Berger, der frühere Pfarrer von St.Bernhard in München-Ramersdorf, wird an diesem Montag 100 Jahre alt.

Kaum zu glauben: Robert Berger, der frühere Pfarrer von St.Bernhard in München-Ramersdorf, wird an diesem Montag 100 Jahre alt.

(Foto: Claus Schunk)

Robert Berger war ein Berufsleben lang Pfarrer in Ramersdorf. Heute lebt er in Grünwald, wo er an diesem Montag 100 wird

Von Claudia Wessel, Grünwald

Wenn man das Zimmer von Robert Berger in einem Grünwalder Altenheim betritt, glaubt man zunächst, sich in der Tür geirrt zu haben. Dieser Herr, der dort auf dem Schreibtischstuhl sitzt und einen freundlich anlächelt, soll an diesem Montag 100 Jahre alt werden? Die Verwunderung nimmt noch zu, wenn man mit ihm spricht und ihn nach seinem Leben fragt. So sehr man auch danach sucht, man findet nicht das geringste Anzeichen, das man in diesem Alter vermutet. Ganz im Gegenteil: Robert Berger hat alle Daten seines Lebens parat, sodass man beim Mitschreiben regelrecht aufpassen muss.

Von März 1957 bis 1983 stand er im Dienste der Pfarrei St. Bernhard in München-Ramersdorf. Dass er heute in Grünwald, in der "Parkresidenz Hermine Held", lebt, hat seinen Grund: Schon als Jugendlicher und junger Mann sei er häufig und gerne mit dem Fahrrad in die Isartalgemeinde gefahren. Da lag es nahe, sich am Lebensabend dort niederzulassen.

Der 1. März 1957 war das Datum, an dem er von der Bistumsleitung den Auftrag erhielt, die Kuratie in Ramersdorf zu errichten. Er war somit Gründer und Vater der Pfarrei, die damals auf der grünen Wiese neu errichtet wurde. 60 Jahre ist das her. Damit hatte er auch ein Mitspracherecht beim Kirchenbau. "Ich kannte den Architekten Georg Haindl, der wie ich aus Neuhausen stammte", erzählt Berger, der in München geboren ist. Als er Haindl zum ersten Mal in dessen Büro aufsuchte, hatte er dort das Modell einer Kirche stehen, das er schon einmal für einen anderen Standort entworfen hatte. Es konnte aber nicht verwirklicht werden, weil das Grundstück zu klein war. Haindl fragte, wie ihm das Modell gefalle. Berger sagte: "Das wäre schon gut." Somit wurde es verwirklicht: ein Rundbau, fünfeckig, mit 480 Sitzplätzen.

Auch ein Pfarrhaus gehörte natürlich dazu, das recht einfach gestaltet war. Berger erinnert sich an ein Frühstück im Pfarrhof mit Kardinal Döpfner. Dieser habe damals gesagt: "Dass du dich mit einer so primitiven Umgebung abfinden konntest." Doch Berger legte keinen Wert auf Äußerlichkeiten, er war zufrieden mit seinem Zimmer im Erdgeschoss. Außer ihm lebten im Pfarrhaus noch die Haushälterin, der Mesner und der Kaplan. Und auch die Jugendgruppen waren dort untergebracht.

Zum Priester geweiht wurde Robert Berger 1947 in Rom. Zwei Jahre nach Kriegsende und acht Jahre nach seiner ersten Audienz bei Papst Pius XII.. Der erinnerte sich an den jungen Mann. Als Berger sich vorstellte und sagte: "Heiliger Vater, ich stand schon einmal hier vor Ihnen", schaute ihn der Papst intensiv an und sagte schließlich: "Sie sind aus München!"

Apropos Jugend: Als Pfarrer in Ramersdorf habe er einmal Kritik einstecken müssen, erinnert sich Berger, weil seine erste Tat als neuer Pfarrer war, einen Fußballverein zu gründen anstatt eine Frauengruppe oder ähnliches. "Aber ich dachte mir, die Frauen kommen von selbst. Ich muss die Jugend anlocken." Das gelang ihm auch, wie er sich erinnert. "1100 Mitglieder waren die Höchstzahl."

Eine Pfarrei ein ganzes Berufsleben lang zu betreuen, wie es damals noch in der katholischen Kirche üblich war, das bringt eine "intensive Beziehung zu den "Schäfchen" mit sich. Berger muss lachen bei dem Begriff und sagt: "Na, das waren nicht immer nur Schäfchen, sondern auch mal Hammel." Menschen eben, mit allem, was dazugehört, und die Seelsorge für diese war Berger immer das Wichtigste.

Er hat Generationen in seiner Gemeinde heranwachsen sehen, Paare getraut, deren Kinder getauft und gefirmt und wiederum deren Kinder. Zweimal die Woche hatte er Sprechstunde, zusätzlich zur Beichte jeden Samstagnachmittag. "Ich habe versucht, manches, was für den Beichtstuhl geeignet war, in die Sprechstunden hinein zu bringen. Damit man darüber reden konnte." Einige "haarige Probleme" habe es da gegeben in den Familien, zwischen Eheleuten. Er habe immer mit beiden einzeln gesprochen und sie erst dann zum gemeinsamen Gespräch gebeten. "Das hat meistens Erfolg gehabt." Ob Pfarrer immer noch die Zeit für diese intensive Betreuung haben, bezweifelt er. "Heute gehen die Menschen in Therapie."

Überhaupt die Menschen heute und ihr digitales Leben. "Das isoliert sie, jeder beschäftigt sich mit sich selbst." Nichts gegen das Handy an sich, aber "man muss sich auch davon lösen können". Auch er habe eines, sagt Berger. "Ich weiß aber nicht, in welcher Schublade es gerade ist." Er brauche es auch nicht, denn: "Ich bekomme so viel Besuch." Ansonsten verbringt er seine Zeit viel und gerne mit Lesen - ein Hobby, das er sein ganzes langes Leben gepflegt hat und dem er es auch zuschreibt, dass er mit 100 Jahren immer noch geistig fit ist.

Einsamkeit kennt Berger auch mit 100 Jahren nicht, und an Kommunikation mangelt es ebenfalls nicht. Auch bei unserem Besuch klopft eine Mitbewohnerin an die Tür: "Herr Pfarrer, es gibt bald Mittagessen."

Am Sonntag, 19. November, um 10.30 Uhr wird ein Gottesdienst für und mit dem Jubilar in St. Bernhard, Görzer Straße 86 in München, gefeiert, danach gibt es einen Empfang im Pfarrhaus.

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