Flüchtlinge im Landkreis:Menschen am Fluss

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Zwischen Garching und Ismaning soll die Isar wieder mehr Raum bekommen. Umweltschützer jubeln, viele Anwohner hingegen fürchten um ihre Freizeitflächen

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Der Kies knirscht unter den Fahrradreifen, Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch das bunte Laub und kitzeln an der Nase. Die Uferbüsche geben immer wieder den Blick frei auf die Isar, die unweit des Weges dahinströmt. Ein Spaziergang durch die Isarau bei Ismaning ist eine Lust, ob im Herbst, wenn sich die Blätter der Bäume zu einem bunten Farbenmeer verbinden, oder im Sommer, wenn die Kiesbänke am Fluss zum Sonnen einladen. Die Ismaninger schätzen ihre Isar, und auch von München aus sind die Auen im nördlichen Landkreis ein beliebtes Ausflugsziel.

In diesen Tagen aber versperrt ein Schild auf dem Uferweg die Durchfahrt, mahnt zu besonderer Vorsicht. Ein Lastwagen rollt über den Weg, ein Schaufelbagger hievt riesige Kalksteine ins Flussbett. Im Auftrag des Wasserwirtschaftsamts München soll hier, westlich des Ismaninger Ortsteils Fischerhäuser, die Isar von ihrer östlichen Uferbebauung befreit werden. Ein erstes Stück wurde bereits im Frühjahr entfernt, 2016 sollen es insgesamt 400 Meter werden.

Um die Flusslandschaft wieder getreuer ihres ursprünglichen Zustands zu formen, wurde vor zehn Jahren mit umfänglichen Planungen und Arbeiten an der Mittleren Isar begonnen. Auf Ismaninger Flur sind drei Stellen zur Renaturierung vorgesehen, eine nahe der Fuchsenwiese, zwei weiter nördlich gelegene. Vielerorts lässt sich bereits beobachten, wie wertvoll die Maßnahmen sind: Fische vermehren sich, seltene Arten aus Flora und Fauna kehren zurück. Diese Argumente haben dem ambitionierten Projekt inzwischen viele Sympathien eingebracht. Auch Ulrich Hilberer, Leiter des Ismaninger Umweltamts, ist nicht nur qua seines Amtes ein Naturfreund. Doch lässt sich in seiner Gemeinde ein Grundkonflikt ablesen: Die Erholungsflächen für den Menschen können durch die Rückkehr der Natur geschmälert werden.

Westlich des Ortsteils Fischerhäuser bereiten Arbeiter die Öffnung der Uferbefestigung am östlichen Isarufer vor, die Anfang 2016 stattfinden soll. (Foto: Irmengard Gnau)

Besondere Sorge macht den Ismaningern der Isarweg, der seit Jahrzehnten über lange Strecken fast direkt am Fluss verläuft. Durch die Öffnung des Ufers könnte ein Hochwasser den Weg leicht überschwemmen und mitreißen. Für einen solchen Fall hat sich die Gemeinde zwar abgesichert; das Wasserwirtschaftsamt würde den Pfad dann "ufernah" wieder anlegen. Doch die bislang vorgesehene Route ist noch nicht genehmigt. Zunächst muss sichergestellt sein, dass sie kein Biotop quert oder geschützten Lebensraum stört.

Mancher Spaziergänger fürchtet nun um sein Freizeitrefugium und den direkten Flusszugang. "Ich will in meiner Rente doch noch hier am Isarweg spazieren gehen", fordert ein Anlieger aus Fischerhäuser. Im schlimmsten Fall, wenn der gewünschte Ersatzpfad nicht genehmigt würde, müssten Spaziergänger wohl auf den ungeliebten Weg unterhalb der Stromtrasse ausweichen, weitab vom Flussufer. Für viele geradezu eine Schreckensvision.

Hinzu kommt, dass sich die Kommune, milde ausgedrückt, mehr Beteiligung durch die Behörden wünscht. Die Isarauen gehören zwar den Bayerischen Staatsforsten und sind somit nicht gemeindliches Hoheitsgebiet. Dennoch liegen die betroffenen Stellen in Ismaninger Gemarkung, daher pocht Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) auf Absprachen. "Wir stellen uns nicht quer bei der Renaturierung", sagt Greulich, "aber es muss auf Augenhöhe geplant werden." Dazu gehört aus Sicht des Bürgermeisters, das in der bayerischen Verfassung verbriefte Recht der Anwohner auf Naturgenuss zu bedenken.

Diesen Grundkonflikt sieht auch Hilberer. "Der Erholungsdruck wächst", sagt der Umweltsamtleiter. Die Ismaninger werden mehr, die Gemeinde rechnet in den kommenden Jahren mit einem Zuzug von etwa 1500 Personen. Und auch der Mensch brauche nun einmal Raum, um sich zu erholen, gibt Hilberer zu bedenken. Deswegen sei es wichtig, bei Gestaltungsmaßnahmen die Belange aller Beteiligten im Auge zu haben. Schließlich bringe die Renaturierung auch viel Nutzen für die Anlieger. Ein Stück weiter flussaufwärts zum Beispiel fließt die Isar bereits wieder aufgelockert. Im vergangenen Sommer wurde die große Schwelle dort eingeweiht, die bis dahin bestehende harte Rampe wurde aufgelöst. Längst hat sich an den nahen Kiesflächen auch ein reges Freizeitleben entwickelt.

Die Große Schwelle bei Ismaning wurde im Sommer 2014 eingeweiht. Die alte Rampe wurde zurückgebaut. (Foto: Peljak)

Außerdem, erklärt Hilberer, könne die Öffnung der Uferbebauung dabei helfen, den Grundwasserpegel im Auwald anzuheben. Dieser ist über die vergangenen Jahre, während sich die Isar auf stellenweise bis zu acht Meter in ihr Flussbett eingegraben hat, abgesunken - für flach wurzelnde Bäume ein Problem. Bekommt die Isar wieder Platz, um sich über ihre Uferränder hinaus auszudehnen, so die Hoffnung, wird sie Material von den Seiten abtragen, dieses in der Mitte des Flussbetts ablagern und auf diese Weise wieder einen höheren Wasserstand bekommen.

Hinsichtlich des Ismaninger Isarwegs könnte es zu einem Kompromiss kommen. Das Wasserwirtschaftsamt will noch in diesem Jahr seine Pläne vorstellen. Dann, hofft Hilberer, werde man gemeinsam eine Lösung finden, die Mensch und Natur gerecht wird.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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