Fußball-Europameisterschaft:Orakel et labora

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Es ist Weltmeisterschaft. Doch die Arbeit Arbeit sein zu lassen und ein bisschen zu gucken, das ist nicht erlaubt. Eigentlich. (Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn)

Die großen Unternehmen im Landkreis haben Verständnis für die Fußballballbegeisterung ihrer Mitarbeiter. Manche organisieren Tippspiele und zeigen die Nachmittagsbegegnungen der Europameisterschaft im Haus, andere stellen es Fans frei, Urlaub oder Gleitzeit zu nehmen

Von Stefan Galler, Landkreis

Die Fußball-Europameisterschaft läuft auf Hochtouren, noch bis Ende der Woche ist der Kalender dicht gedrängt und es gibt zahlreiche Spiele am Nachmittag - also nicht gerade zur idealen Zeit für all jene Fans, die im Büro buckeln müssen. Auch beim dritten Gruppenspiel der deutschen Mannschaft am kommenden Dienstag gegen Nordirland ist die Anstoßzeit drei Stunden früher terminiert als bei den ersten beiden Partien, nämlich schon um 18 Uhr. Wenn es bei der DFB-Elf weiterhin läuft, muss sich ob der immer größer werdenden Euphorie im Land des Weltmeisters so mancher Arbeitgeber auf ein paar heiße Wochen bis zum Finale am 10. Juli einstellen, in denen der Job beim ein oder anderen nicht ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Und die großen Unternehmen aus dem Landkreis haben für die Fußball-Begeisterung ihrer Mitarbeiter durchaus Verständnis.

Am flexibelsten geht man bei Microsoft in Unterschleißheim mit der EM und all ihren Verlockungen um: "Alle Mitarbeiter können basierend auf den Prinzipien von Vertrauensarbeitszeit und -ort jederzeit eigenverantwortlich entscheiden, wann und wo sie arbeiten. Fußballfreunde müssen also während der EM-Zeit keine Spiele verpassen", sagt Maren Michaelis aus der Unternehmenskommunikation. Das finale Gruppenspiel der Deutschen werde eventuell sogar als Public Viewing in der Cafeteria gezeigt, sagt Michaelis: "Das klären wir noch." Sein Knowhow in Sachen Software nutzt Microsoft auch für ein firmenweites EM-Tippspiel: "Das Portal basiert auf unseren eigenen Technologien", sagt Maren Michaelis. "Auch unsere digitale Assistentin Cortana spielt natürlich auf Basis von Bing-Vorhersagen fleißig mit."

Auch bei Infineon wird die EM durchgetippt, doch nicht nur am regionalen Standort in Neubiberg: "Von den weltweit etwa 35 400 Infineon-Beschäftigten nehmen aktuell 6000 aktiv an unserem großen intranetbasierten Infineon-EM-Tippspiel teil", verrät Monika Sonntag, Pressereferentin am Neubiberger Unternehmenssitz. "Das sind knapp 17 Prozent aller Infineon-Beschäftigten."

Am Standort sei eine riesige EM-Begeisterung zu spüren, worüber sich die Sprecherin keineswegs wundert: "Hier arbeiten rund 3700 Menschen aus knapp 70 Nationen und aus so gut wie allen Staaten Europas." Was die Nachmittagsspiele angeht, ist man bei Infineon ähnlich schmerzfrei wie bei Microsoft: "Spezielle Arbeitszeitregelungen während der Fußball-EM sind bei uns nicht nötig, weil bei uns flexible Arbeitszeiten gelten", sagt Monika Sonntag. "Will man mal früher gehen, kann man Überstunden abbauen oder früher kommen. Ab 6 Uhr könnte man im Büro mit seiner Arbeit beginnen."

Und wer sich auf solche Rechenspiele nicht einlassen will, solle einfach Urlaub beantragen: "Urlaubsanträge zur EM-Zeit von fußballbegeisterten Kollegen werden gerne berücksichtigt und auch Wünsche nach bevorzugten Schichtzeiten", sagt die Sprecherin.

Nicht alle großen Arbeitgeber im Landkreis gehen betriebsintern derart offensiv mit dem Thema Europameisterschaft um. Bei Linde in Pullach etwa gibt es laut Unternehmenssprecher Matthias Dachwald "keine offiziellen Aktionen". Sollte sich jemand für die 15-Uhr-Partien interessieren, müsse er Gleitzeit nehmen oder mit kurzen Eindrücken von den Partien Vorlieb nehmen, die er sich in jenen Aufenthaltsräumen verschaffen kann, die mit Fernsehern ausgestattet sind.

Ähnlich verfährt man bei Gore in Putzbrunn, wo sich laut Sprecher Michael Haag jeder der rund 900 Angestellten im Rahmen der im Unternehmen üblichen flexiblen Arbeitszeiten Fußballspiele anschauen könne, wenn er sich dafür interessiert. "Es gibt auch private Tippgemeinschaften unter den Associates, die aber nicht von Gore organisiert sind", sagt Haag.

Bei Airbus in Ottobrunn und Taufkirchen dagegen kommt man in Sachen Fußball erst langsam auf Touren: "Da bei der Airbus Group Kollegen aus verschiedenen europäischen Ländern arbeiten, ist das Interesse an den Spielen insbesondere am Anfang der EM nicht einheitlich", sagt Gregor von Kursell aus der Media-Relations-Abteilung. Auch zentral gesteuerte Tippspiele gibt es nicht. "Jeder Mitarbeiter kann über die jeweiligen Gleitzeitregelungen individuell seiner Fußball-Leidenschaft nachgehen", sagt der Sprecher. Gut möglich, dass sich das noch ändert, sollte sich der Titelkampf ausgerechnet auf Deutschland und Gastgeber Frankreich zuspitzen, schließlich handelt es sich bei Airbus um ein deutsch-französisches Unternehmen: "Ob gegen Ende der EM noch Aktionen angeboten werden, wird sich zeigen", sagt Gregor von Kursell.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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