Folge 12:Besondere Gefährten

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In Taglaching im Landkreis Ebersberg steht neben einer 300 Jahre alten Sommerlinde eine 800 Jahre alte Kapelle

Von Barbara Mooser, Bruck

Im Sommer nimmt man bisweilen ihren Wohlgeruch wahr, noch bevor man sie sieht. Mindestens ebenso wie den intensiven Duft der Lindenblüten liebt Hans Huber aber das Gesumm der Bienen, die hier reichlich Nektar finden. "Das ist schon ein besonderes Erlebnis, so etwas ist selten geworden", sagt der Heimatforscher und schaut den mächtigen Stamm hoch. Sieben Meter beträgt sein Umfang, die Sommerlinde in Taglaching hatte bisher schließlich auch schon 300 Jahre Zeit, Ring um Ring zuzulegen und sich ordentlich in die Breite zu strecken.

Manche Besucher empfinden den Baum als ebenso heilig wie die Kapelle daneben. (Foto: Christian Endt)

So lange ist es wohl her, schätzt Huber, dass jemand hier die Linde gepflanzt hat. Dass nicht etwa ein Same zufällig angeflogen ist, steht für ihn fest. Denn die Linde beschattet heute liebevoll eine kleine Kirche, die wahrscheinlich schon 500 Jahre vor ihr an dieser Stelle stand. "Es ist ein besonderer Ort", sagt Huber, ein Kraftort, ein zentraler Punkt im kleinen Dörfchen Taglaching.

Schon bei den Germanen galten Linden als heilige Bäume. An der Dorflinde traf man sich zu Beratungen, in ihrem Schatten wurde Recht gesprochen, am Fuße ihres Stammes wurden religiöse Zeremonien zelebriert, aber auch Feste gefeiert. Während der Christianisierung behielt man meist diese Kultstätten bei, auch, um nicht den Zorn der Menschen auf sich zu ziehen, für die die alten Bäume eine hohe Bedeutung hatten. Heute sind Linden oft Begleiter von Kirchen, Kapellen oder auch Feldkreuzen.

Sieben Meter misst der Umfang der mächtigen Linde. (Foto: Christian Endt)

In Taglaching steht neben der Sommerlinde, die eines der ältesten Naturdenkmäler im Landkreis Ebersberg ist, das Sankt-Georgs-Kirchlein. Auch das ist eines der ältesten seiner Art in der Umgebung, Anfang des 13. Jahrhunderts wurden seine Mauern aus dem rauen Tuffstein aus dem nahe gelegenen Pullenhofener Steinbruch zusammengefügt. Etwa zur selben Zeit entstanden in angrenzenden Dörfern ebenfalls neue Kirchen, in Pullenhofen, in Kirchseeon-Dorf und in Berghofen. Vielleicht, so vermutet Hans Huber, wetteiferten Ortsadelige um den schönsten Bau. Kirchen seien damals schließlich auch Prestigeobjekte gewesen, "so wie heute ein neuer Mercedes", sagt der 76-Jährige und lacht.

Über die Jahrhunderte wurden die drei anderen Kirchen immer wieder umgebaut und verändert, das Taglachinger Kirchlein überdauerte in großen Teilen unverändert, was heute fast wie ein kleines Wunder wirkt. Denn zur Zeit der Säkularisation wollte die Regierung die Kirche abreißen und die schön behauenen Tuffsteine zu Geld machen - für die Dorfbewohner ein unerträglicher Gedanke: Sie sammelten in den eigenen Reihen die Summe ein, die der Staat mit dem Verkauf der Steine erzielt hätte, und retteten so ihr Kirchlein. Eine Legende sagt, dass die heilige Bibiana, die ebenfalls im Gotteshaus verehrt wird, einige Jahre zuvor das ganze Dorf vor der Verwüstung durch die Franzosen bewahrt hat. Als die nämlich durch die Gegend nach Hohenlinden zogen, wo sie in der berühmten Schlacht ihren großen Sieg erringen sollten, sollen die Taglachinger so innig zur heiligen Bibiana gebetet haben, dass diese das Dorf in Nebelschwaden hüllte und so für die Franzosen unsichtbar machte.

An der Kapelle wird unter anderem die heilige Bibiana verehrt, die den Dorfbewohnern gegen Napoleon geholfen haben soll. (Foto: Christian Endt)

Auch damals wachte die Linde bereits über die Kirche, gut 100 Jahre später, als das Gebäude renoviert wurde, wurde der Baum sogar ein Teil der Kirche: Zur Wiedereinweihung sei die Kanzel in der Krone des Baumes angebracht worden, der Pfarrer habe von dort aus seine Predigt gehalten, erzählt Hans Huber. Seit er 1970 nach Taglaching gezogen ist, kennt der frühere Pädagoge die Linde, die Verbindung der beiden besonderen Denkmäler nebeneinander fasziniert ihn immer noch.

Seit 1959 ist die Taglachinger Sommerlinde als Naturdenkmal eingetragen, zuvor war sie bereits nach dem Reichsnaturschutzgesetz von 1935 geschützt worden, wie Johann Taschner, Leiter der Naturschutzbehörde im Landratsamt, erläutert. Prächtige, uralte Bäume sind inzwischen selten geworden im Landkreis Ebersberg, bedauert er. Immer wieder fürchtete man, dass jemand durch herabfallende Äste zu Schaden kommen könnte; selbst geschützte Bäume durften dann gefällt werden.

Die Taglachinger Linde behalten von der Behörde beauftragte Fachleute daher gut im Auge: Zweimal im Jahr wird die Linde auf mögliche Schäden kontrolliert. Sie sei in ziemlich gutem Zustand, sagt Taschner, auch wenn eine schlecht durchgeführte Baumpflegemaßnahme im Jahr 1980 einige Faulstellen verursacht habe. Die letzte größere Sanierungsmaßnahme fand 2005 statt. Auch in ihrem vierten Lebensjahrhundert hält sich die Linde ohne Stützen oder Spanngurte in der Krone aufrecht, und nach Prognosen Taschners dürfen sich die Taglachinger und ihre Besucher wahrscheinlich auch noch viele weitere Jahrzehnte an ihrer Linde erfreuen.

Am Montag geht es um das Poschenmoos.

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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