Grasbrunn:Gesucht wird Miss Fleckvieh

Grasbrunn: Robert Lechner aus Sauerlach mit Kuh Cilli.

Robert Lechner aus Sauerlach mit Kuh Cilli.

(Foto: Claus Schunk)

Hunderte Neugierige lockt der Schönheitswettbewerb für Kühe nach Keferloh. Die Kandidatinnen wiegen um die 800 Kilo.

Von Irmengard Gnau, Grasbrunn

Können Tiere Lampenfieber haben? Wenn das so ist, dann versucht Cilli, es sich nach außen hin nicht anmerken zu lassen. Dennoch tänzelt sie ein wenig nervös, als Robert Lechner sie am Halfter von ihrem Platz hinüber in das große Zirkuszelt führt. Kein Wunder, schließlich ist es Cillis erster großer Auftritt, und dann geht es gleich um einen Titel: Die "Miss Munich" wird an diesem Nachmittag in Keferloh gekürt, die schönste Kuh der Rasse Fleckvieh.

Aus ganz Bayern sind die Kandidatinnen angereist. Die Konkurrenz ist hart. Insgesamt 35 Kühe gehen ins Rennen und stellen sich dem strengen Urteil des Preisrichters. Reinhard Scherzer aus Kärnten gilt in Tierschaukreisen als absoluter Fachmann, wenn Cilli bei ihm bestehen kann, hat sie viel gewonnen. "Es ist wichtig, einen guten ersten Eindruck zu machen", verrät Cillis Züchter Robert Lechner aus Sauerlach. "Der Preisrichter trifft meist auf den ersten Blick eine Entscheidung, welche Kuh ihm gefällt und welche nicht." Lechner hat schon viel Erfahrung gesammelt bei Tierschauen. 1997 nahm er als etwa 20-jähriger an seinem ersten Wettbewerb teil, im vergangenen Jahr konnte der Stall aus Sauerlach bei der Bundesfleckviehschau die schönste Kuh mit vier oder fünf Kälbern präsentieren.

Auch seine Debütantin hat Lechner gewissenhaft auf ihren Auftritt vorbereitet. Vor 14 Tagen wurde Cilli komplett geschoren, damit ihr hellbraunes Fell heute seidig glänzt. Das Gehen auf der Schaurunde im Zelt haben Züchter und Kuh gemeinsam trainiert, für den perfekt prallen Eindruck des Euters hat Lechner den Zeitpunkt des letzten Melkens genau abgestimmt. Cilli ist mit ihrem lang gezogenen Körperbau, dem breiten Becken und den federnden Fesseln eine vielversprechende Kandidatin, sie erfüllt alle Anforderungen an ihre Zuchtrasse - sogenannte Doppelnutzungsrinder, die sowohl Milch geben, als auch später gute Fleischlieferanten sind. Auch die Muskeln an ihren Hinterkeulen sind schön ausgeformt, ein Punkt, auf den die Preisrichter achteten, erklärt Robert Lechner.

In den letzten Minuten vor dem großen Auftritt heißt es noch einmal tief durchatmen und sich nicht nervös machen lassen. "Was viel hilft, ist, wenn man selbst ruhig ist, das überträgt sich auf die Kuh", sagt Lechner und streicht Cilli über das Fell. Die Kandidatin nebenan wird noch einmal mit Glanzspray eingesprüht, der Schwanz mit einer Bürste in Form gebracht. Britney, die junge Kuh mit der Nummer eins, scharrt in den Sägespänen. Erfahrenere Kandidatinnen wie Love, die schon vier Kälber zur Welt gebracht hat, lassen sich nicht aus der Ruhe bringen.

"Jede Kuh hat ihren eigenen Charakter", sagt Thomas Grupp, Geschäftsführer der Züchtervereinigung Bayern-Genetik, die den Wettbewerb heuer im Umfeld des Keferloher Montags organisiert hat. Die Tierschau hat zum Ziel, Musterbeispiele für die ideale Fleckvieh-Kuh der Zukunft zu zeigen. Außerdem, erklärt Grupp, wolle man die Verbraucher wieder näher an die Tiere heranführen, deren Produkte sie im Supermarkt kaufen: "Wir wollen einen Treffpunkt schaffen zwischen Stadt und Land." In Anbetracht fallender Preise für Milch und Fleisch kämpfen viele Landwirte um ihr Einkommen, darüber wird auch unter den Besuchern in Keferloh diskutiert. Vielleicht deshalb ist der Schönheitswettbewerb eine willkommene Abwechslung für die Zuschauer im gut gefüllten Zirkuszelt.

Cilli drückt im Eingangsbereich mit dem Kopf gegen Robert Lechners Schulter. In der nächsten Runde präsentieren sich die Kühe mit zwei Kalbungen - Cillis Kategorie. Wenn sie "Miss Munich" werden will, muss sich die Sauerlacherin hier durchsetzen. Es ist die bislang größte Gruppe. Neun Kandidatinnen drängen sich in die Arena, jede etwa eineinhalb Meter hoch und 800 Kilogramm schwer. Cilli ist die letzte in der Runde, sie blinzelt nervös ins Licht der Scheinwerfer. Eine Konkurrentin bockt und drängt ihren Führer an die Bande, der kann sie nur mit Mühe wieder auf Laufstegkurs bringen. Preisrichter Scherzer mustert jedes Tier genau, ein anerkennender Blick fällt auf Cillis Körperlinie, als Züchter Lechner die Kuh an ihm vorbeiführt. Kann sie ihn überzeugen?

Die Musik wird leise, die Wahl ist getroffen. "Es war eine schwierige Entscheidung", hebt Scherzer an. "Wir haben hier mehrere Tiere, die fast ideal sind." Vier Favoritinnen bittet der Preisrichter nach vorne, darunter "die Nummer 18a" - Cilli ist in der engeren Auswahl. Gespannt schaut Lechner zum Preisrichter. Auch Cilli spitzt die Ohren. Scherzer lobt Cillis Eleganz, außerdem ist das perfekt gefüllte Euter der Jury positiv aufgefallen. Reicht das für den Gruppensieg?

"Aber", fährt der Preisrichter fort, "es gibt eine Kuh, die für mich absolut komplett ist. Eine Kuh, die strahlt, eine Kuh mit Ausdruck, mit Qualität im Fundament. Es ist die Nummer 15." Enttäuschung huscht über Robert Lechners Gesicht. Cilli muss sich der Konkurrentin geschlagen geben. Die weiß-blaue Schärpe für den Gruppensieg bekommt Kuh Ilona aus der Zucht in Deubach, die sich später auch im Finale durchsetzt und als "Miss Munich" stolz mit ihrer Führerin auf dem Siegerfoto posiert.

Auch wenn es für Cilli letztlich nicht zum Preisgeld von 2000 Euro gereicht hat, hat sich die junge Kuh gut geschlagen. Im kommenden Jahr bekommt sie vielleicht die nächste Möglichkeit, den Titel nach Sauerlach zu holen. Je nachdem, wie die Bilanz in diesem Jahr ausfällt, will Bayern-Genetik-Geschäftsführer Grupp die Veranstaltung beim Keferloher Montag 2016 wiederholen.

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