Garching:"Mein Herz schlägt für soziale Unternehmen"

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Maria Esterlechner ist die erste hauptamtliche Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe. (Foto: Stephan Rumpf)

Maria Esterlechner hat ihren Job bei einem Verlag aufgegeben, um Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe zu werden

Von Gudrun Passarge, Garching

Ganz gleich, ob ältere Menschen im Alltag Hilfe brauchen oder ob junge Mütter Betreuungsplätze für ihr Kind suchen, die Nachbarschaftshilfe (NBH) in Garching ist immer ein guter Ansprechpartner. Sie hat sich über die Jahre fast zu einem kleinen mittelständischen Unternehmen gemausert mit einem breit gefächerten Angebot. Dem hat der gemeinnützige Verein im vergangenen Jahr Rechnung getragen und eine Geschäftsführerin eingestellt. Maria Esterlechner leitet seit November 2015 das operative Geschäft. Bei der Mitgliederversammlung im Juni wird sie das erste Mal einen Rechenschaftsbericht vortragen: "Wir leisten wirklich Gutes und viel, es gibt keinen Grund etwas Negatives zu berichten."

Für die 55-Jährige war es nicht gerade ein Sprung ins kalte Wasser. Aber es war doch so etwas wie ein neues Kapitel in ihrem Berufsleben. Esterlechner lebt seit 1986 in Garching, die Nachbarschaftshilfe lernte sie über den großen Basar kennen. Damals waren ihre Kinder noch in einem Alter, dass sie das Angebot dort gerne nutzte, inzwischen sind sie erwachsen. Aber Esterlechner blieb der Nachbarschaftshilfe erhalten. Sie organisierte zeitweise das Ferienprogramm, übernahm Öffentlichkeitsarbeit und engagierte sich im Projekt Betreut zuhause wohnen bleiben - im Jargon der Nachbarschaftshilfe unter dem Kürzel Bezuwo bekannt. Das lief jedoch alles auf ehrenamtlicher Basis, denn beruflich war die Bankkauffrau im Personalwesen eines Verlags tätig. 2009 schließlich übernahm sie auch noch im Vorstand Verantwortung. Das bedeutet, die Geschäftsführerin sitzt zwar auf einem neuen Posten, aber mit der Nachbarschaftshilfe und ihrer Struktur und den Anforderungen kennt sie sich bestens aus.

"Mein Herz schlägt für soziale Unternehmen", sagt Esterlechner. Deswegen habe sie sich für den Wechsel vom Verlag zur NBH entschieden, nur bei ihrem Wochenpensum von 25 Stunden ist sie geblieben. "Es gibt einen sehr guten Austausch mit den acht Ressortleitern und den Abteilungen", berichtet sie, "wir ziehen alle an einem Strang, sind alle sehr flexibel." Dass der neue Posten sinnvoll ist, habe sich schnell gezeigt. "Ich habe festgestellt, ich bin als Geschäftsführerin näher dran als der Vorstand." Diese Nähe ist hilfreich, um Entscheidungen zu treffen. Solche etwa, ob der Pflegedienst bestimmte technische Hilfsmittel anschaffen soll, oder auch die Frage, wie eine neue Stellenbeschreibung aussehen soll und wer eingestellt wird. Früher musste sich bei solchen Fragen immer erst der ganze Vorstand zusammensetzen, jetzt geht es durch die Geschäftsführerin wesentlich schneller.

Was nicht heißen soll, dass Esterlechner das Heft jetzt allein in der Hand hat. Die Kompetenzen sind klar aufgeteilt. So haben die Ressortleiter beispielsweise einen klaren Überblick über ihr Budget und damit auch Freiheiten, über das Geld zu verfügen. Genauso wie sie auch selbständig entscheiden, ob sie Mitarbeiter zu Fortbildungen schicken. Natürlich haben sie auch Mitspracherecht bei Neueinstellungen, "aber die Entscheidung treffe ich", sagt Esterlechner in bestimmtem Ton.

Und da fallen einige an. Immerhin beschäftigt die Nachbarschaftshilfe 32 Mitarbeiter in Voll- oder Teilzeit, 42 Minijobber und 66 aktive Helfer engagieren sich ehrenamtlich. Ein besonderes Anliegen ist es der 55-Jährigen, den Strukturentwicklungsplan voranzutreiben. Seit 2013 bereits arbeitet die Nachbarschaftshilfe daran. Seinerzeit hatte ein Arbeitskreis mit Unterstützung eines Mitarbeiters des paritätischen Wohlfahrtsverbands einen Organisationsentwicklungsplan ausgearbeitet. Er gibt vor, Abläufe und Prozesse zu optimieren. Als Beispiel nennt Esterlechner den Ambulanten Pflegedienst. "Da muss es bestimmte Abläufe geben, damit die Abrechnung funktioniert", die vom Finanzbereich der NBH erledigt wird. "Ich kontrolliere, was da vorwärts geht." Oder aber gesetzliche Anforderungen ändern sich, auf die die Nachbarschaftshilfe reagieren muss, für sich selbst genauso wie für die Menschen, die Hilfe bei ihr suchen. Denn bei allem betriebswirtschaftlichen Denken ist Esterlechner wichtig, "am Ende des Tages den Menschen nicht aus dem Fokus zu verlieren".

Das sei oft eine Gratwanderung. Die Helfer müssten oft ganz genau kalkulieren, welche Preise sie verlangen können, "damit sich die Menschen das noch leisten können", aber auch "damit wir unsere eigenen Leute bezahlen können".

Über einen Mangel an Arbeit kann sich Esterlechner nicht beschweren. Sie teilt sich ein Büro mit Katherine Hepperle-Parker, die den Bereich Öffentlichkeitsarbeit betreut. Beide betonen, es mache ihnen nichts aus. Dennoch freut sich Esterlechner schon darauf, dass sich die Platzverhältnisse bald verbessern sollen. Durch die Umstrukturierungen bei der Sanierung des Bürgerhauses falle ein zusätzlicher großer Raum für die Nachbarschaftshilfe ab, hat die Stadt in Aussicht gestellt. Damit könnte die räumliche Enge etwas entzerrt werden. Die zeitliche Beanspruchung wird Maria Esterlechner jedoch bleiben. Sie geht schon mal am Abend zu Sitzungen des Seniorenbeirats oder engagiert sich auch weiter im Organisationsteam zum Weiberfaschingsball. "Ich möchte einfach auch wie der Vorstand mit gutem Beispiel vorangehen", sagt Esterlechner. Was gut zu ihrem Schlusswort passt. Auf die Frage, ob ihrem ersten Bericht als Geschäftsführerin des Vereins bange ist, kommt ein nachdenkliches Nein. "Wir sind auf einem guten Weg."

Die Mitgliederversammlung der Nachbarschaftshilfe Garching findet am Mittwoch, 8. Juni, von 18 Uhr an im "Königsgarten" am Mühlfeldweg 2 statt.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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