Geburtstag:Als Salmdorf noch den Ton angab

Vor 200 Jahren wurde der Ort eine eigenständige Gemeinde, zu der damals auch Gronsdorf und das noch unbedeutende Haar gehörten. Erst 1924 erfolgte die Umbenennung

Von Bernhard Lohr, Haar

Als König Max I. Joseph vor 200 Jahren dem Land Bayern eine Verfassung gab, war das ein großer Schritt hin zum modernen Staat heutiger Prägung. Das Prinzip der Gewaltenteilung setzte sich langsam durch und ein Zensuswahlrecht wurde etabliert. Dabei wird in der Rückschau oft vergessen, dass das auf den Prinzipien des Reformers Montgelas fußende Papier vom 20. Mai 1818 auch auf Gemeindeebene bleibende Fakten schuf. Ähnlich der Gebietsreform von Mai 1978 wurden Orte zu größeren Einheiten zusammengelegt. Die Land-Gemeinde Salmdorf entstand - der Vorläufer der heutigen Gemeinde Haar.

Auch wenn heute die Größenverhältnisse umgekehrt sind: An Selbstbewusstsein fehlt es den Salmdorfern nicht, die vor drei Jahren schon mit einem einjährigen Fest- und Veranstaltungsreigen das 1000-jährige Bestehen ihres Orts begingen. Und so erinnern sie jetzt auch daran, dass sie von 1818 bis 1924 den Hauptort der Gemeinde stellten und Haar nur ein relativ unbedeutendes Anhängsel war. Ingo Gugisch, Schriftführer des Vereins "D'Salmdorfer", der am Pfingstmontag ein Fest im Ort organisiert, erzählt, wie man auf das historische Ereignis stieß. "Wir mussten selbst lachen", sagt er. "Wieder ein Jubiläum", habe man sich gedacht.

Haar, Salmdorf, Grenzgebiet München-Haar,

Das kleine Salmdorf war einst größer als die anderen Orte in der Gemeinde.

(Foto: Angelika Bardehle)

Kritiker der Gebietsreform vor 40 Jahren haben diese als obrigkeitsstaatlichen Willkürakt verurteilt. Doch es wurde schon auch offen diskutiert, gestritten und in Bürgerversammlungen und Gemeinderäten abgestimmt. Anders war es bei der vom König aus "freyem Entschlusse" gegebenen Gemeindeordnung, bei der "mehrere nahe gelegene Orte ... in einer Gemeinde vereinigt" wurden. Im Fall Salmdorf wurden Gronsdorf und Haar zu einer Verwaltungseinheit verbunden. Salmdorf war einer Auflistung aus dem Jahr 1872 zufolge, die aber weitgehend die Verhältnisse gut 50 Jahre vorher beschreibt, mit 13 Häusern der größte Ort. Je zwölf Häuser standen in Gronsdorf und drei in Haar. Haar sollte erst mit der Eröffnung der Bahnstation im Jahr 1871 und vor allem der Heil- und Pflegeanstalten in Eglfing und Haar in den Jahren 1905 und 1912 einen größeren Aufschwung erleben. Im Jahr 1923 richtete Bürgermeister Georg Eisenreich dann nach einem Gemeinderatsbeschluss an das Bezirksamt München die Bitte, der Gemeinde den Namen "Haar bei München" zu verleihen. Dass die Umbenennung ohne Feierlichkeiten vollzogen wurde, spricht für die Autoren der Ortsgeschichte "1000 Jahre Salmdorf" Bände. "Jetzt stiehlst uns no an Namen", soll der damalige Gemeindesekretär von aufgebrachten Salmdorfern zu hören bekommen haben.

Dabei hatte sich schon 30 Jahre nach der Gemeindegründung durch König Max I. Joseph gezeigt, dass der Zuschnitt der Verwaltungseinheiten nicht in Stein gemeißelt war. 1849 taten sich Bauern aus Ottendichl und Eglfing zusammen und gaben den Wunsch zu Protokoll, von Feldkirchen ausgegliedert und Salmdorf zugeschlagen zu werden. Als Grund führten sie an, dass sie in dem von Protestanten dominierten Feldkirchen als Altbayern nichts zu melden hätten. In einem Dokument ist von den "Überrheinern" die Rede, die "in der Gemeinde stets den Ton angeben". Viele Protestanten, die aus politischen und wirtschaftlichen Gründen die Wittelsbacher Pfalz verlassen hatten, siedelten sich in Feldkirchen an. 1837 wurde die älteste, heute noch bestehende protestantische Kirche in der Region dort errichtet.

Haar Salmdorf

Eine Tafel am Rathaus in Haar erinnert heute noch daran.

(Foto: Ingo Gugisch)

Das Innenministerium billigte schließlich am 21. Dezember 1849 die Salmdorfer Lösung. Mit dem Zuschlag von Ottendichl und Eglfing zu Salmdorf war das heutige Gemeindegebiet Haar arrondiert. Die hitzigen Debatten der Gebietsreform des Jahres 1978 blieben den Haarern dann erspart.

Die Salmdorfer feiern ihre Gemeindegründung vor 200 Jahren am Pfingstmontag, 21. Mai. Nach dem Gottesdienst kommt man gegen 11.30 Uhr im T-Bone-Steakhouse, Johann-Karg-Straße 3, zusammen. Es gibt Bier, Weißwürste und Brezen.

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