Englschalking:Niemand will in die Röhre schauen

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Planspiele: Im Münchner Osten entstehen viele neue Häuser, deren Bewohner auf dem Weg in die Innenstadt über die S-Bahn-Gleise fahren müssen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Bürgerinitiative für einen Bahntunnel von Zamdorf bis Johanneskirchen zweifelt Zusagen an und sucht Verbündete

Von Andreas Hensler, Englschalking

Ortstermin im griechischen Restaurant Pyrsos recht weit draußen im Osten, an der Englschalkinger Straße: Die Bürgerinitiative für Bahntunnel von Zamdorf bis Johanneskirchen hat zur Mitgliederversammlung geladen. Auf dem Programm stehen die üblichen Regularien. Doch bereits während des eher nüchternen offiziellen Teils häufen sich erhitzte Wortmeldungen der Anwesenden. "Die Technokraten und Akademiker bei der Stadt und der Bahn haben keine Ahnung, was das für uns Anwohner bedeutet", so spricht es einer der Teilnehmer lautstark und ungefragt aus. Die Vorstandsmitglieder, die bei der Verlesung des Geschäftsberichts unterbrochen werden, mustern etwas verdutzt den älteren Herrn, der da gerade lautstark poltert.

Dass es seit Jahren in der drängenden Lärmschutz-Frage zu Lasten der Stadtviertel Zamdorf, Denning, Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen aus Sicht der Bürgerinitiative keinen Fortschritt gibt, ärgert deren Mitglieder. Doch schon vor vielen Monaten ist Bewegung in die Sache gekommen. Durch die Pläne der Stadt, im Münchner Nordosten ein neues Wohngebiet zu etablieren, hat die von der Bürgerinitiative favorisierte Tunnellösung für die Bahnstrecke neuen Auftrieb bekommen. Es geht nicht nur mehr nur um Lärmschutz für die Anwohner, es geht vielmehr auch um die Stadtentwicklung. Damit die stark frequentierte Bahnstrecke keine Schneise zwischen das bestehende und das neu geplante Wohngebiet schneidet, ist die Tunnellösung im Münchner Rathaus trotz der Zusatzkosten, die die Bahn wohl nicht übernähme, ausgemachte Sache - zuletzt wurde dies verklausuliert Mitte Juni bekräftigt. Für die Bürgerinitiative bietet sich so die einmalige Chance, endlich den Tunnel durchzusetzen.

So ganz glauben die Aktivisten aber noch nicht, dass es auch so kommt. Nicht von ungefähr war bei der Mitgliederversammlung auch eine Vertreterin der Interessensgruppe Heimatboden zu Gast, die im Münchner Norden sehr professionell mit einer PR-Agentur versucht, eine breite Öffentlichkeit gegen die Siedlungserweiterungspläne des Oberbürgermeisters zu mobilisieren und die sich auch rechtlich beraten lässt. An die Adresse der Bürgerinitiative für Bahntunnel gerichtet, rief deren Vertreterin zum gemeinsamen Vorgehen auf. Kurt Scholz, Vorsitzender der Bürgerinitiative für Bahntunnel, denkt immerhin darüber nach, zu prüfen, ob eine Schnittmenge vorliegt: "Wenn es Sinn ergibt, ist es denkbar, gemeinsam vorzugehen."

Die Bürgerinitiative für Bahntunnel macht sich bereits seit 32 Jahren für besseren Lärmschutz zu Gunsten der Anwohner stark. Die Deutsche Bahn hat in der Vergangenheit entlang der Strecke von 2003 an bei einigen Gebäuden im Rahmen des Lärmsanierungsplans des Bundes freiwillig Lärmschutzfenster finanziell gefördert. Die Bürgerinitiative aber fordert einen umfassenderen Lärmschutz - auch mit Blick auf die nächsten Jahre. Denn auf der Strecke soll der Verkehr weiter zunehmen.

Ein Grund dafür ist der Bau des Brenner-Basis-Tunnels zwischen Österreich und Italien, verbunden mit dem erklärten Willen, Güterverkehr verstärkt auf die Schiene zu bringen. Dieser muss auch über die Strecke, die die Innenstadt umfährt, abfließen. Der mit der S-Bahn konkurrierende Güterverkehr soll daher zwei weitere Gleise bekommen. Die Nachbarn fürchten dabei noch mehr Lärm. BI-Vorsitzender Kurt Scholz: "Unsere Maximalforderung ist ein kompletter Bahntunnel von Zamdorf bis Johanneskirchen, die Minimalforderung ist eine Tieflage der Strecke mit effektivem Lärmschutz."

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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