Grasbrunn:Endspurt im Erzieherstreik

Knapp 70 Teilnehmer, darunter auch Eltern und Kinder, setzen am Dienstag mit einer Kundgebung in der Landkreis-Streikhochburg Grasbrunn ein Zeichen. Inzwischen hoffen alle Seiten auf ein baldiges Ende des Tarifstreits

Von Johanna Mayerhofer und Christoph Hollender, Grasbrunn

Ein letztes Auflehnen - hoffentlich. Mit roten Verdi-Fahnen, lauten Trillerpfeifen und vielen Plakaten sind etwa 60 bis 70 Demonstranten in der 6500-Einwohner-Gemeinde Grasbrunn zusammengekommen. Verdi München hat am gestrigen Dienstag zusammen mit dem Elternbeirat der Kindertagesstätte Kinderwelt zu einer Solidaritätskundgebung auf der Wiese vor dem Rathaus Neukeferloh aufgefordert. Mit der Kundgebung wollen die Grasbrunner Erzieher zusammen mit ihrer Gewerkschaftsvertretung weiter Druck auf den Arbeitgeberverband ausüben. Nach fast vier Streikwochen macht sich jedoch Erschöpfung in Grasbrunn breit. Abgespannte Erzieher, unruhige Kinder, gestresste Eltern und eine wehrlose Verwaltung - der Wunsch nach einem Ende des Streiks ist auf allen Seiten spürbar.

Belastend sei das für alle, für die Verwaltung und natürlich für die Eltern und Kinder, sagt Nicole Zeh. Die Hauptamtsleiterin der Gemeinde ist für die Personalverwaltung der örtlichen Kindertageseinrichtungen zuständig. In der Grasbrunner Kinderwelt sind im Landkreisvergleich besonders viele Mitarbeiter gewerkschaftlich organisiert. Wohl deswegen ist es die Einrichtung, die am längsten bestreikt wird im Landkreis. In den anderen gemeindlichen Einrichtungen Grasbrunns, dem Kinderhaus Harthausen und dem Kindergarten Honigblume, wurde nur ein Tag lang gestreikt, in den kirchlichen Einrichtungen überhaupt nicht. "Wir können als Gemeinde nichts machen, obwohl wir Dienstleister sind", sagt Zeh zu dem Streik. Natürlich seien die Forderungen der Erzieher nachvollziehbar - diese sind vor allem eine "bessere Bezahlung angesichts gestiegener Anforderungen und anspruchsvollerer Ausbildungen", wie es auf der Homepage der Gewerkschaft Verdi heißt. Doch sei der Streik eine Gratwanderung, sagt Zeh. Die Verwaltung stehe kurz vor der Überbelastung und natürlich seien die Eltern nach mehr als drei Wochen ebenfalls an ihren Grenzen.

Grasbrunn: Auch zahlreiche Eltern und Kinder waren gekommen, um die Forderungen nach besserer Bezahlung zu unterstützen.

Auch zahlreiche Eltern und Kinder waren gekommen, um die Forderungen nach besserer Bezahlung zu unterstützen.

(Foto: Claus Schunk)

Ein Streik hat oft viele Verlierer. Dennoch ist der Streik ein Grundrecht, das im Moment viele Beschäftige in Sozial- und Erziehungsdiensten nutzen. So auch in Grasbrunn. 18 von insgesamt 38 Kinderwelt-Mitarbeitern streiken, zwölf Erzieher und sechs Kinderpfleger. Auch Marco Freimann als stellvertretender Leiter der Kinderwelt ist dem Aufruf der Gewerkschaft gefolgt. Der Erzieher ist froh, unter kommunaler Hand zu arbeiten - und, anders als bei privater Trägerschaft, vom Streikrecht Gebrauch machen zu können. Mittelfristig hofft der 26-Jährige, dass durch eine Tariferhöhung der Anreiz größer wird, den Erzieherberuf zu ergreifen. Derzeit fähige Mitarbeiter zu finden, sei schwierig: "Nur wenige Bewerber haben eine staatlich anerkannte Erzieherausbildung."

