Garching:Christbaumkugeln aus der Garage

Garching: Der Glasbläser Jürgen Höhn stellt nur in der Weihnachtszeit Christbaumkugeln her.

Der Glasbläser Jürgen Höhn stellt nur in der Weihnachtszeit Christbaumkugeln her.

(Foto: Stephan Rumpf)

Eigentlich hat sich der Glasbläser Jürgen Höhn auf den Apparatebau spezialisiert. Doch in der Adventszeit wird er zum Kunsthandwerker. Am Sonntag kann man ihm bei der Arbeit über die Schulter schauen.

Von Gudrun Passarge, Garching

Eine 2000 Grad heiße Flamme, Glas und die nötige Handfertigkeit, mehr braucht es nicht - aber auch nicht weniger - um im Nu eine Weihnachtskugel zu zaubern. Jedenfalls trifft das auf Jürgen Höhn zu, den Glasbläsermeister, der seine Werkstatt in einer umgebauten Garage am Römerhof hat. Wie Buddha sitzt er inmitten seiner 25 Quadratmeter, von denen kaum ein Zentimeter ungenutzt ist. Das Glas ist heiß, richtig zum Ziehen. Kurz reinblasen und die durchsichtige Kugel ist fertig, der Christkindlmarkt kann kommen.

Höhn ist ein viel beschäftigter Mann. Einen Termin mit ihm auszumachen, erfordert Geduld, denn der Glasbläser macht alles selbst, auch die Auslieferung an die Kunden, die ihn bis in die Rosenheimer Gegend führt. Von Höhn lässt sich mit Fug und Recht behaupten, das Handwerk sei ihm schon in die Wiege gelegt worden. "Mein Papa, die Oma, der Opa, sie waren alle Glasbläser", sagt er. Die Oma auch? Ja, das war in Thüringen, erklärt Höhn, die Oma habe ihre Werkstatt in der Küche gehabt. "Ihr Hauptgeschäft waren Tropfenzähler", also eine Art Pipetten, und Fruchtspieße, eine Modeerscheinung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Sie dienten etwa dazu, die Erdbeeren aus der Bowle zu picken. Höhn kam also schon früh mit der Materie in Berührung. "Und Feuer ist ja für Kinder sowieso interessant."

"Mit dem Künstlerischen hab ichs nicht so, da gibt's Bessere"

So blieb Jürgen Höhn dem Glas treu, mit 14 fand er eine Lehrstelle bei einem Familienbetrieb in München, der hauptsächlich Laborbedarf fertigte. Das war ganz nach seinem Geschmack, "denn mit dem Künstlerischen hab' ich's nicht so, da gibt's Bessere als mich", sagt er selbstkritisch und zeigt auf die Vögel und andere Viecherei, die an der Decke hängen oder in seinem Glasschrank stehen. "Die sind vom Kollegen Sigi Franz aus Burghausen." Dort lässt er Sonderwünsche der Kunden anfertigen, beispielsweise, wenn sie eine Eule in der Flasche sitzen haben wollen.

Doch das ist nicht das Hauptgeschäft des 59-Jährigen, der seit 1981 in der umgebauten Garage am Römerhof arbeitet. "Mein Brot ist der Apparatebau", sagt er. Das hat er gelernt und nach der Technikerschule und dem Meisterkurs in Hadamar bei Limburg an der Lahn zusammen mit seinem früheren Lehrmeister in Garching aufgebaut. Im Jahr 2000 hat er die Werkstatt dann übernommen, sein Chef setzte sich zur Ruhe. Höhn erinnert sich gerne an die Zeit mit seinem Lehrmeister: "Er war so etwas wie eine Vaterfigur für mich." Sie hätten sich gut verstanden und seien auch zusammen fischen gegangen. Sogar zwei Lehrlinge haben sie in der Zeit ausgebildet. Das ist alles Vergangenheit, jetzt habe er die Zeit nicht mehr, sagt Höhn, da er ja alles alleine machen müsse.

Auf die Frage nach der Zukunft der Glasbläserei gibt sich Höhn optimistisch: "Man braucht immer Glasbläser." Verändert habe sich trotzdem vieles. Auch in den Labors sei nichts mehr wie früher. Kreativ verschlungene Glaskonstruktionen zur Analyse wird man kaum noch irgendwo finden, stattdessen stehen Alles-Könner-Maschinen herum, für die kaum noch Glas benötigt wird. Und wenn, ist es maschinell gefertigt. Trotzdem hat Höhn noch viele Kunden, an der Universität oder in Betrieben. Gerade saß er noch an seiner 2000 Grad heißen Flamme, um Sonden für das Landesamt für Umweltschutz herzustellen. Oder er fertigt Elektrolysezellen für die Autoindustrie, Trennwandkapillaren für Krankenhäuser wie die Berliner Charité oder auch Glasapparaturen für physikalische Experimente, die im Weltraum gemacht werden.

Die Baumschmuck-Produktion dauert nur ein paar Tage

Aber jetzt vor Weihnachten ändert er seine Produktion für ein paar Tage. Er macht gelbe, rote und blaue Kugeln und natürlich durchsichtige, "die schauen sehr schön aus am Baum". Da hat er für eine Kundin mal einen ganzen Satz gemacht, samt Spitze, was selten ist, da er sich eher in der Konkurrenz zu chinesischen Christbaumspitzen sieht: "Da kann ich nicht mithalten." Er wird weiße Schneemänner machen, in deren Bauch man eine Kerze stellen kann, oder gleich einen Kerzenhalter. Und natürlich die Herzen.

Dafür zieht er eine Schublade auf, deren Inhalt sich nur ihm erschließt. Doch mit geübtem Handgriff zieht er aus der Masse an Material eine Glasstange mit geriffeltem Oval an der Spitze heraus. Er erhitzt es, wendet es immer wieder in der Flamme und legt es kurz in eine Metallform. Fertig ist das Herz. "Ich muss es nur noch ein bisschen abkühlen", sagt er und hält es erneut in die Flamme, die jetzt dank höherer Luftzufuhr nur noch 400 bis 500 Grad warm ist.

Höhn mag seinen Beruf und er erklärt gerne, was er macht. Ein bisschen so wie bei der Sendung mit der Maus, meint er. Vermutlich deswegen freut er sich auch, wenn jedes Jahr die Kinder von der Nachbarschaftshilfe im Ferienprogramm bei ihm hereinschauen. "Da darf jedes Kind seine eigene Kugel machen. " Am Sonntag, wenn der Christkindlmarkt im Römerhof stattfindet, wird er draußen vor seiner Werkstatt in einer Holzbude sitzen. Natürlich wird er zeigen, wie die Kugeln und Schneemänner entstehen. Seine Schneemänner haben Eiszapfen an der Nase hängen. Mal sehen, ob das Wetter am Sonntag auch so zapfig wird.

Der Christkindlmarkt der Frauen-Union im Römerhof, auf dem Jürgen Höhn einen eigenen Stand hat, dauert am Sonntag, 29. November, von 13 bis 19 Uhr.

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