Garching:Still, aber oho

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Mikael Nurdanaker steht vor seinem Tesla. In der Hand hält er seine Urkunden, auf dem Dach stehen seine Pokale. (Foto: Stephan Rumpf)

Von Lviv nach Monte Carlo, in 14 Tagen und ohne einen Liter Benzin zu verbrennen - die Teilnehmer des "Electric Marathon" machen mit ihren Autos in Garching Station.

Von Bastian Hosan, Garching

Kein Geräusch, nichts, Stille, als der dunkelgraue Sportwagen auf die Zielgerade einbiegt. So kurz vor dem Etappenziel am Forschungscampus in Garching heißt es noch mal protzen. Einmal noch richtig aufs Gas treten, bevor es drei Stunden an die Steckdose geht.

Kein Abgasgeruch, keine Geräusche - Autorennen sind sonst anders

Die Strecke: Lviv - Monte Carlo, die Wagen alle betrieben mit Strom, die Fahrer: Idealisten. Man hört Sprüche wie: "Lärm, das ist doch nichts anders als Ineffizienz", oder: "Alles ist digital. Es schreibt doch auch keiner mehr auf der Schreibmaschine. Warum dann keine elektrischen Autos." Auf den ersten Blick ist alles wie immer, als die Autos der Rallye - eines nach dem anderen - in Garching ankommen. Weniger das Optische macht den Unterschied, vielmehr ist es der Geräuschpegel, der schlicht nicht existiert und der fehlende Geruch von Abgasen. Autorennen sind sonst anders.

"Be part of global changes", steht in roter Schrift auf dem Flyer der Rallye-Veranstalter. Veränderung. Darum geht es. Juri Tamm, ein großer Mann, weißes Hemd, Sonnenbrille, kräftiger Händedruck, ist hier Chef. "Jeder, der ein elektrisches Fahrzeug hat soll mitmachen", zeigen, dass E-Mobilität funktioniert und schon lange kein bloßer Traum von Erfindern ist. "Was wir hier machen?" Tamm lacht. "Wir schaffen Kooperationen." Für jedes elektrische Auto auf den Straßen braucht es mehr Infrastruktur. Die Ukrainer sind also auf Werbetour.

Diese Tour geht durch zehn Länder Europas. Jedes Jahr startet die Rallye an einem anderen Ort. Lviv, Lemberg, in der Ukraine war es in diesem Jahr. Das Ziel ist immer das selbe: Monte Carlo. Hier darf der Sieger Prinz Albert von Monaco die Hand schütteln, er ist der Schirmherr des Rennens.

Die Werbetour für Elektroautos führt durch zehn europäische Länder

2011 hat er das Rennen initiiert, nach einem historischen Vorbild. 1930 bis 1939 gab es schon mal eine Rallye quer durch Europa. Der Zweite Weltkrieg hat den Fahrern einen Strich durch die Rechnung gemacht. Heute soll das Rennen nicht nur Einblicke schaffen, heute soll es Bewusstsein schaffen für neue, umweltfreundliche Technologien.

Der dunkelgraue Sportwagen, ein Tesla, gehört Mikael Nurdanaker, einem Schweden. "Das ist mein Autobahn-Raumschiff." Jedes Jahr würden die Autos um fünf Prozent besser, erklärt er. In drei Jahren könne man E-Autos schon günstiger produzieren als Diesel oder Benziner. Mikaels Tesla ist eine Wucht. Dort, wo bei herkömmlichen Autos das Radio ist, prangt ein riesiger Bildschirm. Darauf zu sehen eine digitale Landkarte mit allen Ladestationen für sein Auto. "Das Laden dort ist kostenlos", im Preis des Wagens mit inbegriffen.

Doch genau da liegt das Problem: ein Tesla, wie der von Mikael, ist teuer. "Ich hätte gleich viel für einen BMW ausgeben können", sagt er. "Aber das hier, das ist 2016." Er habe sich für die Zukunft entschieden. Die Reichweite: 350 bis 500 Kilometer. Das reiche für die meisten Strecken. "Ich war in 19 Ländern mit diesem Auto." Alles völlig problemlos.

Um fünf Autos in drei Stunden zu laden, braucht es eine Menge Energie

Dass die Rallye halt macht an der Universität in Garching kommt nicht von ungefähr. Um fünf Autos in drei Stunden zu laden, braucht es eine Menge Energie, die nur die Universität bereitstellen kann. Außerdem können die Garchinger so gleich noch ihre Projekte vorstellen. In der Garage des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik in München stehen sie, die E-Autos, die die Studenten und Doktoranden entwickelt haben. Es ist genau die Art von Kooperation, die sich die Ukrainer wünschen. "Für uns ist das wirklich spannend", sagt Alfred Sachs, "schließlich haben wir selbst eine Menge zu tun mit E-Mobilität." Immer wieder fährt er mit seinem strombetriebenen Roller auf dem Gelände auf und ab, zwischen Autos und Fahrern hin und her.

Beflügelt in eine elektrische Zukunft: Der Pokal ist für den Sieger in Monaco reserviert. (Foto: Stephan Rumpf)

An jeder Etappe bauen die Veranstalter eine Bühne auf, küren den Etappensieger. Gewonnen hat nicht der, der am schnellsten am Ziel ist. Gewonnen hat der, der möglichst die gleiche Zeit hat, wie ein Referenzfahrzeug, das vorausfährt. "Wir fahren maximal 130 und halten uns genau an alle Geschwindigkeitsbegrenzungen", sagt Juri Tamm. Daraus ergibt sich die Zeit.

Zwei Stunden und 21 Minuten. Das ist die Referenzzeit für die Strecke Bad Schallerbach in Österreich nach München. Sergeiy Bilii hat sie genau erreicht. Dafür gibt es eine Urkunde und eine Flasche Sekt. Sein bisher dritter Etappensieg. "Ich will den fürstlichen Händedruck", sagt er. Drei Stunden dauert die Visite in Garching. Dann geht es weiter nach Ulm. Das einzige Geräusch: Das Rollen der Reifen auf dem Asphalt.

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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