Für den Streik erhalten die Grasbrunner nicht nur Unterstützung von Gemeindeseite: Bis auf gelegentliche Anfeindungen hätten die Eltern größtenteils positiv auf den Entschluss zum Streik reagiert, sagt Freimann. Dass nur wenige Eltern ihre Solidarität durch die Anwesenheit auf der Kundgebung zeigen, führt Anja Wartenberg, Elternbeiratsvorsitzende der Kinderwelt, auf die Pfingstferien und die Urlaubsreisen zurück. "Allgemeine Unterstützung finden die Erzieher auf Elternseite aber weiterhin", sagt sie.

Grasbrunn: Moritz ist ein Streikopfer, dennoch demonstriert seine Mama mit.

Moritz ist ein Streikopfer, dennoch demonstriert seine Mama mit.

(Foto: Claus Schunk)

Vor allem in der Notbetreuung, in der derzeit 82 der insgesamt 246 Kinder der Kinderwelt von 8 bis 16 Uhr unterkommen, machen sich die unschönen Auswirkungen der seit 11. Mai andauernden Streikphase bemerkbar. "Es läuft eher schlecht als recht", sagt Wartenberg. Die ungewohnten Umstände machten allen zu schaffen. "Beim Abholen sind die Kinder immer sehr erschöpft", sagt die Elternbeiratsvorsitzende. Die Situation in einer neuen Gruppe, ohne die vertrauten Erzieher und die anderen Gruppenkinder, sorgt bei den Kleinen für Unruhe. Wartenberg fühlt mit den Erziehern mit, die in der Kinderwelt seit Anfang des Streiks die Stellung halten müssen: "Sie müssen mit den unruhigen Kindern zurechtkommen und können nicht ihr gewohntes pädagogisches Programm gestalten." Sie merke, dass die Erzieher selbst mit der Lage nicht zufrieden seien. Zur finanziellen Situation bemerkt Wartenberg, dass die Ersparnisse der Gemeinde auf die Eltern umgelegt werden müssten: "Die Gemeinde spart etwa 50 000 Euro." Diese müssten zurückerstattet werden. Der Grasbrunner Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) ging auf diese Forderung allerdings nicht ein. Er verlieh am Dienstag noch einmal seiner Hoffnung Ausdruck, dass die zu erwartenden erhöhten Lohnkosten in Zukunft mit einem Zuschuss vom Land aufgefangen würden.

Die Grasbrunner Kinder, die keinen Notplatz bekommen haben, müssen privat betreut werden. Zwar hätten die Eltern Verständnis dafür, dennoch stünden sie dadurch vor großen Herausforderungen, sagt Nicole Zeh. Und ganz besonders tragisch sei es für die Kinder. Das Kind könne nicht nachvollziehen, warum es nicht mehr in die Betreuung gehen kann. "Von den Kleinsten wird maximale Flexibilität verlangt", moniert sie.

Bei der Demonstration in Neukeferloh gab es herzliche Wiedersehensfreude. Ein kleines Mädchen aus der Kinderwelt flog ihrer Erzieherin die Arme. Die Mutter hatte ihr bei Beginn des Streiks erzählt, dass die Erzieherinnen in den Urlaub führen. Die Demonstration war für manche Kinder fast so etwas wie ein Familienfest.

Wie lang der Streik im Kinderhaus noch dauert, ist offen. Die Gewerkschaft Verdi habe zu einem unbefristeten Streik aufgerufen, erklärt die Personalbeauftragte im Rathaus. Das könne im schlimmsten Fall auch bis Ende Juli sein. Eine Lösung zu finden, mit der alle leben können - die seit Montag stattfindenden Tarifverhandlungen machen Hoffnung darauf. Laut Verdi-Chef Frank Bsirske könnten die Gespräche schon am Donnerstag zu einem Ergebnis kommen und zu einer Beendigung des Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst führen. Die Rückkehr zum Alltag und in gewohnte Bahnen - in Grasbrunn würden sich alle Beteiligten freuen.

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