Drachenboot-Meisterschaften:Paddeln im Takt der Trommeln

Drachenboot-Meisterschaften: Der Sport mit den Booten, in denen Paddler im Takt der Trommel Kurs halten müssen, kommt ursprünglich aus China.

Der Sport mit den Booten, in denen Paddler im Takt der Trommel Kurs halten müssen, kommt ursprünglich aus China.

(Foto: Claus Schunk)

Auf der Regattastrecke in Oberschleißheim herrscht Festival-Atmosphäre. Teamgeist steht im Vordergrund. Bei den Lokalmatadoren von den "Bavarian Kongs" paddeln Sportler von 20 bis 60 Jahren.

Von Sophie Kobel, Oberschleißheim

Die Mittagssonne scheint heiß auf den staubigen Boden des Parkplatzes, drei Euro verlangt der Parkplatzwärter unter seinem gelben Sonnenschirm. An mehreren Stellen führen Trampelpfade in einen kleinen Wald hinein. Hin und wieder kommen einem Familien mit halb aufgeblasenen Schwimmtieren entgegen, der Geruch von Sonnencreme hängt in der Luft. Alles sieht nach einem typisch bayerischen Samstag am Badesee aus. Dass sich 200 Meter weiter aber auch die einzige Regattaanlage Süddeutschlands befindet, sieht man von hier aus nicht. Aber man hört es.

"Ready, attention, go!" dröhnt es von einem entfernten Hügel, auf dem eine in dunklem Holz und Beton gehaltene Tribüne steht. Sie wurde für die Olympischen Spiele 1972 erbaut und thront über einem zwei Kilometer langen Streifen türkis-blauen Wassers. An diesem Sonntag findet hier die deutsche Meisterschaft im Drachenboot-Fahren statt.

"Das Tolle an diesem Sport ist, dass Leute in einem Boot sitzen, die total verschieden sind. Da sitzt der Professor hinter dem Bauarbeiter und jeder muss sich selbst zurücknehmen, um als Team zu funktionieren", sagt Martin Gathmann und blinzelt gegen die Mittagssonne an. Er ist Rennleiter und einer der Wettkampfschiedsrichter, wenn 46 Mannschaften aus ganz Deutschland gegeneinander antreten.

Auf den Bahnen, die durch kleine Bojen und Netze gekennzeichnet sind, machen sich einige Mannschaften für den 200 Meter Sprint bereit. Jeweils 22 Leistungssportler sitzen in einem der schmalen, nach oben offenen Boote. An der Spitze steht ein Trommelmann, er soll dabei helfen, den idealen Takt beim Paddeln zu halten. Ihm gegenüber am hinteren Ende steht der Steuermann, der das Boot möglichst gerade lenkt. Ursprünglich kommen die Boote aus China: Am Bug ist traditionell der geschnitzte Kopf eines Drachens befestigt, am Heck der Schwanz.

Noch entstehen nur kleine kreisförmige Wellen, wenn eines der Paddel zufällig die in der Sonne glitzernde Wasseroberfläche berührt. Das ändert sich aber sekündlich als sich die Männer und Frauen in Startposition begeben. "Ready, attention, go!" dröhnt es erneut. Sofort schäumt das Wasser weiß auf und die Luft ist erfüllt von Trommelschlägen und den Rufen der Steuermänner. Etwa 50 Sekunden braucht es, bis die Boote das Ziel mit einem Tempo von bis zu 18 Stundenkilometern erreichen.

Vom Nachwuchs springen viele wieder ab

Eines der Teams trägt neongelbe T-Shirts, auf der Rückseite ist ihr Wappen aufgedruckt: ein schwarzer Gorilla vor zwei sich kreuzenden Paddeln. Sie nennen sich "Bavarian Kongs" und sind die Münchener Drachenboot-Mannschaft. Ihr Teamkapitän ist Thomas Hoecker, er paddelt auch im Kader der deutschen Nationalmannschaft. Der 60-Jährige nimmt sich ein Käsebrot vom Buffet, es ist Mittagspause.

Mit dem gerade erlangten dritten Platz ist er zufrieden, für seine Mannschaft ist es dieses Wochenende die erste Teilnahme an der deutschen Meisterschaft. Bekannte von Hoecker gründeten die Bavarian Kongs vor zehn Jahren, ursprünglich aus der Idee heraus, mit ihren Frauen einen Teamsport ausprobieren zu wollen. Inzwischen ist die einzige Drachenboot-Mannschaft Bayerns 28 Mann stark und trainiert mehrmals die Woche. "Wenn man neu in eine Stadt zieht und in ein Drachenbootteam kommt, hat man sofort 21 gute Bekannte", sagt Hoecker und ist auch nach so vielen Jahren fasziniert von diesem Teamsport: "Man sieht einfach irgendwann nur noch den Vordermann und gibt sich dem Rhythmus und dem Boot voll hin, um so synchron wie möglich zu paddeln."

Im September wird der hauptberufliche Ingenieur an der Drachenboot-Weltmeisterschaft in Atlanta teilnehmen. Für seine Mannschaft in Oberschleißheim neue Mitglieder zu finden fällt ihm jedoch schwer, trotz der exzellenten Anlage: "Es ist schade, dass so wenige hängen bleiben. Von Mitte zwanzig bis Ende sechzig haben wir alles drin im Boot." Aber gerade in München denken die Menschen nicht an so etwas, es gibt so viele Alternativen in den Bergen."

Drachenboot-Meisterschaften: Bunte Drachenköpfe an den Bootsspitzen erinnern an die Herkunft des Sports.

Bunte Drachenköpfe an den Bootsspitzen erinnern an die Herkunft des Sports.

(Foto: Claus Schunk)

Geht man zwischen Tribüne und Wasser entlang, kommt Festivalstimmung auf: Hier haben die Teams eine kleine Zeltstadt aufgebaut, um sich von den Rennen zu erholen. Zwischen Campingstühlen riecht es nach Bratwurstsemmeln, aus Lautsprechern klingt Musik. Eine blonde Frau Anfang fünfzig liegt auf ihrer aufblasbaren Couch vor dem Zelt in der Sonne. Auf ihrem T-Shirt sind ein roter Drache und eine Burg zu sehen, die "Speedform Dragons" kommen aus Wolfsburg. Vor zehn Jahren gründete sich die Mannschaft um Sabine Winkler aus einem Firmenteam von Mitarbeitern der VW-Werke. Inzwischen sind sie Deutschlandmeister der 500 Meter Disziplin gewesen. Bis heute, denn da wurde ihnen der Titel genommen, es hat nur für den dritten Platz gereicht.

Schlimm ist das nicht, viel mehr haben sich die 26 Wolfsburger auf das Paddeln in der originalen Olympia-Regatta-Anlage gefreut. "Der eigentliche Gegner bei diesem Sport ist der eigene Schweinehund. Man muss sich so konzentrieren, dass gar keine anderen Gedanken Platz haben. Das fasziniert mich total", sagt Winkler und schaut auf das blitzblaue Wasser.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: