Grasbrunn/Le Rheu:Vive la Bretagne

Le Rheu zeigt sich als idyllische Alternative zum städtischen Trubel im angrenzenden Rennes. Der Ort ist ein guter Ausgangspunkt für Ausflüge

Von Johanna Mayerhofer, Grasbrunn/Le Rheu

Sie ist kein typisches Touristenziel. Doch abseits des Küstentrubels und der Geschäftigkeit der bretonischen Hauptstadt Rennes begrüßt einen die idyllische 8600-Einwohner-Gemeinde Le Rheu mit preisgekrönten Parkanlagen, einer Kirche unter Denkmalschutz und viel bretonischem Lebensgefühl. 65 Kilometer von Dinard an der bretonischen Nordküste entfernt, bietet sie den idealen Ausgangspunkt für Erkundungstouren in die Küstenregion. "Als Deutsche zieht es uns eben ans Meer", sagt Ingrun Walter. Die 74-Jährige blickt auf über 40 Jahre Bretagne-Erfahrung und viele Besuche in der kleinen Gemeinde westlich von Rennes zurück. Bis vor vier Jahren hat sie das Grasbrunner Partnerschaftskomitee geleitet - und weiß um die Höhepunkte einer abwechslungsreichen Reise in die bretonische Partnergemeinde.

In den fünfziger Jahren nahm Le Rheu seine heutige Gestalt an. Zuvor als kleines Dorf vor allem von der Landwirtschaft geprägt, nahm sich der Urbanist und Städteplaner Gaston Bardet 1959 der Gemeinde an und arbeitete zehn Jahre an ihrer Stadtentwicklung. Er gestaltete weitläufige Fußgängerbereiche und gepflegte Parkanlagen. 1989 wurde der Gemeinde der "4ème fleur"-Preis verliehen und darf sich seither als "cité-jardin", Gartenstadt, bezeichnen. Die Gemeinde legt seitdem viel Wert auf die Erhaltung vieler Grünanlagen. "Die Pflanzenpracht kann vor allem vom milden Klima profitieren", sagt Ingrun Wagner. Gerne spaziert die Grasbrunnerin bei ihren Besuchen durch den Ort, über kleine Fußwege, vorbei an Parks und den liebevoll bepflanzten Anlagen. Über kurz oder lang führt sie ihr Weg auch am Wasser vorbei: Die nördliche Gemeindegrenze bildet der Fluss Flume und die östliche Grenze die Vilaine. Mitten durch das Gemeindegebiet fließt der Ruisseau du Lindon in die Vilaine, die zwischen Rennes und ihrer Mündung im Atlantik schiffbar ist. Das hat auch Wagner schon genutzt: Mit Freunden aus Le Rheu hat sie die Region vom Boot aus erkundet. Die Strecke mit insgesamt 131 Kilometer Länge und 14 Schleusen ist auch für Hausbooteinsteiger geeignet. Grüne Wälder, malerische Dörfer und Schlösser reihen sich entlang der Wasserwege.

Die Kirchen der Gemeinde erinnern an vergangene Zeiten. Im Zentrum befindet sich die Kirche Saint Pierre et Saint Paul aus dem 16. Jahrhundert. Die romanische Kirche Saint-Melaine befindet sich im östlichen Gemeindeteil Moigné. Als "monument historique" steht die Kirche mit ihren Bauten aus dem 15. bis 18. Jahrhundert und dem freigelegten Gewölbe aus Holz unter Denkmalschutz. Die Anfänge der Gemeinde selbst gehen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Die Gemeindeteile Moigné und Le Rheu finden ihre erste urkundliche Erwähnung 1240 und 1279. Erst 1965 wurde die früher eigenständige Gemeinde Moigné in das Gemeindegebiet eingegliedert.

Frankreich ist bekannt für seine Schlösser, Burgen und Herrenhäuser. Auch rund um Le Rheu sind viele Gebäude der ehemaligen Großgrundbesitzer erhalten. "Die sind eine Erkundungstour mit dem Fahrrad wert", sagt Ingrun Wagner. Auch findet man die Gelegenheit, ganze Tage in herrschaftlichem Ambiente zu verbringen. Das Château de la Freslonnière ist eine Burg aus dem 17. Jahrhundert auf einem 140 Hektar großen Anwesen. Der Garten ist im typisch französischen Stil gestaltet. Auf die Gäste des Hotels warten eine große Golfanlage und ein Außenpool. Das Château d'Apigné liegt im Herzen eines 25 Hektar großen Parks und ist sowohl Hotel als auch Gourmetrestaurant.

