Gewerbebauten:Der Vorrat an Flächen ist endlich

Gewerbebauten: Nicht immer können neue Gewerbegebiete gebaut werden.

Nicht immer können neue Gewerbegebiete gebaut werden.

(Foto: Claus Schunk)

Bei einer Diskussion in Kirchheim sind sich die Vertreter von CSU, IHK und Bund Naturschutz einig: Die Kommunen im Großraum München können nicht immer neue Gewerbegebiete ausweisen.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Bis jetzt ist die Fläche ein brauner Acker, 16 Fußballfelder hätten darauf Platz. Der Heimstettener See ist in der Nähe, ein Kleingartenverein und ein Wasserskipark. Aber auch: das Möbelhaus XXXLutz, das Paketzentrum der Post und die Autobahn. Auf diesem Grundstück plante die Gemeinde Aschheim zuerst einen Schlachthof. Das scheiterte. Nun ist klar: Dorthin kommt ein Nutzfahrzeug-Zentrum von Daimler. Gleichzeitig stehen in Aschheim noch etwa 20 Prozent der Büros und Hallen leer.

Der Raum München zieht Menschen an, weil die Berge so nah sind, das Wetter so gut und die Stadt so schön. Aber vor allem, weil sie einen Arbeitsplatz finden. Und das alles zusammen lockt wiederum neue Firmen. Die Kommunen stehen deshalb vor einer wichtigen Frage: Wie sollen sie mit dem Boom umgehen? Sollen sie weiter alles zupflastern? Und damit riskieren, eine Region voller Lagerhallen zu schaffen? Oder sollen sie Flächen sparen, zuerst den Leerstand füllen - mit dem Risiko, dass andere Kommunen immer reicher werden und sie selbst auf der Strecke bleiben? Diese Fragen beleuchteten am Montagabend in Kirchheim der CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch, IHK-Regionalvorsitzender Christoph Leicher und Norbert Steinmeier vom Bund Naturschutz.

Christoph Leicher ist Ingenieur und führt ein Familienunternehmen mit einer fast 150 Jahre langen Geschichte. Seit 1972 sitzt sein Unternehmen "Leicher Engineering", das weltweit mit technischen Bauteilen handelt, in Heimstetten. Der Firmenchef stellt klar: "Wenn ich mein Unternehmen erhalten möchte, muss es weiterwachsen. Stillstand bedeutet Rückschritt." Jedes Jahr würden die Kosten für Personal, Transport und Qualitätssicherung zunehmen. Deshalb bleibe gar nichts anderes übrig, als sich immer weiter zu vergrößern. Doch gibt es tatsächlich keine anderen Lösungen, als auf der grünen Wiese immer mehr zu bauen? Norbert Steinmeier vom Bund Naturschutz weist darauf hin, dass es um das Jahr 1800 noch fünfmal so viele Vögel in der Region gab wie heute - bei anderen Tierarten sehe es ähnlich aus. Warum also können nicht zunächst die Bürogebäude und Gewerbeflächen genutzt werden, die heute nicht verwendet werden?

Die Stadt will das Vergabesystem für Gewerbeflächen überarbeiten - Büroflächen könnten dann nicht mehr nur an den Höchstbietenden vermietet werden.

Die Stadt will das Vergabesystem für Gewerbeflächen überarbeiten - Büroflächen könnten dann nicht mehr nur an den Höchstbietenden vermietet werden.

(Foto: Claus Schunk)

Das Daimler-Zentrum in Aschheim kommt auf ein Grundstück, das schon länger als Gewerbegebiet vorgesehen war. Ganz neue Flächen allerdings will die Gemeinde laut der Wirtschaftsförderin Sabine Kirchmann erst ausweisen, wenn der Leerstand in dem Dornacher Gewerbegebiet gefüllt ist. 2014 standen dort fast ein Drittel der Büros und Lager leer, heute sind es noch 20 Prozent. Den Leerstand zu reduzieren, sei gar nicht so einfach. Gebäude seien in die Jahre gekommen, Eigentümer hätten nicht investiert.

Das Umfeld ist den Firmen heute sehr wichtig

Ähnlich geht es dem Kirchheimer Wirtschaftsförderer Tobias Schock. In den vergangenen drei Jahren konnten in Kirchheim zwar 138 000 Quadratmeter Leerstand befüllt werden. Aber immer noch werden etwa 20 000 Quadratmeter nicht genutzt. "Wir sind einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Aber es gibt noch viel zu tun." Auch Schock klagt: Um ein Unternehmen in ein leer stehendes Büro zu locken, müssten viele Voraussetzungen stimmen. Zum Beispiel eine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und eine attraktive Umgebung mit Lokalen für die Mittagspause.

Einfacher wäre natürlich, neue Gebiete auszuweisen. Doch ist es auch langfristig sinnvoll? Immer weiter neue Bürotürme und Lager zu bauen, sei gar nicht möglich, sagt Weidenbusch. Denn die Flächen seien nun mal endlich. Die Folge: Gemeinden müssten sich besser überlegen, welche Unternehmen sie ansiedeln möchten und könnten nicht jeder Firma Platz einräumen. Lieber sollten Kommunen mit Unternehmen, die bereits am Ort sind, besser zusammenarbeiten. Gleichzeitig sieht Weidenbusch Unternehmen in der Pflicht, wenn es um die Schaffung von Wohnraum geht. "Es kann nicht mehr sein, dass Firmen einen viereckigen Kasten in die Landschaft bauen und nicht darüber nachdenken, wo die Menschen wohnen sollen und wie sie zur Arbeit kommen."

Im Prinzip einig sind sich der Politiker, der Naturschützer und der Unternehmer, dass die Natur einen Wert darstellt, den es zu schützen gilt. "Wir können auch in Gewerbegebieten nicht mehr bloß alles zubetonieren und das, was schön sein soll, grün anmalen", sagte Firmenchef Leicher. Mitarbeiter würden mehr Wert auf ihr Umfeld legen. Deshalb gebe es in seiner Firma einen Garten mit Goldfischteich.

Ein Zuhörer warf ein, dass man in Gewerbegebieten auch die Dächer begrünen könnte. Ob das die Natur ist, die er sich vorstellt, kommentierte Naturschützer Steinmeier nicht. Klar ist am Ende des Abends in Kirchheim aber: So wie bisher kann es im Landkreis München nicht weitergehen. Die Kommunen müssen besser planen, wie die Orte in zehn oder 20 Jahren aussehen sollen.

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