Forschung in Garching:Warten auf den Super-Magneten

Der Biochemiker Franz Hagn und seine Kollegen untersuchen am NMR-Zentrum der TU in Garching mit Hilfe von Kernspinresonanz-Spektroskopie die Struktur von Proteinen. Ihre Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Erforschung von Krankheiten und die Entwicklung von Medikamenten.

Von Gudrun Passarge, Garching

Schon die Tür verrät, dass sich dahinter Außergewöhnliches verbirgt. Aufkleber mit rot durchgestrichenen Prothesen, Herzschrittmachern, Magnetkarten und Schlüsseln raten zur Vorsicht. Tatsächlich nimmt auch Franz Hagn seine Uhr ab und legt die Autoschlüssel daneben, bevor er sich dem Riesenmagnet nähert. "Es hat mir schon mal die Zeiger von meiner Uhr verzogen", erzählt er.

Hagn hat an der TU die Professur für strukturelle Membranbiochemie inne und forscht am bayerischen Zentrum für magnetische Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR-Zentrum). Mit Hilfe der Magnete verfolgen die Forscher neue Ansätze, um die Funktion von Proteinen zu verstehen, Krankheiten zu entschlüsseln und neue Medikamente zu finden.

Es ist nur ein kurzer Weg vom neu gebauten NMR-Zentrum in das Chemie-Department am Garchinger Campus. Das Gebäude, das mit Unterstützung des Bundes und des Landes für 33 Millionen Euro entstanden ist, soll in naher Zukunft den größten Magneten beherbergen, den es derzeit gibt. Die deutsche Firma Bruker sei gerade dabei, dessen Entwicklung abzuschließen, berichtet Hagn. Das neue Gerät soll eine Frequenz von 1200 Megahertz haben. "Wir stehen an fünfter Stelle auf der Warteliste", berichtet der 40-Jährige. Er rechnet damit, dass der neue Magnet in den kommenden Jahren ausgeliefert werden kann.

Die Abstände zwischen den Atomen

Bis es soweit ist, hat die Firma Bruker dem NMR-Zentrum einen Magneten mit 950 Megahertz als Leihgerät überlassen, und der steht noch im Chemie-Department. Also überquert Hagn mal eben schnell die Straße und gelangt über die Flure zu dem Gerät. Oben kommen die Proben rein. Hagn demonstriert das mit Hilfe eines Glasröhrchens, in dem sich ein Protein in einer Lösung befindet. Jedes Atom der Aminosäuren im Protein gibt ein Signal. Anhand dieser Signale können die Abstände zwischen den Atomen bestimmt werden, ein computergestütztes Programm berechnet daraus die Struktur des Proteins. An seinem Computer zeigt der Biochemiker ein Beispiel. Es handelt sich um ein Protein mit 350 Aminosäuren. Eine 3-D-Darstellung verdeutlicht, wie kompliziert schon dieser kleinste Baustein des Körpers aufgebaut ist.

Professor Franz Hagn im NRM-Zentrum am Garchinger Campus. Am bayerischen Zentrum für magnetische Kernspinresonanz-Spektroskopie in Garching untersuchen Forscherinnen und Forscher mit Hilfe extrem starker Magnete die feinen Strukturen der Proteine. Ihr Zi

Der Biochemiker Franz Hagn nutzt den Magneten mit 950 Megahertz für seine Experimente.

(Foto: Florian Peljak)

Die Forscher am NMR-Zentrum haben dabei verschiedene Ansätze, der Funktion von Proteinen auf die Spur zu kommen. Hagn und seine Gruppe schauen sich die Proteine in der Zellmembran näher an. Vor allen Dingen interessiert es die Wissenschaftler, wie sich das Protein bewegt, wo Botenstoffe an der Zelle andocken und wie die Signale weitergeleitet werden. "Je mehr man über Signalweiterleitung weiß, desto besser kann man sie beeinflussen", sagt Hagn. Für die Pharmazeuten sei das interessant, denn circa 60 Prozent der verfügbaren Medikamente binden an Membranproteine. Der Biochemiker beschreibt die enge Zusammenarbeit mit Medizinern und Biologen, die nicht nur von den Forschern des NMR-Zentrums profitieren, sondern ihnen umgekehrt auch wertvolle Hinweise geben, wo es sinnvoll ist, genauer hinzuschauen. "Wir müssen erst wissen, ob es sich um ein relevantes System handelt, bei dem sich der Aufwand lohnt."

Neurotensin-Rezeptoren im Gehirn, die für neurologische Prozesse wie Schizophrenie, aber auch bei der Entstehung von Krebs eine wichtige Rolle spielen, werden genauso untersucht wie mitochondriale Proteine, die zentrale Schaltstellen in der Krebsentstehung sind und Proteine, deren fehlerhafte Struktur zu Alzheimer- oder Parkinson-Erkrankungen führt. Auch ein Physiker arbeitet am NMR-Zentrum: Steffen Glaser entwickelt unter anderem neuartige Methoden für die Kernspintomografie.

Professor Franz Hagn im NRM-Zentrum am Garchinger Campus. Am bayerischen Zentrum für magnetische Kernspinresonanz-Spektroskopie in Garching untersuchen Forscherinnen und Forscher mit Hilfe extrem starker Magnete die feinen Strukturen der Proteine. Ihr Zi

In dem Glasröhrchen befindet sich ein Protein in einer Lösung. Das kommt durch eine Öffnung oben in das Gerät, das dann die Signale der Atome in den Aminosäuren misst.

(Foto: Florian Peljak)

"Wir wollen verstehen, wie es funktioniert", ist ein Satz, den Hagn öfter ausspricht. Grundlagenforschung als Unterbau für gezielte Erforschung von Krankheiten und Arzneimitteln. Dem neuen Magneten kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu. Er wird die Einmaligkeit des Forschungsgebiets an der TU verstärken. Genutzt wird er auch vom Helmholtz-Zentrum, das sich die Unterhaltskosten für das Forschungsinstitut mit der TU teilt. Und es werden Wissenschaftler aus ganz Deutschland kommen, um mit dem Magneten zu arbeiten. Ein Teil der Messzeiten soll Auswärtigen zur Verfügung gestellt werden. Hagn erhofft sich von dem superstarken Magneten, dass damit "immer komplexere Systeme" untersucht werden können. Schon jetzt bieten die neuen Magnete bessere Ergebnisse als früher. Sie machen es möglich, nicht nur kleine Teile eines Proteins, sondern immer größere komplette Proteine zu bearbeiten, wodurch die Relevanz der erhaltenen Ergebnisse steigt. Das jetzige 950-Megahertz-Gerät biete hier schon eine sehr gute Auflösung und Empfindlichkeit, aber von dem Super-Magneten sagt Franz Hagn: "Das wird um einiges besser." Damit eröffnet sich eine Vielzahl neuer Forschungsmöglichkeiten.

Über die Arbeit am bayerischen Zentrum für Kernspinresonanz-Spektroskopie wird Franz Hagn am Sonntag, 28. Januar, im Institute for Advanced Study, Lichtenbergstraße 2 a, berichten. Beginn ist um 11 Uhr, der Titel lautet: Magnetische Momente.

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