Grünwald:Brot als Dividende

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Um die Erweiterung ihrer Biobäckerei in Grünwald zu finanzieren, geben Nico Federmann und Manuel Grundei Genussscheine aus. (Foto: Claus Schunk)

Um die Erweiterung ihrer Biobäckerei in Grünwald zu finanzieren, geben Nico Federmann und Manuel Grundei Genussscheine aus. Kunden, die sie zeichnen, erhalten 4,5 Prozent Zinsen - wenn sie sich für die Auszahlung in Naturalien entscheiden.

Von Franziska Gerlach, Grünwald

Keine Bäckerei in Grünwald liegt weiter von ihrem Zuhause entfernt. Trotzdem kauft Barbara Weller ihr Brot ausschließlich in der Bodenschneidstraße, einige hundert Meter vom Gymnasium der Gemeinde entfernt. Gründe für die Biobäckerei Brotzeit fallen ihr gleich mehrere ein: "Das ist eine wirklich schöne Bäckerei", sagt sie, "die Idee ist gut und sie sind innovativ."

Einige Tische weiter kommentieren Nico Federmann, 27, und Manuel Grundei, 31, das Lob mit der Geste von Unternehmern, die sich ihres Erfolges bewusst sind, aber die Freude daran noch nicht verlernt haben: Sie schmunzeln. Und es vergeht in der Tat kaum eine Minute, in der das Glöckchen an der Tür nicht bimmelt und ein Kunde sich an der Verkaufstheke in die Schlange einreiht.

Dier alte Produktionsstätte ist zu klein geworden

Weil die Meisterbäcker die Nachfrage in der kleinen Bäckerei - der Verkaufsraum misst 30, die Backstube 80 Quadratmeter - im fünften Jahr ihres Bestehens nicht mehr bewältigen können, lagern Grundei und Federmann das Backen des Brotes nun aus. Pro Tag produzieren sie rund 300 Kilo Brot, insgesamt haben sie zehn Sorten im Angebot. Ende März eröffnen sie auf 110 Quadratmetern im Erdgeschoss des Alten Wirtes, wo früher ein Naturkostladen war, eine Brotbackstube mit Kaffeebar, in der sie Brotzeit und Snacks anbieten wollen.

Die Brotproduktion wird in den Alten Wirt verlagert. (Foto: Claus Schunk)

In der Bodenschneidstraße hat Kleingebäck wie Croissants oder Tartes den Ofen dann für sich. Die geplante Brotbackstube darf man sich als offenen Arbeitsraum mit Holztischen vorstellen, zwei Backöfen und Maschinen, an denen der Teig nach einem traditionellen Verfahren geknetet wird, dazu Theken und Möbel aus Eichholzstämmen und viel Glas für möglichst hohe Transparenz. Der moderne Kunde interessiert sich wieder dafür, woher die Zutaten kommen, er will wissen, wie Lebensmittel hergestellt werden.

"Wenn Sie Sauerteig riechen möchten, können Sie in die Backstube gehen"

Das Prinzip der Offenheit spürt man auch in der Bodenschneidstraße, immer wieder mal huscht ein Bäcker durch den Verkaufsraum. "Wenn Sie Sauerteig riechen möchten, können Sie in die Backstube gehen", sagt Federmann. "Wir haben nichts zu verbergen." Das gilt ganz augenscheinlich auch für die Finanzierung ihrer neuen Dependance: Um die Brotbackstube zu realisieren haben sie ein Darlehen über 150 000 Euro aufgenommen sowie 60 000 Euro Eigenkapital eingebracht - weitere 100 000 Euro generieren sie über ein besonderes Investitionsprojekt, das sie an diesem Montag um 19 Uhr, beim Treffen des Investment Clubs Grünwald (ICG) in den Räumen des Business Service Centers, vorstellen werden: die Ausgabe sogenannter Genussrechte.

Ulli Portenlänger vom Alten Wirt. (Foto: Claus Schunk)

In den vergangenen Wochen konnten Kunden schon Genussscheine erwerben. 80 Prozent der Anlagen sind mittlerweile vergeben, bei Geldwert liegt die Verzinsung bei zwei Prozent, bei Naturalien bei 4,5 Prozent. In letzterem Fall erledigen die Anleger ihre Einkäufe künftig mit einer Art Warengutschein, als Teilnehmer von Führungen oder Treffen erhalten sie zudem Einblicke in das Bäckereihandwerk. Grundei und Federmann wiederum finanzieren auf diese Weise nicht nur das Inventar ihrer modernen Brotbackstube, das Projekt fördert auch die Kundenbindung und könnte ihnen überdies einen hübschen Werbeeffekt bescheren. "Als Beteiligte" hätten die Anleger "natürlich auch ein Interesse daran, dass die Bäckerei gut läuft", sagt Federmann, und fungierten daher gewissermaßen als "Markenbotschafter".

Die Stammkundin hat bereits 1000 Euro investiert

Prompt meldet sich von der gegenüberliegenden Seite des kleinen Verkaufsraumes Stammkundin Weller zu Wort. Sie hat für den höchstmöglichen Betrag gezeichnet. "1000 Euro", sagt sie. Dass der Weg zur Bäckerei nicht der nächste ist, scheint sie nicht zu stören, zumal ein täglicher Einkauf auch gar nicht erforderlich ist. "Das Brot kann man drei Tage gut essen, das schmeckt immer frisch."

Das Ansehen des Bäckerberufs aufzuwerten, den Imageschaden zu korrigieren, den Backshops und Ketten mit ihren Backmischungen am Grundnahrungsmittel Brot hinterlassen haben, das ist den Unternehmern ein Anliegen. Auch ihre Angestellten sollen nicht abgeschottet in der Backstube arbeiten, sondern teilhaben an positiven Rückmeldungen der Kunden. Genauso ist Nachhaltigkeit in der Naturland-zertifizierten Bäckerei keine leere Worthülse.

Wer beim Kaffee zum Mitnehmen auf einen Pappbecher verzichtet und sich stattdessen einen wiederverwertbaren Becher ausleiht, bezahlt zehn Prozent weniger. Bei ihren Backwaren sind künstliche Aromen oder technische Enzyme, die die Reifeprozesse im Teig steuern sollen, tabu. "Wir arbeiten mit Rohrohrzucker, guten Eiern, und guter Butter", sagt Federmann. Die Rohstoffe für ihre Produkte beziehen sie aus der Region, die Milch bringt einmal pro Woche ein Bauer aus Eurasburg vorbei. Effekthascherei liegt den beiden nicht.

Marketingaktionen wie den Tag des Brotes halten sie für genauso unnötig wie die Ausbildung zum Brotsommelier, die Bäckermeister seit dem vergangenen Jahr an der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim absolvieren können. "Das könnten wir machen, machen wir aber nicht", sagt Federmann. Lieber konzentriere man sich darauf, einfach gutes Brot herzustellen.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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