Garching:Im Hotel daheim

Das "Soulmade" setzt sich bewusst ab von der sterilen Perfektheit anderer Beherbergungsbetriebe. Wer hier absteigt, sollte etwas mehr Zeit mitbringen - schon wegen der Bücher, die hier überall herumstehen

Von Gudrun Passarge, Garching

Eine Uhr, deren Zeiger neben dem Ziffernblatt aufgestellt sind, Gäste, die ihre Schuhe ausziehen und mit den Füßen auf der Couch in einem Buch schmökern, Mitarbeiter, die sich auch mal mit einem Kaffee zu den Gästen setzen und ihnen auf Fragen antworten - Ole Kloth wird nicht müde, auf die etwas andere Atmosphäre im Garchinger Hotel "Soulmade" hinzuweisen. Seit einem Jahr ist der Prototyp jetzt in Betrieb und Kloth, der den Titel Direktor of Development and Operations trägt, kann zusehen, wie das Konzept aufgeht. Letztens habe ein Gast in seiner Bewertung geschrieben, man habe das Gefühl, die Mitarbeiter wohnten hier. "Das ist für uns das größte Kompliment", sagt Kloth. "Wir wollen dem Gast das Gefühl geben, nicht allein zu sein."

Kloth kommt aus der Fünf-Sterne-Hotellerie. Jetzt sitzt er mit weißem Hemd und Jeans auf einem Sitzkissen im "Livingroom", dem 300 Quadratmeter großen Herzstück des Hotels, und streicht sich über einen leichten Bartschatten. Früher habe er Mitarbeiter heimgeschickt, wenn sie nicht richtig rasiert waren. Heute tut ihm das leid.

Kloth wird nicht müde zu betonen, wie anders die Welt im Soulmade ist. Nicht nur, dass Mitarbeiter hier Hosts, also Gastgeber, heißen. "Wir verkleiden uns auch nicht" und es gibt keine Namensschilder. Das Hotel am Mühlfeldweg sei offen auch für Quereinsteiger. "Wir suchen Charaktere", erklärt er und fügt an, dass es schließlich keine Rolle spiele, ob der Salat von links oder rechts serviert werde, "Hauptsache, er schmeckt".

Flache Hierarchien, ein wohnliches Ambiente, Spaß an der Arbeit, Authentizität. Kloth stellt heraus, dass es auch darum ging, die Hotellerie neu zu erfinden, denn immer weniger Leute seien bereit, in diesem Bereich zu arbeiten. Aber diese neuen Strukturen, die den Mitarbeitern viel Freiraum lassen, passen perfekt zu dem Gedanken, der hinter Soulmade steht.

Der aus einer Hoteliersfamilie stammende Besitzer Thomas Schlereth ist Architekt. Er hatte nach eigener Aussage sein Schlüsselerlebnis, als er seinen Sohn zur Schule brachte. Es war kalt, aus dem Autoauspuff rauchte es. Sein Sohn betrachtete sich das Bild und fragte: "Papa, macht dein Auto eigentlich meine Umwelt kaputt?" Da sei ihm schlagartig klar geworden, dass er ein Hotel bauen wollte, bei dem Nachhaltigkeit und Sinnlichkeit im Vordergrund stehen.

Das Garchinger Hotel wurde aus Holz gebaut und die Bäume, die dafür benötigt wurden, werden nun sukzessive wieder angepflanzt über Umweltorganisationen. Es ist auch kein Zufall, dass im Haus verteilt 12 000 alte Bücher stehen, die Schlereth bei Ebay ersteigert hat. Sie haben schon ein Leben hinter sich. Auch in der Inneneinrichtung gibt Holz den Ton an, Teppiche sind aus Schaf- und Ziegenhaaren, Tapeten aus Stroh. Trotzdem kommt kein Jodelwahnsinn auf, alles ist dezent umgesetzt.

Kloth erzählt, dass die Gäste in den mit aller Technik ausgestatteten 139 Apartments selbst kochen können und - ganz im Sinne der Entschleunigung - für den Morgenkaffee stehen Kaffeebohnen, eine Handmühle und eine French-Press-Kanne bereit. Doch wer lieber bekocht wird, speist im Wohnzimmer des Hotels, wo im übrigen auch einmal in der Woche Babys herumkrabbeln, wenn sich der Stillclub dort trifft. Überhaupt, sagt der Hotelmanager, gebe es viele Kontakte zu Garchingern. Im Tante-Emma-Laden stehen außer Produkten aus der Region zum Beispiel auch Keramiktassen von einer Garchinger Nachbarin zum Verkauf.

Oder Anwohner kommen zum Arbeiten vorbei oder auf einen Kaffee, den es selbstverständlich zum Mitnehmen nur im Bambusbecher gibt. Oder auf einen Orangensaft. Wie die ältere Dame, eine "Lieblingsgeschichte" von Kloth: Sie trinkt ihren Orangensaft, fängt ein neues Buch an und geht. Mit dem Buch. Und wenn sie fertig ist kommt sie wieder und trinkt einen Orangensaft, sucht sich ein neues Buch und geht. Kloth lacht. Angesichts von 12 000 Büchern im Haus kann er diesen Schwund verkraften.

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