Gelber Sack:Dem Joghurtbecher auf der Spur

Gelber Sack: Noch immer produzieren die Deutschen Unmengen an Plastikmüll.

Noch immer produzieren die Deutschen Unmengen an Plastikmüll.

(Foto: imago stock&people)

Was wird aus dem Plastikmüll? Eine Recherche bei Abfuhrunternehmen und Sortieranlagen ergibt, dass schon bisher kaum Verpackungsabfälle aus dem Landkreis in China landen

Von Bernhard Lohr

Wo landet der Joghurtbecher, den eine Familie in Neubiberg in den Gelben Sack steckt? Das war schon immer eine spannende Frage, weil sich über die Antwort so schön spekulieren lässt. Aktuell noch mehr: Seit China keinen Plastikmüll aus dem Ausland mehr importieren möchte, stellt sich die Frage, wo dieser künftig bleibt. Und was bisher mit ihm geschah.

Wo der Joghurtbecher aus Neubiberg, Oberschleißheim oder Haar hingelangt, ist nur mit gehörigem Aufwand nachzuvollziehen, auch weil mit der Einführung des Grünen Punkts im Jahr 1990 die Sammlung und Verwertung dieser Stoffe weitgehend privatisiert wurde. Große Systembetreiber wie das Duale System Deutschland (DSD) oder Interseroh teilen sich den Markt und verantworten die Ausschreibungen für Teilgebiete.

Im Landkreis München war bis Ende 2017 die Firma Remondis für die Abholung der Gelben Säcke zuständig, seit 1. Januar macht das die Firma Europäisches Lizensierungssystem (ELS) mit Sitz in Bonn. Diese Firma schickt die Fahrzeuge. Wo diese die Wertstoffe hinfahren, hängt von den Sortieranlagen als Zwischenabnehmer ab, die in einer gesonderten Ausschreibung ermittelt werden. Ein Teil der Leichtverpackungen aus dem Landkreis wird derzeit in eine Anlage am Flughafen München gebracht.

"Wir fahren nichts nach China."

Gelber Sack: Aus den Augen, aus dem Sinn? Gelbe Säcke mit Plastikmüll warten auf die Abholung.

Aus den Augen, aus dem Sinn? Gelbe Säcke mit Plastikmüll warten auf die Abholung.

(Foto: Robert Haas)

Die Heinz Entsorgung GmbH betreibt dort eine Sortieranlage, die nach Firmenangaben mehr als 65 Prozent der angelieferten Menge "wieder in die Verwertung" bringt - sprich als Wertstoff zu weiterverarbeitenden Betrieben. Mit einer Kapazität von 40 000 Tonnen an Leichtverpackungen im Jahr ist die Anlage von Heinz-Entsorgung relativ klein. Eine weitere, weit größere befindet sich in der Nachbarschaft. Thomas Buchner, Fachbereichsleiter Vertrieb bei Heinz Entsorgung, erklärt als Erstes, dass sich die Zulieferung der Leichtverpackungen laufend ändere. Alle drei Monate würden die Kontingente neu zugewiesen. Die Herkunft einzelner Verpackungen, etwa eines Joghurtbechers aus Neubiberg, sei schwer nachzuvollziehen. Ist das transparent? "Für uns jetzt schon", sagt Buchner, "für den Bürger nicht". Buchner versichert: "Wir fahren nichts nach China."

Auch der Systembetreiber DSD mit Sitz in Augsburg dementiert, dass Leichtverpackungen mit dem Grünen Punkt im großen Stil in China entsorgt würden. 90 Prozent der im Gelben Sack und in den Gelben Tonnen sortierten Stoffe blieben in Deutschland, ein geringer Anteil werde im Europäischen Binnenmarkt verwertet, sagt Geschäftsführer Michael Wiener. Das Sachverständigenbüro Cyclos in Osnabrück bestätigt das.

Cyclos erstellt die nach der Verpackungsverordnung vorgeschriebenen Mengenstromnachweise für einige Systembetreiber. Es kontrolliert also, wo die Wertstoffe hingelangen. Laut Cyclos-Prokurist Stephan Löhle ist das "ladungsscharf" bis auf den einzelnen Lkw nachzuverfolgen. Nach Asien würden lediglich sortierte Stoffe verschifft, und das nur in geringen Mengen; vor allem PET-Flaschen würden dort in Anlagen verwertet. Sämtliche Leichtverpackungen würden über Sortieranlagen geschickt.

