Ein Jahr nach dem Amtsverzicht:Weidenbuschs Wandlung

München, Bayerischer Landtag, Ernst Weidenbusch, Foto: Angelika Bardehle

So lacht einer, der mit sich im Reinen ist: CSU-Landtagsabgeordneter Ernst Weidenbusch in der Gaststätte im Maximilianeum.

(Foto: Angelika Bardehle)

Hartnäckig und auch rücksichtslos hat der frühere CSU-Kreisvorsitzende seine Ziele verfolgt. Ein Jahr nach seinem Rückzug kämpft er jetzt für die Integration von Flüchtlingen - human und beharrlich

Von Martin Mühlfenzl und Sabine Wejsada

Fünf Stunden sitzt er dort auf dem Hochsitz im Jagdrevier. Bis es dunkel wird - dann kann es sein, dass sich das Wildschwein raus traut. Fünf Stunden in der Stille, die unendlich Raum und Zeit zum Nachdenken bieten. Und das Reflektieren - vor allem über sich selbst - kann wahnsinnig produktiv sein. "So ergiebig, dass ich ganz entspannt nach Hause fahren kann, auch ohne etwas erlegt zu haben", sagt Ernst Weidenbusch, der Jäger.

Er, der in seiner langen politischen Karriere eigentlich nie davor zurückgeschreckt ist, politische Gegner - nur bildlich gesprochen - zur Strecke zu bringen.

Nur wenige Vertraute hatte er eingeweiht

Ernst Weidenbusch sitzt in der Nische 2 der Landtagsgaststätte. Ein kleiner, verglaster Erker, von dem aus sich an sonnigen Tagen eine der schönsten Aussichten auf die Landeshauptstadt bietet. An diesem Nachmittag aber geht ein Gewitter über München nieder - macht nichts, sagt der CSU-Landtagsabgeordnete Weidenbusch: "Da ist es wahrscheinlicher, dass die Wildsau später aus dem Wald kommt. Die wartet, bis der Regen aufgehört hat."

Etwas mehr als ein Jahr ist es jetzt her. Im Januar hatte der Haarer Ernst Weidenbusch verkündet, sich vom Amt des CSU-Kreisvorsitzenden zurückzuziehen. Für die Partei kam dieser Schritt damals überraschend - nur wenige Vertraute hatte er vorher informiert. Am 28. April schließlich wählten die Mitglieder Florian Hahn zu Weidenbuschs Nachfolger - und dieses Datum stellt im Leben des Landtagsabgeordneten eine Zäsur dar.

Ein Einschnitt, der für ihn selbst, seine Frau Claudia und den noch jungen Hund Vinzi vor allem eines bedeutet: "Deutlich mehr Lebensqualität", sagt Weidenbusch.

30 Jahre lang hat er immer laut "hier" gerufen

Seit diesem 28. April ist aber auch eine Wandlung zu beobachten. Ernst Weidenbusch füllt seine Ämter anders aus - das Jahr hat ihn verändert. Denn Landtagsabgeordneter und stellvertretender Landrat ist er natürlich geblieben.

Die Wandlung macht sich bei öffentlichen Veranstaltungen bemerkbar - immer zu einem Thema: die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen. Und vor allem: Ob ihnen menschenwürdig begegnet wird.

30 Jahre lang hat Weidenbusch immer laut "hier" gerufen, wenn es in der Landkreis-CSU Ämter zu vergeben gab. "Seit 1985 war ich ständig in irgendeiner Führungsverantwortung", sagt Weidenbusch - als Chef der Jungen Union, als Chef der Kreis-CSU. Als glühender Stoiberianer, als streitbarer und manches Mal gnadenloser Vertreter der schwarzen Interessen in den Kommunen des Landkreises.

An Vehemenz hat sein Wirken nichts verloren

Ja, er habe immer die Mehrheitsmeinung vertreten, sich immer für alle engagieren, für die Partei kämpfen müssen. Und jetzt nicht mehr? Doch, aber anders.

Sein Wirken hat an Vehemenz nichts verloren - aber er nutzt seine Autorität und seine ihm verbliebenen Ämter, um dem Landkreis gerade in der Flüchtlingspolitik ein menschliches Gesicht zu verleihen.

Die Hartnäckigkeit und Energie, die er etwa als Vertreter der Staatsregierung in die hoch intensiven, beinharten 24 Verhandlungsrunden rund um die Skandalbank Hypo Alpe Adria mit der Republik Österreich - nicht zum Nachteil des Freistaats - gesteckt hat, investiert er nun in jenes Thema, das auch die Menschen in den 29 Kommunen des Kreises derzeit vorrangig beschäftigt.

Und dieses Engagement ist eng mit einem Namen verbunden: Landrat Christoph Göbel. Einer jener Aufsteiger der Kreis-CSU, die einst "unter mir" in der JU waren, wie Weidenbusch sagt - nicht "mit mir". Jetzt aber sind sie Verbündete auf Augenhöhe. Die Zusammenarbeit "mit dem Christoph" liegt Weidenbusch am Herzen.

Er und der Landrat - da passt kein Blatt Papier dazwischen

Die beiden CSU-Männer sind nicht nur arbeitstechnisch und politisch miteinander verbunden. Wenn Weidenbusch von Göbel spricht, dann ist viel über Freundschaft zu hören - und Anerkennung über die Politik des jeweils anderen. Wie auch der absolute Wunsch, genau diese Politik zu teilen - gerade in der Flüchtlingsfrage.

