Folgekosten:Schmutziges Erbe

Folgekosten: Das Quetschwerk in Haar baut Kies bis zur Grundwassertiefe ab. Die Flächen müssen später mit unbelastetem Material aufgefüllt werden.

Das Quetschwerk in Haar baut Kies bis zur Grundwassertiefe ab. Die Flächen müssen später mit unbelastetem Material aufgefüllt werden.

(Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde Haar haftet als ehemalige Betreiberin einer Deponie in Parsdorf für Verschmutzungen im Boden. Sie kalkuliert mit bis zu 200 000 Euro

Von Bernhard Lohr, Haar

Wer von Eglfing auf direktem Weg über die Felder in Richtung Riemer Park läuft, kann jetzt schon im weiten Grün Kraft tanken. Die Stadt scheint weit entfernt und auch die Haarer Wohnbebauung und den Sportpark hat man in seinem Rücken. Alleine die offenen Kiesabbauflächen in der Landschaft irritieren. Doch in einigen Jahren soll sich das Bild ändern. Bis 2020 hat das Quetschwerk eine große Fläche, in der bis zum Grundwasser hinab Kies ausgebeutet wurde, zu renaturieren. Die Gemeinde möchte dort eine ökologisch hochwertige Naturlandschaft schaffen. Frösche, Libellen und anderes Getier soll dort eine Heimstatt finden. Ein Spazierweg wird dann angelegt, der direkt daran vorbeiführt. Für Spaziergänger wird der Weg von Eglfing zum Badesee nach Riem sogar zum Naturerlebnis.

Das Beispiel zeigt auf krasse Weise, wie sich der Umgang mit Natur und Landschaft in den vergangenen 40 oder 50 Jahren verändert hat. Bei alten, ausgebeuteten Kiesabbauflächen im Münchner Umland dachte in den Sechzigerjahren noch keiner an mögliche Biotope. Viele wurden genutzt, um dort alles mögliche reinzukippen. Alte Reifen, Autowracks, kaputte Waschmaschinen und jeglicher Hausmüll landeten dort. Etliche Hausmülldeponien entstanden gerade in der Münchner Schotterebene. Sie wurden schließlich zugeschüttet. Was sich dort unter der Erde im Boden verbirgt, ist heute vielerorts noch unbekannt.

Die Gemeinde Haar ist seit einiger Zeit mit diesem Erbe konfrontiert. Ein Kiesunternehmer hatte der Kommune damals eine Fläche bei Parsdorf, Gemeinde Vaterstetten, als Deponie zur Verfügung gestellt. Das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim untersucht gemeinsam mit dem Landratsamt Ebersberg alljährlich eventuelle Altlasten-Standorte. Sie wurden seit Mitte der Neunzigerjahre auf der Grundlage historischer Luftbilder, alten Akten und Zeitzeugenberichten ermittelt. Insgesamt gibt es alleine im Vaterstettener Gemeindegebiet 33 solcher Verdachtsflächen. Eine davon ist die, bei der die Gemeinde Haar als einstige Betreiberin ausgemacht wurde und nun in der Pflicht steht, dem Verdacht auf den Grund zu gehen. Wie Andreas Nemetz, Umweltreferent der Gemeinde Haar, sagt, wurden mittlerweile die größten Gefahren ausgeschlossen. "So schlimm kann es nicht sein", sagt er. Zwei von drei so genannten "Wirkpfaden" seien nicht nachzuweisen. So bestehe ausgehend vom Boden keine Gefahr für den Menschen, und auch keine Gefahr für die Vegetation. Nun gelte es herauszufinden, ob das Grundwasser durch die im Boden lagernden Stoffe beeinträchtig sei.

Dafür wurden nun zwei Pegel gesetzt, an denen über ein Jahr hinweg vier Mal in der von der Fläche aus gesehenen Abflussrichtung des Grundwassers Proben genommen werden. Sollte sich der Verdacht auf eine Beeinträchtigung bestätigen, müssten weitere Pegel gesetzt werden. Und zwar diesmal auf der anderen Seite, um den Grundwasserzufluss zu untersuchen. Wäre der dann unbelastet, wäre nachgewiesen, dass sich in der besagten Fläche Stoffe befinden, die das Grundwasser belasten. "Dann müsste man tätig werden", sagt Nemetz. Noch ist völlig offen, was da auf die Gemeinde zukommt. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) hatte schon einmal von 40 000 Euro alleine für Analysekosten gesprochen. Für die Sanierung der Fläche könnten am Ende bis zu 200 000 Euro fällig werden.

Ganz alleine steht Haar mit der Aufgabe, die im übrigen viele andere Kommunen im Münchner Umland in ähnlicher Weise zu bewältigen haben, nicht. Die staatliche Gesellschaft zur Altlastensanierung in Bayern mbH (GAB) ist Partner der Gemeinden. Die GAB ist eine Art Teilkasko-Versicherung, die verhindert, dass finanzielle Folgekosten durch Altlasten ein Gemeinwesen in den Ruin stürzen. So wäre tatsächlich die Belastung für Haar auf 200 000 Euro gedeckelt. Michael Kremer, Geschäftsführer der GAB, sagt, "wenn es wirklich teuer wird für die Gemeinde", dann müsse ein Auffangnetz vorhanden sein. Das Altlastenproblem werde sehr ernst genommen. Es gelte das "Vorsorgeprinzip". Das heißt: bei Verdacht muss gehandelt werden, und nicht erst dann, wenn Schäden erkennbar sind. Von etwa 6000 Altlastenflächen bayernweit spricht Kremer.

Die Münchner Schotterebene ist zwar betroffen, aber die Bodenbeschaffenheit ist auch ein Grund dafür, dass allzugroße Gefahren nicht zu erwarten sind. Die Durchlässigkeit des Schotters bedingt, dass im Lauf de Jahrzehnte viele Schadstoffe längst ins Grundwasser ausgewaschen wurden. In den vergangenen Jahren wurde, wie ein Vertreter der Abteilung Wasserrecht im Ebersberger Landratsamt schon mal berichtete, bei den Untersuchungen nichts Gefährliches gefunden. Haars Umweltreferent hat von seinem Kollegen in Vaterstetten auch eher Entwarnung signalisiert bekommen. Ein Biotop wird in Parsdorf nicht entstehen. Aber womöglich gibt es auch keine größere Gefahren für die Umwelt.

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