Garching:Tanz der Schelmischen

Unter dem Namen "La Picarona" widmet sich Heike Kluska seit 30 Jahren dem Flamenco

Von Laura Zwerger, Garching

Dass ein Wahlfach einmal ihr Leben bestimmen würde, hätte sie als Jugendliche nicht gedacht. Mit 17 Jahren belegte Heike Kluska einen Flamenco-Kurs an der Schule - heute tanzt sie seit mittlerweile 30 Jahren professionell und unter dem Namen "La Picarona": die Schelmische, Freche. Eine Eigenschaft, die sich bereits in ihrem ersten Schritt als Tänzerin erkennen ließ, als sie ihren Bausparvertrag nach der Schule verhökerte, um auf der Suche nach der Wiege des Flamencos nach Spanien zu gehen.

"Die wirklichen Wurzeln lernt man eher fernab der Moderne, in kleinen Städtchen Spaniens und bei alten Lehrern kennen", sagt die im Garchinger Ortsteil Dirnismaning lebende Kluska. Rund um die Uhr habe sie getanzt, ihr Ehrgeiz wurde immer größer. "Ich habe Privatstunden genommen, versucht, in die entsprechenden Kreise reinzukommen." Auch in Madrid war sie an renommierten Schulen, "schnell habe ich gemerkt, dass ein ganz anderes Niveau herrscht - von Kindesbeinen an wird dort getanzt." Für Kluska lief es allerdings gut. Ihre Lehrer lobten sie, besonders ihre Expressivität. "Ich hatte ihn einfach, den Ausdruck - und der ist so wichtig beim Flamenco." Einige Lehrer haben die damals Anfang Zwanzigjährige weiterempfohlen, kurz darauf tanzte sie in einem Ensemble in Dänemark. "Dort habe ich aber bald realisiert: Wenn ich etwas möchte, das meinen Vorstellungen entspricht, dann muss ich zurück nach Deutschland", sagt sie.

Heike Kluska, Flamenco-Tänzerin La Picarona, Dirnismaning 21 in Garching

Heike Kluska tanzt seit mittlerweile 30 Jahren professionell Flamenco.

(Foto: Florian Peljak)

Kaum Geld zu verdienen und nur auf eigene Kosten ihren Traum zu leben, schien ihr nicht genug. Bis heute arbeitet die mittlerweile 47-Jährige nebenbei auf Minijob-Basis als Industriekauffrau, um zusätzlich zu dem Verdienst durch Auftritte und außerhalb der Künstlerbranche eine finanzielle Konstante zu haben. Kluska ist also nach einem halben Jahr in Dänemark zurück nach Deutschland gezogen, "um zu sehen, was hier so geht". Und sie hatte Glück. Ein befreundetes Pärchen leitete eine Tanzschule, sie haben die junge Tänzerin in ihren Kreis aufgenommen. "Wir waren viel unterwegs, sind regelmäßig in Stuttgart in einem Lokal aufgetreten und haben einfach viel getanzt."

Besonders in sogenannten Tableaus haben sie vor flamencobegeistertem Publikum getanzt; denn in den spanischen Lokalen wird nicht nur die mediterrane Küche mit einem gewissen Flair vereint, sondern auch die spanische Musik und der Flamenco-Tanz gelebt. "So etwas gibt es nur leider kaum in München - die organisierte spanische Kultur fehlt hier", sagt sie. Zwar würde in einigen spanischen Lokalen getanzt, allerdings auf einem anderen Niveau und zu Musik aus dem CD-Player anstatt mit einem Live-Gitarristen. "Dabei hat gerade der Live-Charakter etwas, das das Herz berührt und einen fesselt."

La Picarona

Unter dem Namen "La Picarona" steht Heike Kluska auf der Bühne.

(Foto: oh)

Besonders das Zusammenspiel mit einem Gitarristen ist etwas, das Kluska als ausschlaggebend für guten, wahren Flamenco sieht. "Es ist dabei aber immer die Frage, ob man auch einen Gitarristen hat, der die Musik passend umsetzen kann." Der Flamenco-Tanz folge nicht nur einzelnen Takten und Schrittfolgen - Leidenschaft, Trauer, Wut, all das könne und müsse dabei zum Ausdruck kommen.

Sie selbst tourt seit sechs Jahren zusammen mit Ricardo Volkert, einem sogenannten Cantautor - einem Liedermacher - durch Deutschland. "Ricardo singt und spielt gleichzeitig Gitarre, wenn ich mit ihm unterwegs bin", sagt Kluska. "Da viele Stile im Flamenco sehr kompliziert im Rhythmus liegen, ist das alleine schon eine Schwierigkeit für sich." Auch müsse die Chemie zwischen beiden Seiten stimmen, nur so können Emotionen an das Publikum weitergegeben werden. Dieser emotionale Aspekt spiegelt sich allerdings nicht nur in ihrem eigenen Tanz wider, auch an andere Menschen gibt sie die Kraft des Flamencos weiter. Als Lehrerin veranstaltet sie mit einer Freundin Workshops, in denen durch Musik und Tanz auch die Seele berührt werden soll. Kluska sieht darin nicht nur eine Gelegenheit für Tanzbegeisterte, sondern vielmehr eine Art selbstgeleitete Therapie. "Ehrlich zu sein ist sehr wichtig im Tanz, man darf keine Maske aufhaben - man gibt sich ganz ungeschminkt", sagt sie. "Und das bedeutet in der Therapie demnach auch, dass man seinen Schmerz spüren darf." Wer Schmerz in sich spürt, der tanze auch einen traurigen Tanz.

In einer Therapieausbildung hat Kluska über vier Jahre gelernt, wie sie anderen dabei helfen kann, sich durch den Tanz zu öffnen. "Viele Schüler haben mir gesagt, dass das Tanzen für sie heilsam sei", sagt sie. "Ich habe sehr verschlossene Personen erlebt, die sich dabei endlich öffnen konnten." Auch für sie selbst ist der Flamenco ein Ventil, jede ihrer Choreografien spiegelt gleichsam eine Stimmung wider. Übt sie eine ihrer Choreografien für einen Kurs oder einen Auftritt, dann schließt sie sich in ihrem kleinen Studio in Dirnismaning ein. Wenn die Musik zu spielen beginnt, legt sie quasi ihre Maske ab, öffnet sich für den Tanz und spannt langsam jeden Muskel an - bis ihre Füße anfangen, ihren eigenen Takt zu klopfen.

Weitere Informationen zu Heike Kluska gibt es unter www.flamenco-lapicarona.de

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