Garching:Von der Abi-Feier zum Festival

Das Open Air "Schall im Schilf" ist aus einer privaten Party von Absolventen des Werner-Heisenberg-Gymnasiums entstanden. Dieses Jahr erwarten die Veranstalter 5500 Fans elektronischer Musik am Garchinger See

Von Laura Zwerger, Garching

Jedes Jahr wetten sie, wie schnell die Karten ausverkauft sein werden. Jedes Jahr liegen sie wieder weit daneben. "Wir sind da alle sehr bescheiden", sagt Leo Ehrecke. Der 26-Jährige ist einer von zehn jungen Garchingern, die als Event-Veranstalter "Kellerkind" das Open-Air-Festival "Schall im Schilf" veranstalten. Vergangenes Jahr waren die Tickets innerhalb von fünf Minuten ausverkauft.

Am Ufer des Garchinger Sees können Liebhaber der elektronischen Musik einmal im Jahr den ganzen Tag von Mittag bis nach Mitternacht tanzen, essen und baden. Ein Ticket dafür kostet 20 Euro. Dieses Jahr findet das Open Air am Samstag, 4. Juni, statt und verspricht, ein neuer Rekord zu werden: "Wir rechnen mit 5500 Leuten", so Ehrecke. Das sind doppelt so viele wie im Vorjahr. Eine weitere Wiese wurde extra angemietet, die Karten waren trotzdem nach einer halben Stunde ausverkauft.

Um ein Festival in solch einer Größenordnung veranstalten zu können, haben Ehrecke und seine Freunde dieses Jahr aufrüsten müssen: Ein Sicherheitskonzept von 130 Seiten musste her. Neben einem Geländeplan sind darin auch Sicherheitsbestimmungen festgelegt. "Die Zeiten, in denen wir uns noch Westen mit der Aufschrift 'Ordner' übergezogen haben, die sind vorbei", so Ehrecke.

Dabei sind diese Zeiten noch nicht lange her - die Idee ist erst vor sechs Jahren entstanden: Nach dem Abitur 2010 am Werner-Heisenberg-Gymnasium haben Ehrecke und seine Freunde privat feiern wollen. Musikboxen, ein Pavillon und ein Anhänger voll Bier wurden besorgt, etwa 80 Schüler sollten kommen - schnell waren es dann beinah doppelt so viele. "Es sind immer mehr gekommen", erzählt Ehrecke. "Da haben wir gemerkt, dass es uns Spaß macht, so was zu organisieren."

Da in Garching für junge Leute meist wenig geboten ist, hat die Clique beschlossen, die Party im nächsten Jahr zu wiederholen - dieses Mal unter dem Namen "Schall im Schilf" und am Garchinger See. "Schall im Schilf liegt auf einer kleinen Grillwiese, nördlich des Garchinger Sees, mitten im Grünen und etwas abseits der öffentlichen Verkehrsmittel", erklärt Mitveranstalter Alexander Hofmann. Die Natur bietet einen besonderen Charme. "Es gibt kaum eine Open-Air-Location, die schöner ist", schwärmt Ehrecke.

Garching: Hier ein Bild aus dem vergangenen Jahr - für diesen Juni rechnen die Veranstalter mit 5500 Besuchern, doppelt so viele wie 2015.

Hier ein Bild aus dem vergangenen Jahr - für diesen Juni rechnen die Veranstalter mit 5500 Besuchern, doppelt so viele wie 2015.

(Foto: Benedikt Schemmer)

Und der Erfolg ließ dann auch nicht lange auf sich warten: Im ersten Jahr kamen 300 Leute, 2012 feierten bereits 1500 Menschen am Seeufer. Trotz der daraufhin jährlich steigenden Zahlen geht es den jungen Veranstaltern aber nicht um den Profit: "Wir studieren alle etwas Bodenständiges, und es ist nur unser Hobby", so Ehrecke. "Dadurch schauen wir nicht auf den Gewinn." Die eigene Brotzeit dürfe man beispielsweise immer noch mit auf das Gelände nehmen, Flaschen seien jedoch mittlerweile aus Sicherheitsgründen verboten.

Nur für die Ausgaben des Events muss der Gewinn reichen, schließlich kommt bei einem Festival in dieser Größenordnung einiges zusammen: Neben Sanitätern und Sicherheitspersonal müssen auch Techniker und Installateure bestellt werden. "Das Schwierige ist, dass da draußen am See einfach nichts ist", so Ehrecke. "Es ist nur eine Wiese - weder Strom noch Abwasserleitungen gibt es dort." So weit es geht, kümmern sie sich aber selbst und mit Hilfe von Freunden und Freiwilligen um den Aufbau.

Jedes Jahr planen sie deshalb über Monate, damit in der letzten Woche vor dem Festival alles für den Aufbau und ein schönes Gesamtbild vorbereitet ist. Dabei legen sie besonderen Wert auf die Dekoration und am Ende leuchten dann zum Beispiel selbstgemachte große Holzskulpturen während der Festivalnacht. "In allem steckt viel Liebe drin und das spüren die Leute auch", sagt Ehrecke.

Und nicht nur bei der Dekoration des Festivals achten die jungen Garchinger auf den eigenen Charme, auch bei der Auswahl der DJ-Künstler soll der familiäre Charakter bestehen bleiben. "Wir buchen nie sehr bekannte DJs, sondern machen das etwas experimenteller", so Ehrecke. Neben lokalen Künstlern wie Immanuel Zanzibar, der aus dem Münchner Club Charlie bekannt ist, legen am Samstag rund 20 weitere DJs aus Hamburg, Berlin und vereinzelt sogar aus Frankreich oder Großbritannien auf.

Garching: "Schall im Schilf" ist das Projekt von zehn jungen Garchingern.

"Schall im Schilf" ist das Projekt von zehn jungen Garchingern.

(Foto: Kellerkind)

Verläuft das Festival gut und es klingeln die Kassen, dann geht es an das nächste Projekt: "Wir möchten auch etwas zurück geben und unterstützen unterschiedliche soziale Projekte und Vereine, die sich mit Jugend- und Kinderhilfe beschäftigen", erklärt Hofmann. Im vergangenen Jahr etwa gingen so 2000 Euro an Hilfsprojekte, um davon Lehrbücher und Schulmaterial für Flüchtlinge zu kaufen. Neben der Schlau-Schule oder Refugio profitiert dabei auch jedes Mal ein lokales Hilfsprojekt wie die Garchinger Nachbarschaftshilfe davon.

Auch das diesjährige Essenskonzept unterstreicht die soziale Komponente: Es wird nur vegetarisches Essen geben. "Im besten Fall regt eine solche Aktion vielleicht ein paar Gedanken zur ganzen Thematik an", so Hofmann.

Da aus München und dem Umland jedes Jahr aufs Neue viele Menschen zu ihrem Festival stürmen und es ihnen viel Spaß bereitet, haben die Garchinger aber nichts gegen weitere Vergrößerungen. Neben Schall im Schilf richten sie seit 2013 auch das ähnlich konzipierte Open-Air-Event "Back to the Woods" nahe der Technischen Universität in Garching aus. "Man ist immer auf der Suche nach etwas Neuem - das reizt einen schon", sagt Ehrecke. Und daher wollen die jungen Veranstalter auch weiterhin dem Festivalkult treu bleiben, obwohl die meisten ihr Studium bald beenden und in die Arbeitswelt einsteigen werden. Wichtiger als die dafür geopferte Freizeit ist ihnen nämlich das Gefühl, solch eine Veranstaltung verwirklicht zu haben: "Und ich schwebe immer noch in der Anfangseuphorie", so Hofmann.

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