Feldkirchen:Ein Chor fürs Leben

Chor Feldkirchen

Mehr als ein halbes Jahrhundert ist das her: Auch im Jahr 1959 stimmte der Chor die Feldkirchner im Dezember gesanglich auf Weihnachten ein.

(Foto: privat)

Nach dem Krieg hauchten die Sänger des evangelischen Kirchenchors der Kultur in Feldkirchen neues Leben ein. Wenn er jetzt 70-jähriges Bestehen feiert, sind einzelne Mitglieder schon mehr als 40 Jahre dabei.

Von Franziska Dürmeier

Der erste Auftritt war nicht irgendein Auftritt: Es war Weihnachten, zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg. Die evangelische Kirche in Feldkirchen, die wegen der Fliegerangriffe über Jahre hinweg dunkel blieb, war wieder erleuchtet. Die Glocken läuteten. Es herrschte Aufbruchstimmung, das kulturelle und das gesellschaftliche Leben erholten sich allmählich. Aus diesem Hochgefühl heraus fanden sich an jenem Heiligabend im Jahr 1945 einige Menschen zusammen, um gemeinsam zu singen. Die Frau des damaligen Pfarrers, Martha Turtur, hatte Sänger für ein Krippenspiel gesucht. Sie sollten die ersten Mitglieder des evangelischen Kirchenchors in Feldkirchen werden.

Nun, 70 Jahre später, feiert der heute 25 Stimmen starke Chor sein Jubiläum und gestaltete aus diesem Anlass am Sonntag einen Gottesdienst. Mit dabei war Margit Schauer. Als sie Ende der Sechzigerjahre dazustieß, war sie 13 Jahre alt. Ihre Eltern, die aktive Mitglieder waren, hatten sie mitgenommen. Für die heute 59-Jährige war der Chor damals etwas ganz Besonderes.

"Da ist man natürlich hingegangen"

Schließlich war Feldkirchen damals ein ruhiger Ort. Klein und beschaulich, erinnert sich Schauer, es gab viel Platz und wenig Verkehr. Der Zug fuhr maximal stündlich. "Man kannte sich", beschreibt die Feldkirchnerin das damalige Gemeindeleben. Wenn jemand morgens nicht wie gewöhnlich in den Zug nach München einstieg, habe man dem Zugführer zugerufen: "Wart', halt, der XY fehlt noch" - und dann wurde gewartet. Fernsehen hatte sich noch nicht durchgesetzt, dafür gab es viele Vereine und den Chor, erzählt Schauer. "Da ist man natürlich hingegangen."

Margit Schauer erinnert sich. "Man ist rausgekommen als Jugendliche", sagt sie. Und die Eltern, die zuweilen dabei waren, habe sie "gar nicht so wahrgenommen". Im Vordergrund habe für sie das Singen mit den anderen Jugendlichen gestanden. Für die jungen Mitglieder gab es damals einen besonderen Anreiz: den 19-jährigen Dirigenten Klaus Schmidt, der den Chor schließlich 42 Jahre lang leiten sollte. "Der hat einen mitgezogen", sagt Schauer.

Der Dirigent hieß bei den Sängern "Schmidtchen Schleifer"

Ab und zu nannten sie ihn "Schmidtchen Schleifer", erzählt sie amüsiert, weil er ihre Stimmen so "geschliffen" habe. Immer und immer wieder mussten sie Passagen wiederholen, bis sie perfekt klangen. Das geschah aber nicht bitterernst, sondern immer mit viel Humor und "Geplänkel", erzählt sie. "Wie waren schon ein lustiger Haufen."

Bei den Proben wird heute noch viel gelacht, wie auch bei den vielen gemeinsamen Festen, die inzwischen Tradition sind. Nach den Proben gehe man nie einfach nach Hause, sondern bleibe immer noch ein wenig zum Ratschen, sagt Schauer. In diesen heiteren Stunden hätten sich viele Freundschaften entwickelt. Und selbst wenn manche Dirigenten und Sänger über die Jahre hinweg gekommen und gegangen sind, gibt es doch einen sehr beständigen Kern.

Feldkirchen: Heute zählt der evangelische Kirchenchor 25 Sängerinnen und Sänger.

Heute zählt der evangelische Kirchenchor 25 Sängerinnen und Sänger.

(Foto: Robert Haas)

Sogar eine Sängerin, die inzwischen eine Dreiviertel-Autostunde entfernt von Feldkirchen wohne, nehme Montag für Montag den weiten Weg auf sich, um mitzuproben, sagt Schauer, "bei Wind, Schnee oder Regen". Eins der treusten Mitglieder dürfte allerdings Schauers Mutter gewesen sein. 60 Jahre lang sang sie im Sopran, seit besagtem Weihnachten 1945 in der evangelischen Kirche.

Männerstimmen sind schon immer Mangelware

In dieser Adventszeit wird der Chor die Kirche wieder mit seinen Klängen erfüllen, diesmal unter anderem mit einer Kantate von Dietrich Buxtehude. Ganz vorne steht inzwischen die Dirigentin Karin Seidel. Unter ihrer Regie wird nun vor allem "barocke Kirchenmusik im weitesten Sinne" einstudiert, sagt Bernd Stettner, ebenfalls langjähriges Mitglied im Chor und gemeinsam mit Margit Schauer für die Organisation desselben zuständig.

Nach mehr als einem Jahr ohne Dirigenten sind die Feldkirchner Sänger froh, wieder vollständig zu sein. Allerdings würden Männerstimmen noch dringend gesucht, sagt Stettner, aber die seien im Chor schon immer "Mangelware" gewesen.

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