U6 nach Garching:Gelungener Anschluss

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Vor zehn Jahren wurde die U 6 nach Garching und zum Forschungszentrum verlängert. Für die Stadt eine wichtige Weichenstellung

Von Gudrun Passarge, Garching

"Das ist absurd und unmöglich", mit diesen Worten quittierte Helmut Karl (SPD), Garchinger Bürgermeister von 1972 bis 2002, seinerzeit das Ansinnen des Freistaats, die Kommune solle selbst den U-Bahnbau übernehmen. Das war 1973 eine durchaus verständliche Reaktion. Aber es kam dann doch zu einem Happy End und Helmut Karl wird heute als "Vater der U-Bahn" in Garching gefeiert.

Garching, mittlerweile zur Stadt erhoben, kann sich heute dreier U-Bahn-Haltestellen rühmen. Hochbrück gibt es seit 21 Jahren, Garching und Forschungszentrum feiern an diesem Wochenende zehnjähriges Bestehen. In der Garchinger Chronik erinnert Helmuth Kammerer an den Ausspruch des damaligen Chefs des U-Bahn-Referats, das die Planung und Ausführung übernommen hatte. Dieser sah Garching als Kandidaten für das Guiness-Buch der Rekorde - "als wahrscheinlich weltweit kleinste U-Bahnstadt mit dem größten U-Bahnnetz".

Dabei war es eine schwere Geburt. Das Bauerndorf Garching lag weit abseits jeglicher Schienenanbindung. Schon der Lehrer Hans Stieglitz berichtete in seinem Buch "Der Lehrer auf der Heimatscholle" aus dem Jahr 1909 vom Widerstand der Bauern und des hoch angesehenen Posthalters Thomas Fürmann gegen eine Bahn. Tatsächlich führte die Strecke Landshut-München schließlich an Garching vorbei. Genutzt hat es dem Posthalter nichts, seine einträgliche Posthalterei verkümmerte. "Posthorn und Peitsche verstummten und still wurde es", schreibt Stieglitz.

Die Hoffnung auf einen S-Bahnhof zerplatzte

Das alles spielte sich in der Zeit um 1856 herum ab, seitdem gab es natürlich immer wieder Versuche, Garching enger mit der Landeshauptstadt zu verbinden. So schreibt Kammerer von Plänen für eine Lokalbahn um 1900 herum, die noch einmal 1940 diskutiert wurden - ohne konkrete Ergebnisse. Auch die Hoffnung, beim Bau des Flughafens im Erdinger Moos mit einer Haltestelle der S-Bahn bedacht zu werden, zerplatzte wie eine Seifenblase ebenso wie Pläne, Garching ans Münchner Straßenbahnnetz anzuschließen.

Es gab wohl noch diverse Überlegungen, von der Magnetschwebebahn bis zum Schienenbus, aber erst die Diskussion über eine U-Bahn-Anbindung brachte wieder Schwung in die Verkehrsdebatte, wenn sich auch Bürgermeister Karl anfangs sehr dagegen wehrte, als Bauherr aufzutreten. Sah er doch eine so kleine Gemeinde wie Garching nicht dafür gerüstet, so ein Bauprojekt zu stemmen, und fürchtete, den Schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen, wenn das U-Bahnprojekt scheiterte.

Teils wurde unter Druck im Tunnel gearbeitet, erst im Dezember 2003 war der Durchbruch am Brunnenweg möglich. (Foto: Stadt Garching)

Manfred Solbrig (SPD), seit 1978 im Garchinger Gemeinderat und Bürgermeister von 2002 bis 2008, erinnert sich noch gut an die frühen Diskussionen. Helmut Karl sei klar gewesen, dass es für Garching nicht leicht würde, das Millionenprojekt zu stemmen, mit einem Bauamt, das gerade mal drei oder vier Mitarbeiter hatte. "Aber weder der Freistaat noch die Stadt München noch der Landkreis wollten die Bauherrenschaft übernehmen. Da blieb eigentlich nur noch die kleine Gemeinde Garching." Denn Karl wusste, es war Zeit zu handeln, nachdem eine Schnellbahn über Hochbrück an Garching vorbei zum Forschungszentrum diskutiert wurde. "Da war klar: Wenn wir jetzt nichts machen, dann werden wir nie eine Anbindung von Massenverkehrsmitteln für den Ort bekommen", fasst Solbrig die Haltung der damaligen Lokalpolitiker zusammen.

Von den 178 Millionen musste die Stadt 12,3 Millionen tragen

So kam es zur U-Bahn und Garching übernahm die Bauherrenschaft. Bei der Finanzierung trug der Staat mit einem Zuschuss von 90 Prozent den Löwenanteil, doch Karl habe auch noch geschickt mit dem Landkreis verhandelt, erzählt Solbrig. Das Argument, das schließlich zählte, war die Beteiligung des Landkreises an der Straßenbahn nach Grünwald. Also beteiligte er sich schließlich auch an der U-Bahn.

