Diskussion im Kreistag:Die zweite Stammstrecke ist nur der erste Schritt

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Zu den Stoßzeiten wird es jetzt schon eng in der S-Bahn - so wie hier am Bahnhof Höhenkirchen-Siegertsbrunn. (Foto: Claus Schunk)

Die Kreisräte fordern einmütig den massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs - und eine weitreichende Tarifreform

Von Stefan Galler, Landkreis

Tarifstrukturreform, Zukunftsperspektiven für die S-Bahn aus Sicht der Verbundlandkreise im MVV, Fortschreibung des Nahverkehrsplanes sowie zusätzliche Schienenverbindungen im Landkreis München - der Kreis-Mobilitätsausschuss hat in seiner Sitzung am Montag ein ganzes Paket an Themen zum öffentlichen Personennahverkehr beraten. Der Tenor aller Debatten ging in eine klare Richtung: Will die Metropolregion München den nicht abreißenden Zuzug auch künftig bewältigen, müssen die öffentlichen Verkehrsmittel aufgewertet und massiv ausgebaut werden. "Dass die zweite Stammstrecke kommt, ist nur ein erster Schritt, kann aber nicht der einzige bleiben", sagte Landrat Christoph Göbel (CSU).

Stefan Weigele vom Hamburger Consultant-Unternehmen Civity stellte ausführlich den aktuellen Sachstand der MVV-Tarifreform vor, die derzeit vorbereitet wird. Wie bereits bekannt ist, wird es nicht zu einer Revolution kommen, eine Flatrate, also pauschale Bezahlung für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, kommt wegen der hohen Folgekosten nicht infrage. Die Gesellschafter des MVV rechneten für diesen Fall mit Mindereinnahmen in Höhe von 80 Millionen Euro, so Weigele. Auch eine Abrechnung der ÖPNV-Nutzung nach Zeit sei kein Thema, weil die einzelnen Verkehrsmittel schlichtweg mit zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs seien, so habe ein Bus zur Hauptverkehrszeit gegen schienengebundene Fahrzeuge keine Chance, Schritt zu halten. Was eine Abrechnung entsprechend der zurückgelegten Strecke angeht, so möchte man 2019 laut Stefan Weigele ein Pilotprojekt starten. Vorstellbar wäre, dass durch die Ortung des Smartphones festgestellt wird, wie weit der MVV-Kunde im Netz unterwegs gewesen ist. Entsprechend des absolvierten Weges muss er dann bezahlen.

Noch ist all das Zukunftsmusik, weshalb derzeit nur eine moderate Modernisierung des Tarifsystems in Angriff genommen wird. So soll es anstatt der aktuell 16 Zonen künftig im MVV-Verbund nur noch acht "Tarifkreise" geben, um "gerechtere Preissprünge" (Weigele) herbeizuführen. Einzelne Tarifkreisgrenzen sollen korrigiert werden, die hohen Preisunterschiede an den Tarifgrenzen im Bartarif (Streifen-/Einzelfahrkarten) abgemildert und neue Tarifangebote für Jugendliche und sozial Schwächere erarbeitet werden.

Kaum überraschend fiel die Kritik der Kreisräte an den aus ihrer Sicht viel zu zaghaften Maßnahmen harsch aus: "Wasch mich, aber mach mich nicht nass", sagte der Vorsitzende der CSU-Kreistagsfraktion Stefan Schelle und argumentierte, dass viele Gelegenheitsnutzer lieber mit dem Auto in ein Parkhaus in der Stadt fahren würden, als sich mit dem komplizierten Tarifsystem auseinanderzusetzen. FDP-Kreisrat Jimmy Schulz erklärte, seine Begeisterung halte sich in Grenzen: "Wenigstens ist es keine Verschlechterung." Lediglich der Grüne Frank Sommer sprang Planer Weigele bei: "Ich bin für diesen Vorschlag einer Tarifreform. Ein Entfernungstarif wäre toll, aber man sollte das eine tun, ohne das andere zu lassen."

Munter diskutiert wurde auch bei den anderen Themen, die den öffentlichen Nahverkehr betrafen. So regte Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler) an, sich bald in Bezug auf einen zweigleisigen Ausbau der S-Bahnlinie 7 Richtung Südosten mit Vertretern der Landeshauptstadt zusammenzusetzen. Hintergrund sind Pläne, an der Station Neuperlach Süd ein Testgleis einzurichten. "Das könnte im Widerspruch zur Zweigleisigkeit stehen", so Heyland. Die SPD-Fraktion beantragte, dass ein Planfeststellungsverfahren für den S-7-Ausbau noch 2017 beginnen möge. Stefan Schelle forderte, dass im Falle eines Ausbaus eine Tieferlegung der S 7 erfolgen müsse, damit die Verkehrssituation an den Bahnübergängen, etwa in Neubiberg, Ottobrunn und Höhenkirchen-Siegertsbrunn, nicht völlig außer Kontrolle gerate.

Tarifreform und Ausbau der Bahnstrecken seien Maßnahmen, die nötig sein werden, um den Siedlungsdruck im Großraum München zu bewältigen, so Landrat Göbel, das wisse auch die Staatsregierung. "Und auch der Bund ist in der Pflicht." Denn alles, was zu tun sei, werde voraussichtlich "größere Milliardensummen" kosten, sagte Göbel.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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