Flüchtlinge:Die Drehscheibe dreht sich weiter

In den Kommunen zeichnet sich ein klares Bild ab: Alle gemeinsam müssen weiter Unterkünfte suchen und bauen - Entspannung ist kaum in Sicht

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Alle Bürgermeister haben der Senkung der Flüchtlingsprognose für 2016 zugestimmt. Doch die Rathauschefs des Landkreises sind weit davon entfernt, sich auf die Schultern zu klopfen - oder in Jubel auszubrechen. Reaktionen aus fünf Kommunen:

Aschheim

Ob sich alle Kommunen des Landkreises gleichermaßen bei der Unterbringung von Schutzsuchenden anstrengen? Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) will darauf bewusst nicht antworten: "Ich rede nur über meine Gemeinde." Und die hat nicht zuletzt mit der letztlich von allen Seiten akzeptierten Erstaufnahmeeinrichtung in Dornach in den vergangenen Monaten viel geleistet. Jetzt will sich Glashauser um die dezentrale Unterbringung der Menschen bemühen, in festen Häusern: "Die Gemeinde wird bauen." Und zwar wie geplant: "Es war eine wichtige Botschaft für die Bürger, die Zahl von 9000 auf 7500 zu senken. Aber niemand kann sagen, was weiter auf uns zukommt." Also auf alle: "Denn alle Kommunen müssen weiter an einem Strang ziehen."

Pullach

Da ist auch Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund dabei, obwohl die Grüne es teilweise schwer hat, ihre eigenen Interessen im eher konservativ geprägten Gemeinderat durchzusetzen. Immer wieder wird Tausendfreund daher auf Kreisebene dafür kritisiert, ihre Gemeinde trage zu wenig bei der Unterbringung bei. Unlängst aber konnte sie einen Teilerfolg feiern: An der Heilmannstraße wird jetzt entgegen einem ersten Gemeinderatsbeschluss doch ein Wohnhaus mit staatlicher Förderung gebaut, in das von 2017 an die derzeit noch auf der Burg Schwaneck lebenden 50 unbegleiteten Minderjährigen einziehen sollen. Ihre Gemeinde, sagt die Bürgermeisterin, werde weiterhin große Anstrengungen unternehmen, kleinteilige Lösungen für Schutzsuchende zu finden. "Das ist ein schwerer Weg. Aber wir werden unsere Quote erfüllen - wie auch immer die sich entwickelt." Und Kritik an ihrer Kommune? "Wir sind an Bord mit allen anderen Gemeinden."

Ottobrunn

Eine Kehrtwende wird es in Ottobrunn nicht geben. Freilich wäre es für Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) und die Gemeinderäte ein Leichtes, jetzt die Notbremse zu ziehen - aber leicht haben sie es sich auch schon vorher nicht gemacht. Trotz sinkender Zahlen rütteln sie in Ottobrunn nicht an der Zahl 320 - so viele Menschen sollen in der Siedlung für Flüchtlinge am Kathi-Weidner-Weg Platz finden. Das Projekt ist höchst umstritten, die Angst vieler Anwohner ist groß. "Aber wir bleiben bei zehn Häusern und damit 320 Bewohnern", sagt Loderer - und ist doch froh, jetzt ein wenig an der "Stellschraube" drehen zu können. "Es kann sein, dass wir erst nur sieben oder acht Häuser bauen", sagt der Bürgermeister. "Diese Variable haben wir." So wie nun auch der Landkreis einen gewissen Puffer hat, sagt Loderer: "Momentan sind es 4500 Flüchtlinge im Landkreis und wir erwarten 7500. Das ist jetzt eine Situation, mit der wir planen können." Und seine Gemeinde tut dies auch sehr klar und linear. Und andere? "Dazu sage ich nichts. Aber ich beobachte natürlich."

Unterhaching

Konsequenzen aus der neuen Prognose? Simon Hötzl, leitender Beamter im Unterhachinger Rathaus, vermittelt den Anschein, er verstehe die Frage nicht - er versteht sie aber ganz genau: "Wir haben uns mit Beginn der Flüchtlingsthematik sehr klar positioniert: Als Drehkreuz für die Region und den Landkreis." Daran werde sich auch nichts ändern - vielmehr wird diese Drehscheibe als Erstaufnahmeeinrichtung noch weiter ausgebaut. Das verschafft Unterhaching eine Sonderstellung: Die Kommune hat derzeit 75 Flüchtlinge in der festen Unterkunft an der Hachinger Haid und konzentriert ihre Kräfte weiterhin darauf, Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu versorgen. "Das wird auch so bleiben", sagt Rathaus-Geschäftsleiter Hötzl. "Und diese Aufgabe wird auch wieder intensiver."

Unterföhring

Das mit dem Familiennachzug beschäftigt Unterföhrings Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (parteifrei) natürlich - wie viele andere auch. "Wir können uns jetzt natürlich über Prognosen und Zahlenspiele unterhalten. Aber die bleiben halt das, was sie sind: Vorhersagen", sagt der Rathauschef. "Aber ein Faktor wie der Familiennachzug ist da nicht miteingerechnet." In der Traglufthalle seiner Gemeinde seien vor allem junge Männer unterbracht - und diese hätten bei einem positiven Asylverfahren natürlich ein Anrecht darauf, ihre nächsten Verwandten in den Landkreis zu holen: "Darauf müssen wir uns einstellen. Und das wird uns vor große Aufgaben stellen." Nicht nur Unterföhring - alle Kommunen, sagt Kemmelmeyer. Sich jetzt zurücklehnen, sei daher keine Lösung: "Ansonsten bekommen wir ein Problem mit der Akzeptanz in der Bevölkerung. Wir müssen klar kommunizieren, dass die Zahlen natürlich wieder steigen können, und gleichzeitig deutlich machen, dass wir darauf vorbereitet sind."

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