Jeder öffentliche Auftritt verdeutlicht, dass kein Blatt Papier zwischen die beiden Männer passt, wenn es um die menschenwürdige Aufnahme, Unterbringung und Integration der Schutzsuchenden geht. Und um den absoluten Willen, die Bevölkerung bei der Bewältigung dieser Herausforderung mitzunehmen, einzubinden, abzuholen. Und wenn es sein muss, auch in die Schranken zu weisen.

"Die hat einfach nicht aufgehört."

Ein Abend Anfang April in Aying. Die kleine Gemeinde im Süden hat zur Bürgerversammlung eingeladen - und natürlich geht es auch um die Flüchtlinge im Ort. 50 Asylbewerber sind in einer Containersiedlung am Bahnhof untergebracht; eigentlich funktioniert das Zusammenleben gut. Doch auch hier in der Idylle kocht die Gerüchteküche.

Eine ältere Frau echauffiert sich, dass den Schutzsuchenden eine Putzfrau bezahlt werde. Sie behauptet das nicht nur einmal. "Die hat einfach nicht aufgehört. Und es regt mich unendlich auf, wenn Unwahrheiten so hinausposaunt werden", erinnert sich Weidenbusch. In so einer Situation bricht er aus, der Vulkan. Weidenbusch hat ja einen gewissen Grant in sich - den auch Parteifreunde wie -gegner hin und wieder zu spüren bekamen.

Mit Peter Paul Gantzer von der SPD konnte und kann er sich herrliche Scharmützel liefern - wie im Haarer Hochhaus-Streit. Aber auch mit Parteifreunden, die nicht so wollten, wie sie nach Meinung des CSU-Kreischefs eben sollten - es gab auch immer wieder Konflikte mit einzelnen Ortsverbänden.

Er hat schon einen gewissen Grant in sich

Oder 2014, als sich der Kreisvorsitzende und die langjährige Unterföhringer CSU-Ortsvorsitzende wegen einer Empfehlung zur Bürgermeister-Stichwahl überworfen hatten, woraufhin Rita Koller-Goerzt von ihrem Amt zurücktrat und ihr soeben wieder gewonnenes Gemeinderatsmandat nicht mehr annahm. Tief enttäuscht vom CSU-Chef und seinen massiven Interventionsversuchen zog sich Koller-Goerzt zurück.

"Ich bin froh, dass ich so etwas nicht mehr machen muss", sagt Weidenbusch "So etwas macht keinen Spaß." Aber: Die "harte Hand" sei nötig, wenn die Rolle der CSU missinterpretiert werde. Zu spüren bekamen sie jene, die sich trauten und aufbegehrten gegen den Boss.

Minister? Das lehnt Weidenbusch ab - außer in einem Fall

Weidenbusch braucht das heute nicht mehr. Sein Rückzug vom Amt des Kreisvorsitzenden war auch ein kleiner Rückzug ins Private. Plötzlich, sagt Weidenbusch, treffe er mit seiner Frau Claudia wieder Freunde aus der Studienzeit. Er freue sich, am Morgen mal eine Stunde mit Vinzi auf Tour gehen zu können - dem Hund, der ihm nicht von der Seite weicht. Trotzdem ist der Terminkalender des Politikers Weidenbusch immer noch proppenvoll. Und bei einem 52-Jährigen ist die Karriere nicht vorbei. Kommt da noch was?

Als Weidenbusch im Sommer 2012 gefragt wurde, welche Lektüre er sich für den Urlaub eingepackt hat, musste er nicht lange überlegen. Einen Alpenkrimi von Jörg Maurer, den er als Schüler des Haarer Ernst-Mach-Gymnasiums als Deutschlehrer hatte, wollte er lesen: "Höhenrausch" - und der Titel passt ganz gut für einen, der sich eigentlich immer alles zugetraut hat. Auch ein Ministeramt. Was passiert also nach der Landtagswahl 2018 - will er noch einmal aufsteigen? Weidenbusch legt die Hände ineinander, blickt in den Regen über der Stadt und überlegt ganz lange.

"Nein", sagt er. "Das wäre auch der Claudia und dem Vinzi gegenüber nicht fair." Eigentlich ist die Frage beantwortet, aber dann ist Ernst Weidenbusch anzusehen, dass es in ihm arbeitet: "Wenn nach der nächsten Wahl ein Integrationsministerium geschaffen wird, dann müsste ich ernsthaft drüber nachdenken." Das sind erstaunliche Töne für einen Landespolitiker der CSU.

Da sitzt einer im Separee der Landtagsgaststätte, der mit sich im Reinen ist. Der viel erzählen kann über die Welt da draußen, über Erdoğan, Idomeni, Orbán, Grenzzäune und fragwürdige Deals. Aber das ist alles gar nicht mehr so wichtig. Die Ayinger will er überzeugen; ihnen klar machen, dass die Flüchtlinge ihre Wohnungen selbst putzen. Dass es gerade dieser Landkreis schafft, jene aufzunehmen und zu integrieren, die hier Schutz suchen. Und irgendwann will er nach einem regnerischen Tag das Wildschwein erwischen. Und wenn nicht? "Dann war es schlauer."

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