Der Landkreis schneidet am besten ab:Der Platz an der Sonne wird langsam zu heiß

Schmuckfoto Landkreis München Ost, Aschheim

In die einst sonnigen Zukunftsaussichten des Münchner Umlands - hier gesehen von der B 471 aus bei Aschheim - mischen sich mehr und mehr dunkle Töne.

(Foto: Florian Peljak)

Auch im neuesten Zukunftsatlas bestätigt der Landkreis München seine Spitzenposition. Zugleich werden aber die Schattenseiten des Booms immer sichtbarer

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Der Landkreis München ist die zukunftsträchtigste Region der Republik. Dies geht aus dem neuesten Zukunftsatlas 2016 des renommierten Wirtschaftsforschungs- und Beratungsinstituts Prognos hervor, das seit 2004 die Zukunftschancen und auch -risiken aller 402 deutschen Landkreise und Städte beleuchtet. Der Landkreis bestätigt damit auch in der fünften Auflage der umfassenden Publikation seine Spitzenposition aller deutschen Regionen - wie bisher vor der Landeshauptstadt München.

Für den Münchner Landrat Christoph Göbel (CSU) ist das Ergebnis der Auswertungen von 29 sogenannten makro- und sozioökonomischen Indikatoren Bestätigung eines "sehr, sehr guten Weges". Göbel sagte am Montag: "Nicht nur gefühlt ist die Lebens- und Arbeitsqualität hier sehr hoch, die harten Fakten belegen das seit vielen Jahren."

Spitzenwerte bei den Start-ups

Den von Göbel angesprochenen "guten Weg" hat Prognos erstmals auch durch den sogenannten Digitalisierungskompass unter die Lupe genommen. Dieser beschreibt aber nicht etwa den Ausbau der Breitbandversorgung oder ein bereits existierendes Angebot an Glasfaserkabeln, sondern den Grad der Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Prognos hat dies anhand der Faktoren IT-Gründungen, Stellenausschreibungen von Unternehmen und Institutionen in einer Region sowie dem sogenannten Anteil digitaler Impulsgeber an der Gesamtbeschäftigung analysiert.

Die Wirtschaftskraft des Kreises, belegen die Auswertungen von Prognos, hängt mittlerweile eng mit der Digitalisierung zusammen. Einzig in der Landeshauptstadt ist ein ähnlicher Boom im IT-Bereich zu beobachten. Dies geht auch aus Zahlen der Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Region hervor, die dem Landkreis bei der Gründung von Start-ups und Gewerbeneuanmeldungen unlängst Spitzenwerte bescheinigte: Allein im Jahr 2015 meldeten 4000 Start-up-Gründer ein Unternehmen in den 29 Städten und Gemeinden des Landkreises an. Die meisten im Dienstleistungsgewerbe.

Die Platzierung im Zukunftsatlas setzt sich aber auch aus weiteren Bewertungen zusammen: So untersucht Prognos neben der Digitalisierung vor allem demografische Faktoren, die Situation auf dem Arbeitsmarkt, den Wohlstand und die soziale Lage der Menschen sowie aus ökonomischer Sicht Wettbewerb und Innovation. Zudem wird anhand dieser Daten die aktuelle Stärke der 402 Landkreise und Städte in Deutschland, also deren Standortvorteile sowie ihre Dynamik, die bisherige Entwicklung einer Region, aufgezeigt.

Vollbeschäftigung - aber Fachkräftemangel

Paradoxerweise weist Prognos dem Landkreis bezüglich der Dynamik nur Rang 14 zu. Robert Obermeier, Chefvolkswirt der IHK München und Oberbayern, begründet dies mit dem sogenannten Basis-Effekt: Gerade im Bereich der Wirtschaftsleistung würden bereits "starke Landkreise weniger dynamisch bewertet". Obermeier sagt, dass etwa beim Abbau der Arbeitslosigkeit im Landkreis München tatsächlich eine Obergrenze und somit Vollbeschäftigung erreicht sei - derzeit liegt diese bei 2,9 Prozent. Auch der Anteil Hochqualifizierter könne im Landkreis kaum mehr gesteigert werden. "Und beim Stellenzuwachs verhindert der Fachkräftemangel mehr Dynamik", erläutert Obermeier. Dennoch, sagt der Chefvolkswirt, "stehen die Zeichen im Landkreis auch in Zukunft auf mehr Wachstum".

Der Landkreis prosperiert freilich auch aufgrund des herausragenden Bildungsangebots, das mittlerweile zwei Universitäten - jene der Bundeswehr in Neubiberg sowie die TU in Garching - umfasst. Darüber hinaus investiert der Landkreis weiter in Bildung, fördert und baut neue weiterführende Schulen. In Ismaning entsteht derzeit ein neues Gymnasium, ein weiteres in Unterföhring ist beschlossen, der Schulbedarfsplan des Kreises empfiehlt zudem ein weiteres Gymnasium in Aschheim oder Feldkirchen.

Das seien entscheidende Investitionen in die Zukunft, sagt Landrat Göbel. Aber: "Ausruhen dürfen wir uns auf diesen Lorbeeren nicht." Und dass diese Investitionen zwingend notwendig sind, belegt eine Zahl: Mit über 60 Prozent hat der Landkreis München die höchste Übertrittsquote an Gymnasien in der ohnehin wohlhabenden Region rund um München.

Bis zu 400 000 Einwohner im Jahr 2034

Um den Wohlstand von Unterschleißheim bis Aying zu sichern, fordert Chefvolkswirt Obermeier weitere Investitionen in die Infrastruktur, den öffentlichen Nahverkehr und vor allem Wohnraum und auch Gewerbegebiete. Dies, so sein Appell an die Politik, müsse in enger Abstimmung mit der Landeshauptstadt und den umliegenden Landkreisen geschehen. Denn der Landkreis München wird weiter wachsen, von heute etwas mehr als 340 000 Einwohner auf geschätzt bis zu 400 000 Menschen im Jahr 2034. Allerdings schrecke derzeit, sagt Obermeier, der knapp bemessene Wohnraum insbesondere junge Familien von einem Umzug in den Landkreis München ab.

Und das trotz einer durchschnittlichen Kaufkraft von etwas mehr als 30 000 Euro je Landkreisbürger in diesem Jahr sowie einer Wirtschaftsleistung von mehr als 95 000 Euro pro Einwohner - beides Indizien für einen vollkommen überhitzten Immobilienmarkt. Das ist eine der negativen Auswirkungen in einem Landkreis, der sich seit Jahren auf Platz eins im Zukunftsatlas sonnt.

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