64 Prozent

des Mülls im Landkreis München wurden 2016 recycelt. Das ist weniger als 2006, als die Quote, bei der etwa Bioabfall, Glas, Papier und Sperrmüll mitgerechnet werden, laut Abfallwirtschaftsbericht bei 70,5 Prozent lag. Der Plastikmüll wird dafür mehr. Die Menge an Leichtverpackungen wuchs in der Zeit von 6648 auf 8094 Tonnen.

Der Joghurtbecher aus Neubiberg, der in die Anlage am Flughafen München gelangt, wird dort mit Hilfe moderner Technik wie Nah-Infrarot-Geräten, Siebtrommeln und Magneten von anderen Stoffen getrennt: Folien, Alu, Weißblech, PET-Flaschen. Die sortierten Stoffe werden dann an einen festen regional aufgebauten Kundenstamm in Deutschland und Österreich geliefert und dort weiter verarbeitet. Der nicht sortierbare Rest gelangt ins Heizkraftwerk nach Unterföhring. Das passt in etwa zu den Verwertungsquoten, die im jüngsten Jahresbericht des Fachbereichs Abfallwirtschaft im Landratsamt zum Jahr 2016 genannt werden.

Wohin die Sortieranlagen die Stoffe liefern, kontrollieren Sachverständigenbüros wie das genannte aus Osnabrück. Cyclos etwa überprüft und zertifiziert Anlagen in Deutschland und Asien. Wo der Joghurtbecher aus Neubiberg hingekommen ist, wäre dort in den Daten zu finden. Prokurist Löhle will einer Anfrage aber nicht direkt nachgehen und verweist auf den Datenschutz. Dass der Becher nach China verschifft wird, schließt aber auch er faktisch aus.

Eine hohe Sortierquote erhöhe den Gewinn

Beim Export müsse nachgewiesen werden, dass der Abnehmer in Asien über Recycling-Kapazitäten verfüge, sagt Löhle, sonst werde die Menge nicht angerechnet. In China wird dann laut Löhle wie in Deutschland Granulat oder ähnliches aus dem Kunststoffmüll hergestellt. Nur wenn das garantiert sei, werde dem Entsorger die stoffliche - nicht energetische - Verwertung angerechnet, die erforderlich ist, um die Quoten zu erfüllen. Für Kunststoffverpackungen steigt die Quote mit der neuen Verpackungsverordnung 2019 von derzeit 36 auf dann 63 Prozent.

Die aktuell noch relativ niedrige Quote stützt die These von Kritikern, dass der Großteil des Plastikmülls - wenn schon nicht nach China verschifft - so doch nur verbrannt werde. Ein Experte aus dem Landkreis, der ungenannt bleiben möchte, spricht davon, dass 50 bis 80 Prozent des Verpackungsmülls in Heizkraftwerken landen. Thomas Buchner vom Sortieranlagen-Betreiber Heinz bestreitet das: Eine hohe Sortierquote erhöhe den Gewinn.

Kunststoffabfälle zu verbrennen, rechne sich nicht. Allerdings liefern Sortieranlagen mit veralteter Technik schlechtere Sortierergebnisse und am Ende mehr Ausschuss für die Verbrennung. Ein weiteres Problem ist der Mensch, der nicht sauber trennt. Wenn etwa der Aludeckel des Joghurtbechers noch im Becher steckt, landet das Mischmaterial beim Plastik. Die dominierende Stoffqualität entscheide. Auch Verbundmaterialien erschweren die Sortierung, und die werden immer mehr.

Wer sehen will, wo ein Teil des Problems liegt, der "braucht nur in seinen Kühlschrank zu schauen", sagt Bernhard Lipowsky. Er ist Ingenieur und koordiniert die Arbeit beim "Forum Z", einem Informations-Netzwerk zur Abfallwirtschaft, dem mehr als 80 Kommunen angehören, darunter viele aus dem Landkreis München. Lipowsky stört beim Grünen-Punkt-System vor allem die fehlende Transparenz. Es sei eine "Black-Box", sagt er. Georg Wagner, Geschäftsführer des Zweckverbands Südost, der für die Gemeinden Aying, Brunnthal, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Hohenbrunn, Neubiberg und Putzbrunn die Entsorgung organisiert, sieht das auch so. "Das Ganze ist zu kompliziert für die Leute", sagt er.

Wagner würde eine Rekommunalisierung auch bei der Verwertung von Leichtverpackungen begrüßen: Ein Ansprechpartner, ein Verantwortlicher - das wäre sein Ziel, das dann auch noch günstiger sein könnte. Er würde auch ein simples Zwei- oder Drei-Tonnen-System begrüßen, bei dem Trocken- und Biomüll sowie Papier getrennt werden. Den Trockenmüll könnte man dann über eine Sortieranlage laufen lassen - und fertig.

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