Grünwald:Der Geist auf der Motorhaube fährt mit

Die Kinder, die beim Ferienkurs ihre Seifenkisten bauen, sind in der Gestaltung frei. Im Rennen in Baierbrunn müssen sich die Flitzer beweisen

Von Julian Weber, Grünwald

Einmal im Jahr wird aus der Alten Turnhalle in Grünwald eine Autowerkstatt. Aber nicht für normale Autos, sondern für Seifenkisten. 16 Kinder haben sich in diesem Jahr für das Angebot des Grünwalder Ferienprogramms angemeldet. In den vergangenen vier Tagen wurde gebaut, an diesem Freitag ist Renntag.

Egal wann man in die Halle kommt, es herrscht emsiges Treiben: die Akkuschrauber surren, das Holz klappert und die Kinder sprechen durcheinander. Der Boden in der Halle wird von großen, grauen Filzmatten geschützt. Trotzdem verirrt sich immer mal wieder eine Schraube in die Holzbohlen - das ist aber nicht so schlimm.

Am Ende der Filzmatten stapeln sich die Materialien für die Seifenkisten: jeweils vier Räder, ein Lenkrad und viele Kleinteile aus Holz. Dazu noch eine Menge Werkzeug, Holzleim und Schleifpapier. Jeder Teilnehmer hat seinen eigenen Bausatz, gearbeitet wird aber im Team. Das ist auch nötig, denn für viele Arbeitsschritte muss die Seifenkiste senkrecht aufgestellt werden. Dann ist das Miniauto gar nicht mehr so klein, sondern überragt viele der Kinder im Alter von acht bis 14 Jahren.

Grünwald: Mit großem Eifer bauen die Kinder ihre Bausätze zu flotten Seifenkisten zusammen.

Mit großem Eifer bauen die Kinder ihre Bausätze zu flotten Seifenkisten zusammen.

(Foto: Claus Schunk)

"Zuerst haben wir den Boden der Seifenkiste gebaut. Danach haben wir die Teile für die Achsen und die Bremse angeleimt", erklärt der achtjährige Johannes Boleg. Jeder neue Arbeitsschritt wird auf die gleiche Weise angekündigt. Wenn alle mit der vorherigen Aufgabe fertig sind, ruft Leiterin Angelika Gräser die Kinder zusammen. Countdown: Drei, zwei, eins - alle da. Die Aufgabe diesmal: Teile für die Seilzuglenkung senkrecht an die Konstruktion leimen. Aber wie leimt man richtig? "Zuerst muss der Leim drauf, dann kurz andrücken. Bis 40 zählen und dann richtig fest andrücken", erklärt Nikolai Austmayr. Der Neunjährige hat schon Erfahrung mit Holz und Leim: "Zuhause bastle ich immer kleine Segelboote, ich wollte aber schon immer eine Seifenkiste bauen. Kunst und Werken machen mir einfach Spaß."

Die meisten Kinder haben aber noch keine handwerklichen Fähigkeiten. "Vor dem Kurs können viele nicht einmal einen Bit in einen Akkuschrauber stecken. Der Lerneffekt ist wirklich sehr groß", sagt Gräser. Zu diesem Lerneffekt gehört auch, Ordnung zu halten. Mit ihrer Firma HSU Seminare organisiert Gräser Sommercamps, Erlebnisgeburtstage und Klettertouren für Kinder. Die Grünwalderin wollte aber auch etwas zum Ferienprogramm ihrer Gemeinde beisteuern. Die Idee sei gewesen, etwas für Jungs anzubieten, was es so in keiner anderen Gemeinde gebe. 2012 hat sie den Kurs zum ersten Mal veranstaltet. Mittlerweile sind die Plätze für das Seifenkistenbauen jedes Jahr ausgebucht, die Teilnahme kostet 200 Euro.

Grünwald: Die Bemalung fällt sehr unterschiedlich aus.

Die Bemalung fällt sehr unterschiedlich aus.

(Foto: Claus Schunk)

Die Bausätze stammen von einer Firma, die sich auf Holzspielzeug spezialisiert hat. Das Konzept erinnert an Sofas und Tische einer bekannten schwedischen Möbelkette, aber nicht mehr an die ursprüngliche Idee von Seifenkisten. Die Kinderautos wurden lange Zeit aus allem gebaut, was gerade zur Verfügung stand. Das konnten Blechwannen sein, aber auch Transportkisten für Käse oder eben Seife - daher der Name. Für Victoria Gehauf vom Grünwalder Freizeitpark überwiegen aber die Vorteile der Bausätze: "Wir müssen ja die Sicherheit der Kinder gewährleisten. Bremsen und Lenkung müssen funktionieren, das wird auch alles getestet."

Damit die Seifenkisten nicht in der tristen Holzoptik daherkommen, kann jedes Kind sein Auto selbst gestalten. Ideen gibt es viele. Vor allem blaue und grüne Rallye-Streifen, Sterne, große Nummern oder die Embleme von bekannten Automarken sind bei den Kindern angesagt.

Auf der hellblauen Seifenkiste von Josefine Frick, 10, prangt der Schriftzug "USS Voyager" - der Name eines Raumschiffs aus ihrer Lieblingsserie Star Trek. Auch Emil Holtappel hat eine Filmvorlage für sein Auto gewählt, er ist ein großer Ghostbusters-Fan. Deshalb ziert das Logo der Geisterjäger die Motorhaube seine Seifenkiste: ein Gespenst hinter einem Verbotszeichen. Aus einem Lautsprecher tönt die Titelmelodie der US-amerikanischen Filmreihe. Den hat er selbst noch eingebaut, damit alles seinen Vorstellungen entspricht. "Wenn die eigene Seifenkiste gut aussieht, ist man natürlich richtig stolz", sagt der Zwölfjährige.

An diesem Freitag können die Kinder ihre selbstgebauten Flitzer testen. In Baierbrunn wurde dafür eine Rennstrecke abgesperrt. Links und rechts von der Straße ist nur Wiese, die Straßenlaternen wurden mit Strohballen gesichert. Perfekte Startbedingungen. Vor dem Rennen gibt es ein kurzes Fahrtraining, außerdem werden Lenkseil und Bremse gecheckt. Mit Helm und Ellenbogenschoner dürfen die Kinder dann auf die Rennstrecke. Wie im richtigen Motorsport gibt es zuerst ein Qualifying, danach zwei Rennläufe. Das Auto mit der schnellsten Zeit gewinnt, logisch. Es gibt aber auch Preise für den hilfsbereitesten Handwerker oder die kreativste Bemalung. Viele Kinder fühlen sich aber jetzt schon als Sieger, sagt Gräser: "Die Eltern erzählen mir immer wieder, wie stolz ihre Kinder darauf sind, selbst eine Seifenkiste gebaut zu haben."

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