40 Jahre Freundschaft

1150 Kilometer trennt die französische Gemeinde Le Rheu (bretonisch: Reuz) von ihrer Partnergemeinde Grasbrunn. Im Department Ille-et-Vilaine liegend gehört die Gemeinde zur Region Bretagne und liegt vor den Toren ihrer Hauptstadt Rennes. Le Rheu ist 15 Minuten vom Flughafen Saint-Jacques entfernt. Von Paris aus ist Rennes auch in zweieinhalb Stunden mit dem Schnellzug TGV zu erreichen. In den Gemeindeteilen Le Rheu, Moigné und Les Landes d´Apigné leben rund 8600 Einwohner. Die Einwohner werden Rheusois(es) genannt. Vom Grasbrunner Gemeindewappen beeindruckt, ließ die Gemeinde 1976 ein Eigenes extra anfertigen. Es zeigt drei Dreifußkessel, die für die drei Ortsteile stehen. Zwei gekreuzte Ähren erinnern an den ländlichen Ursprung der Ortsteile und die weiterbestehende Bedeutung der Landwirtschaft. Die auf Türmen abgebildeten schwarzen Hermelinschwänzchen finden sich auch im Wappen der Bretagne wieder. Die Gemeinde im Landkreis München hat seinen französischen Freund auch im Stadtbild geprägt: In Le Rheu wurde eine Straße nach dem Grasbrunner Wolf-Udo Wagner, dem ersten offiziellen Gesandten der Partnerschaft, benannt. Im Jahr 2014 feierte die deutsch-französische Freundschaft ihr 40-jähriges Jubiläum. johm

Anfang März herrscht alljährlich Trubel in der kleinen Gemeinde. Dann wird Le Rheu zum Treffpunkt für etwa 30 000 Liebhaber des guten Geschmacks. Auf der Wein- und Feinkostmesse "Les Tablées" bieten rund 120 Winzer und Erzeuger aus allen Regionen Frankreichs ihre Spezialitäten an. Neben Wein gibt es Käse aus der Auvergne, Muscheln aus Morbihan, Karamel aus der Bretagne oder Honig aus den Pyrenäen. "Bei den Franzosen spielt das Essen eine wichtige Rolle", sagt Wagner. Wer sich nach einem Tag am Meer sehnt, hat es zur bretonischen Nordküste nicht weit. Die Küstenorte Saint-Malo, Dinard, Dinan und das felsige Inseldorf Mont-Saint-Michel werden besonders im Sommer von Maritimliebhabern bevölkert. Auf insgesamt 800 km Strand entlang der Küste warten Badespaß und zahlreiche Sportmöglichkeiten. Surfen und Kitesurfen sind an der rauen Nordküste sehr populär. "Lohnenswert ist auch ein Strandsegelkurs", sagt die Bretagne-Expertin. Auf Wanderfreunde warten entlang der Granitküste viele Weitwanderwege wie der Zöllnerpfad, der sich vom Mont-Saint-Michel im Norden bis Saint-Nazaire im Süden mit Schlaufen ins Landesinnere erstreckt. Seinen Namen verdankt er den Zollbeamten unter Sonnenkönig Ludwig XIV., die die Küstenwege vor Schmugglern beschützten. Mit einer Länge von knapp 2000 Kilometern gehört er zu den längsten Wanderwegen Frankreichs.

Ein Besuch der Küstenregion im Norden kann auch der Anfang einer Bretagne-Rundreise sein. Der Westen besticht durch zerklüftete Felsklippen und viele Leuchttürme. Der milde, südliche Teil der Region ist von Palmen und kilometerlangen Sandstränden geprägt. Wagner wird in diesem Sommer in den Norden fahren: "Ich werde eine Le Rheuer Freundin in Saint-Malo besuchen", sagt die Grasbrunnerin. Sie ist sich sicher, dass die deutsch-französische Freundschaft zwischen ihrer Heimatgemeinde und Le Rheu noch lange anhält. "Es sind viele engagierte, junge Menschen auf beiden Seiten nachgekommen, die den Austausch wirklich wollen."

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