Dacharbeiten beim Bau des U-Bahnhofs vor zehn Jahren. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Finanzierung war der eine große Brocken, den Garching zu stemmen hatte. Insgesamt wurden für die Strecke und die beiden U-Bahnhöfe Garching und Forschungszentrum 178 Millionen Euro abgerechnet, 12,3 Millionen hat die Stadt getragen, schreibt Kammerer in der Chronik. Die andere Herausforderung war die Planung. "Geholfen hat, dass die Stadt München gesagt hat, sie übernimmt die Aufgabe wie ein Ingenieur-Büro", berichtet Solbrig. Klaus Zettl schließt sich dem an. Der Garchinger Bauleiter hatte im Januar 2003 sein Büro im Rathaus der Universitätsstadt bezogen. Das damalige U-Bahn-Referat in München übernahm die technische Seite. Den Garchingern, die an allen Entscheidungen beteiligt waren und sie auch absegnen mussten, blieb noch genügend andere Arbeit. Zettl erinnert sich etwa an die ganzen grundstücksrechtlichen Fragen, die zu klären waren, und an die städtebaulichen Wettbewerbe, etwa zur Gestaltung der neuen Mitte und des U-Bahnaufgangs am Forschungscampus.

Von der Technik her war der Tunnel unter Garching der anspruchsvollste Teil der Arbeiten, sagt Reinhard Flesch vom Baureferat der Stadt München. Der Tunnel - fast 20 Meter tief - wurde in bergmännischem Vortrieb ausgehöhlt. Gearbeitet wurde unter Druckluft, um zu verhindern, dass Grundwasser auf die Baustelle läuft. Flesch erinnert sich noch gut an die Aufgänge am heutigen Helmut-Karl-Platz. Hier sei für die Bürger sichtbar der Aufgang im Scherer-Haus gebaut worden. Allerdings wurde um dieses Ergebnis hart gerungen. Es gab sogar eine Alternativlösung mit einem Aufgang mitten auf dem Platz. Garchings heutiger Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) berichtet von schwierigen Verhandlungen mit der Familie Scherer, die ein kleines Häuschen dort besaß. Er habe in seiner Zeit als Dritter Bürgermeister während des Urlaubs der anderen beiden Bürgermeister einen Kompromiss mit dem Eigentümer ausgehandelt. Danach machte der damalige Bürgermeister Solbrig den Handel perfekt, berichtet Gruchmann. Die Stadt kaufte das Häuschen und baute das neue inklusive Aufgang, wobei der Teil des Hauses, in dem heute das Restaurant ist, der Familie Scherer übergeben wurde. Der andere Teil gehört der Stadt.

Forschungsminister Thomas Goppel, Bürgermeister Manfred Solbrig, Landrat Heiner Janik, Herbert König von der MVG und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude eröffnen 2006 den neuen Bahnhof. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein Wunsch bleibt: Die Anbindung an den Flughafen

Auch Klaus Zettl berichtet von einigen Aufregungen in der heißen Phase kurz vor Schluss, als eine der Baufirmen Insolvenz anmeldete. Doch im Oktober 2006 war die U-Bahn-Strecke tatsächlich fertig. "Gewisse Restarbeiten waren noch zu machen, etwa die Verblechung am Garchinger Bahnhof, aber da wurde in der Nacht nachgearbeitet", erzählt Zettl. Somit wurde der laufende Betrieb nicht gestört. Reinhard Flesch lobt die besondere Gestaltung der beiden U-Bahnhöfe, auch die "unkonventionelle" begrünte Dachform am Forschungscampus gefällt ihm.

Allerdings war die Innengestaltung des TU-Bahnhofs keineswegs unumstritten. Die TU hatte vorgeschlagen, Wandtafeln zu Ehren von Personen aus der Wissenschaft aufzuhängen, darunter auch Claude Dornier und Willy Messerschmitt. "Das war eine Riesenkontroverse", erinnert sich Solbrig. Schließlich verständigte sich der Stadtrat auf einen Kompromiss. Unter den Tafeln der beiden Luftfahrtpioniere steht jetzt der Zusatz: "Seine Firma baute während des Zweiten Weltkrieges Kampfflugzeuge, auch unter Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen, von denen viele dabei zu Tode kamen."

TU in Garching
:Donuts und Kernfusion

In Garching stellen sich an diesem Samstag die Fakultäten der TU und andere wissenschaftliche Einrichtungen vor. Am Abend wird dann die Eröffnung der Linie U 6 zum Forschungszentrum vor zehn Jahren gefeiert.

Von Gudrun Passarge

Der 14. Oktober 2006 war ein Festtag für Garching. Bürgermeister Gruchmann bezeichnet die U-Bahn als Hauptschlagader, sie habe "Garching neues Leben eingehaucht" und für Menschen und internationale Betriebe attraktiver gemacht. Bliebe trotzdem noch der Wunsch vieler Garchinger für die Zukunft: die Anbindung der U-Bahn an den Flughafen. "Ich bin überzeugt, dass es eines Tages so kommen wird", sagt Solbrig. "Ich weiß aber nicht, ob ich das noch erleben werde."

Zehn Jahre U-Bahnstation Garching und Forschungscampus werden am Samstag, 22. Oktober, um 17.15 Uhr am Maibaumplatz in Garching und von 18 Uhr an in der Fakultät für Maschinenwesen am Campus gefeiert. Alle Bürger sind eingeladen.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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