Diskussion über Kommunalunternehmen:Rebellische Mitstreiterin

Haar, Gemeinderatssitzung,

Katharina Dworzak steht als Tochter des langjährigen Bürgermeisters in einer besonderen Beziehung zu dessen Nachfolgerin. Jetzt übte sie offen Kritik.

(Foto: Angelika Bardehle)

Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller ist der Wohnungsbau ein zentrales Anliegen. Sie treibt die Gründung eines Kommunalunternehmens voran. Nun bringt ausgerechnet ihre Stellvertreterin im Amt Sand ins Getriebe

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Attacke erwischte die Bürgermeisterin kalt. Als sich ihre Parteifreundin und Stellvertreterin im Bürgermeisteramt, Katharina Dworzak, wortreich und deutlich von den Plänen für ein Kommunalunternehmen für gemeindlichen Wohnungsbau distanziert hatte, musste sich Gabriele Müller (SPD) sichtbar sammeln. Als sie soweit war, sprach sie Dworzak an, dass doch ihr Vater, der langjährige Bürgermeister Helmut Dworzak, kommunale Unternehmungen stets als wirksame Instrumente angesehen habe. Für die CSU war das ein gefundenes Fressen. Deren Vertreter feixten. Die Tochter dürfe nicht für den Vater in Haftung genommen werden, rief einer.

Für die CSU war das Intermezzo in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats eine Genugtuung. Schließlich hat sie sich über Jahre an Dworzak, dem Vater, abgearbeitet. Und als dessen politische Ziehtochter Gabriele Müller ins Amt einzog, musste sich die Haarer CSU damit abfinden, dass Dworzaksche Politik jetzt von einer Frau im Rathaus gemacht wird. Müller wandelt zielsicher in den Fußstapfen ihres Vorgängers und wusste dem Eindruck nach bisher mit der leiblichen Tochter Katharina Dworzak eine Mitstreiterin an ihrer Seite.

Und nun kritisierte diese öffentlich Müllers Lieblingsprojekt. Sie sagte, sie könne den Mehrwert aus einem solchen Unternehmen nicht erkennen. Die Gemeinde sei bisher zweigleisig gut gefahren, indem sie Wohnungen gebaut und sich auf Jahre bei Investoren über das "Haarer Modell" Belegungsrechte zu günstigem Mietzins gesichert habe. "Es erschließt sich mir nicht, was es bringen soll, ein Kommunalunternehmen zu gründen."

Nach den Plänen sollen der Kämmerer und ein Mitarbeiter des Bauamts die Geschäfte in dem Unternehmen führen. Aus Sicht Dworzaks birgt das die Gefahr zusätzlicher Bürokratie. Die Abgrenzung im Rathaus werde schwierig und der Gemeinderat verliere an Einfluss. Zudem werde eine "große Erwartungshaltung erzeugt", die womöglich unerfüllt bleiben müsse. Der einzige Vorteil, sagte Dworzak, wäre, wenn man durch ein Kommunalunternehmen Vorteile bei der Ausschreibung von gemeindlichen Wohnbauvorhaben erzielen könnte. Doch gerade dieser Punkt, schob sie nach, sei noch nicht geklärt.

An offenen Fragen fehlt es allerdings nicht. Bürgermeisterin Müller räumte das auch ein und kündigte unter anderem an, dieser Tage bei der Regierung von Oberbayern vorstellig zu werden, um zu klären, ob ein Kommunalunternehmen die Zuschüsse aus dem Bayerischen Wohnraumförderprogramm abrufen könne. CSU-Sprecher Dietrich Keymer forderte Klarstellungen zu steuer- und europarechtlichen Fragen ein. Am Ende werde die CSU ihre Zustimmung zur Unternehmensgründung von einem überzeugenden Geschäftsplan abhängig machen, sagte er. Und Keymer beklagte, im übrigen ähnlich wie Dworzak, das hohe Tempo, das Müller und die Verwaltung in der Angelegenheit an den Tag lege. Doch Müller will sich nicht bremsen lasen. Es würden alle Fragen bis zur entscheidenden Sitzung im Dezember beantwortet, sagte sie. Mike Seckinger (Grüne) sagte, die Grünen wollten "den Schwung, den die Verwaltung in der Sache an den Tag legt", eher aufgreifen und unterstützen. Antonius van Lier (Freie Wählergemeinschaft) sagte, die Dinge müssten vorangebracht werden. Er verspreche sich vom Unternehmen "größere Schnelligkeit und Flexibilität". Dass Dworzak vergaberechtliche Aspekte, also etwa die Aussicht, ungeliebte europaweite Ausschreibungen vermeiden zu können, als den aus ihrer Sicht einzigen Vorteil eines solchen Unternehmens bezeichnete, nannte van Lier "erschreckend". "Es kann nicht Sinn und Zweck eines Kommunalunternehmens sein zu tricksen."

Der Grundsatzbeschluss, die Gründung eines Unternehmens weiterzuverfolgen, wurde am Ende von allen gefasst, außer von Dworzak und SPD-Gemeinderätin Traudl Vater, die ebenfalls dessen Notwendigkeit anzweifelte.

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