Garching:Geschichten aus der Vergangenheit

Garching: Rudi Naisar lässt in seinem Beitrag über Hochbrück die 1917 gebaute Brücke selbst erzählen.

Rudi Naisar lässt in seinem Beitrag über Hochbrück die 1917 gebaute Brücke selbst erzählen.

(Foto: Renate Schmidt)

Engagierte Bürger bringen historische Gebäude und Persönlichkeiten zum Sprechen

Von Gudrun Passarge, Garching

Da rattern Traktoren, die Glocken von St. Katharina läuten, das Martinshorn alarmiert, das Posthorn schmettert und Kinder lachen. Die Garchinger Autoren der Hörpfade haben sich viel einfallen lassen, um ihre geschichtlichen Schmankerl so aufzuarbeiten, dass der Zuhörer das Gefühl hat, dabei zu sein, in der Kirche zu sitzen oder im Biergarten am Mühlpark. Dieses Ziel haben sie auf höchst originelle Weise erreicht, wie eine Hörprobe am Dienstagabend in der Stadtbücherei vor etwa 70 Besuchern bewies. Rudi Naisar lässt beispielsweise in seinem Beitrag über Hochbrück die 1917 gebaute Brücke selbst erzählen, was sie schon erlebt hat: "Dann kamen auch die Amis und ich musste sogar Panzer tragen."

Die "Hörpfade" sind ein Projekt des Bayerischen Volkshochschulverbands in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk und der Stiftung Zuhören. Der Leiter der VHS im Norden des Landkreises, Lothar Stetz, hatte den Garchinger Heimatpfleger Michael Müller auf das Projekt angesprochen, "aber nicht damit gerechnet, dass er zusagt", wie er bei der Hörprobe berichtete. Müller wurde vom Bayerischen Rundfunk geschult und sammelte eine illustre Schar von Autoren um sich herum, alles Menschen, die Garching wie ihre Westentasche kennen und sich teils schon seit Jahren im Ort engagieren. So ist es kein Wunder, dass der Mathematiker Heinz-Gerd Hegering über das Atomei einen Beitrag verfasst hat, und schon gar nicht, dass er als langjährige Leiter des Leibniz-Rechenzentrums über diese Superrechenanlage auf dem Garchinger Campus ebenfalls einen Hörpfad ausgearbeitet hat. Eher schon überraschend ist sein Beitrag zur alten Pfarrkirche St. Katharina, dem ältesten Gebäude Garchings. Doch Hegering erklärt seine Motivation gleich zu Beginn: Er ist auch als Kirchenpfleger tätig und aktives Gemeindemitglied.

Wenig erstaunlich ist auch, dass Sepp Kink als ehemaliger Feuerwehrmann zusammen mit Stefan Holzhauser, dem Pressesprecher der Wehr, einen Beitrag über - die Feuerwehr, "unsere älteste Bürgerinitiative" verfasst hat, Hans Kellerer von seinem Elternhaus, dem Schindlhuberhof erzählt und die Senior-Chefin vom Neuwirt, Monika Rieger, in Kinks Beitrag über Garchinger Wirtschaften als Sprecherin auftritt. Alle haben einen Bezug zu den Themen, die sie ausgewählt haben, viele sind gebeten worden mitzumachen.

Technisch unterstützt wurden sie von Heinrich Führmann, dem gelernten Tonmeister, der früher an den Kammerspielen gearbeitet hat. Natürlich streikte prompt zu Beginn des Abends die Technik und stellte Führmann auf eine harte Probe. Unterstützung bekam er von Belisa Mang (Hackbrett) und Sabine Werner (Gitarre), die den Abend mit ganz besonderer Musik begleiteten und zu aller Erbauung einen finnischen Walzer spielten, bis Führmann und der Computer wieder Kontakt hatten.

Der Tonmeister hatte auch den Zweiten Bürgermeister Alfons Kraft überzeugt mitzumachen. Die Idee kam eigentlich von Führmanns Enkelin Sara, die wissen wollte, warum der Römerhof nicht Musikschulhof heißt. Eine berechtigte Frage, fand der Großvater. Kraft, der in seiner Zeit im Garchinger Bauamt den Umbau und die Sanierung mitbegleitet hat, erklärt der kleinen Sara nun im Interview die Geschichte des Riemerhofs, dessen heutiger Name aber nichts mit den Römern zu tun hat.

So ist jeder Beitrag ein kleines Stück Garchinger Geschichte geworden, das neugierig macht und manches erklärt. Wer hätte beispielsweise vermutet, dass ausgerechnet ein Pfarrer sich um das Bankenwesen im Ort verdient gemacht hat. Otto Sondermayer hat sich auf die Spuren Martin Seeanners begeben, der von 1891 bis 1906 Garchinger Seelsorger war und auch die Imkerei im damaligen Dorf populär gemacht hat. Er habe einen Weg gesucht, den oft zwielichtigen Geldverleihern etwas entgegenzusetzen, eine Art "Selbsthilfeeinrichtung", wie Sondermayer sagt, "er hat sich bemüht, eine verlässliche Geldwirtschaft aufzubauen". So entstand der Garchinger Darlehenskassenverein, ein Vorläufer der Raiffeisenbank Garching, die später in der Raiffeisenbank München-Nord aufging.

Kursleiter Müller äußerte sich sehr froh über den Eifer, mit dem die Teilnehmer ans Werk gegangen sind. Er wies darauf hin, dass sich jederzeit noch Autoren bei ihm melden könnten, um die Liste der Beiträge zu verlängern. Sie konservieren damit ein Stück Geschichte für die nachfolgende Generation.

Die Garchinger Hörpfade sind teilweise schon auf der Homepage der Stadt abrufbar. Später sollen sie auch als QR-Codes für Smartphones zur Verfügung stehen.

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