Grünwald:Aufregend dicht

Grünwald, August-Everding-Saal, Tetzlaff-Quartett, Foto: Angelika Bardehle

Sowohl als Solist wie auch im kammermusikalischen Ensemble ein mitreißender Geiger: Christian Tetzlaff.

(Foto: Angelika Bardehle)

Das Tetzlaff-Quartett begeistert im August-Everding-Saal

Von Udo Watter, Grünwald

Dass der charakteristische Besucher eines klassischen Konzertes nicht unbedingt zur Heißblütigkeit neigt, gehört zur Natur der Sache. Spötter machen sich ja gerne mal lustig über die kunstandächtige Ergriffenheit, mit der das bildungsbürgerliche Publikum den versiert vorgetragenen Tondichtungen lauscht. Gewisse Teile der von manchen vielleicht als steif empfundenen Etikette haben freilich schon ihren Sinn, etwa die Sitte, zwischen den Sätzen eines Werkes nicht zu klatschen, um die Gesamtwirkung einer Komposition respektive Interpretation nicht zu untergraben. So blieb nach dem dramaturgisch packenden und aufregend dichtem Vortrag, mit dem das Tetzlaff-Quartett in Grünwald den Kopfsatz aus Mendelssohn-Bartholdys Streichquartett a-Moll interpretiert hatte, nur eine Art heruntergedimmte Respektsbekundung in Form eines leise gehauchten "Ah" und "Oh" übrig - die gute Kinderstube verbot ja das freudige Benutzen der Hände.

Freilich boten die vier Musiker - Christian Tetzlaff, Elisabeth Kufferath (beide Violine), Hanna Weinmeister, Viola, und Tanja Tetzlaff, Violoncello die nächsten drei Sätze von Mendelssohns bedeutendem Frühwerk ebenfalls so mitreißend dar, dass sie am Ende mit entsprechendem Applaus in die Pause verabschiedet wurden. Die Komposition von 1827, die der damals 18-Jährige nicht zuletzt als Hommage an den verehrten Beethoven gestaltete - freilich nicht eklektisch, sondern in schöpferischer Aneignung - ist eine wunderbare Spielwiese für Könner wie die vier Mitglieder des Tetzlaff-Quartetts. Obwohl die 1994 gegründete Formation nur phasenweise zusammenarbeitet, harmonierte sie sehr eindrucksvoll, in den dynamischen Kontrasten, in den fließenden Übergängen, in den feinen Pizzicati, im Schweben der Geigen über dunklen Cello-Flächen. Das hatte generell etwas von Weltendrama im Kammermusikgewand und Primgeiger Christian Tetzlaff war dabei der virtuose Charismatiker, ohne die drei Frauen an seiner Seite in den Hintergrund zu spielen.

Bewegend auch, wie er im dritten Satz von Haydns Streichquartett g-Moll, das als erstes Werk an diesem Abend erklang, mit seiner Schwester Tanja am Cello dialogisierte. Überhaupt gelang Haydns Komposition fesselnd, geprägt durch scharfe dynamische Kontraste etwa im Kopfsatz, aber auch durch zartes Innehalten, durch feines zwischenzeitliches Aufscheinen von Dur-Lichtungen im dunklen Moll-Kosmos.

Nach der Pause ein weiteres ernstes, von Zweifeln und Krisen dramatisch befeuertes Werk: Jean Sibelius' Streichquartett d-Moll, ein noch spätromantisches, aber schon von moderner, persönlicher Musiksprache des Komponisten geprägtes Werk. Auch hier agierten die Musiker mit großer Suggestivkraft, entwickelten eine Entladung suchende, aber nicht findende Spannung, und kosteten ab und an das musikalische Drama mit Emphase, aber ohne Übereilung aus. Ein mitreißendes Konzert, das ein paar Besucher im August-Everding-Saal am Ende nicht nur kräftig beklatschten - sie erhoben sich sogar von ihren Sitzen. So geht's auch.

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