Die Demenz-WG als Alternative:Ins Heim? Vergiss es

Im Landkreis gibt es 5700 Demenz-Patienten. Spezielle Wohngemeinschaften könnten helfen, ihnen ein relativ selbständiges Leben zu ermöglichen. In Ottobrunn existieren bereits zwei, in Oberhaching wird die nächste gebaut.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Vielleicht fing es damit an, dass Opa immer die selbe Geschichte erzählte. Dann mussten alle ständig seine Sachen suchen, die er an unmöglichen Orten abgelegt hatte: die Schlüssel, die Brille, die Fernbedienung des Fernsehers. Irgendwann konnte man seine Verwirrtheit nicht mehr mit normaler Altersvergesslichkeit abtun.

Die Demenz-WG als Alternative: Der Spatenstich für die Demenz-WG in Oberhaching.

Der Spatenstich für die Demenz-WG in Oberhaching.

(Foto: Schunk)

Die Diagnose Alzheimer erschütterte die Familie, vor allem als klar wurde: Zu Hause geht es nicht mehr. Opa muss rund um die Uhr betreut werden.

Immer mehr Menschen erkranken an Demenz, denn die Leute werden immer älter und mit höherer Lebenserwartung steigt auch das Risiko, dass die Gedächtnisleistung des Gehirns so stark nachlässt, dass die Menschen ihre altbekannte Fertigkeiten verlernen. Im Landkreis München sind laut Jürgen Hoerner, Vorsitzender der Alzheimer-Gesellschaft München-Land, 5700 Menschen von Demenz betroffen.

Die Demenz-WG soll Normalität bieten

Für Angehörige, die ihren Partner oder ihre Eltern nicht in ein Pflegeheim geben wollen, zugleich aber merken, dass einen Betreuung zu Hause nicht mehr möglich ist, etabliert sich derzeit eine neue Form der Unterbringung: Die Demenz-Wohngemeinschaft. Sie ist zwischen häuslicher Betreuung und stationärem Heim angesiedelt, da sie den Bewohnern einen möglichst normalen Alltag bietet und zugleich Betreuung und Pflege 24 Stunden lang an allen sieben Tagen der Woche garantiert.

In Ottobrunn hat sich diese Möglichkeit des Zusammenlebens bereits bewährt, in Oberhaching fand am Donnerstag der symbolische Spatenstich zu einem Wohnbauprojekt für Einheimische statt, zu dem auch eine Demenz-WG gehört. Neun Demenzpatienten sollen am Inneren Stockweg Ende 2017 ein neues Zuhause finden.

Auch einige andere Gemeinden im Landkreis sollen inzwischen großes Interesse an diesem Modell signalisiert haben, wie Hoerner berichtete. In Unterhaching ist man schon weiter, hier wurde das Konzept bereits im Gemeinderat vorgestellt und mit der Stumpfwiese ein möglicher Standort genannt. Auch Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) ist überzeugt: "Diese Wohnform wird sicher Zukunft und eine große Akzeptanz haben."

Wer Genosse wird, der sorgt damit vor

Das Projekt in Oberhaching wird als Kooperation der Gemeinde mit der Maro-Genossenschaft und der Alzheimer Gesellschaft verwirklicht, das Haus von der Baugesellschaft München-Land errichtet. Es handelt sich um ein Genossenschaftsmodell, bei dem Mitgliedern die Möglichkeit gegeben wird, sich durch das Zeichnen von Anteilen zu je 500 Euro am Bau und der Vermietung der Wohngemeinschaft zu beteiligen. Wer frühzeitig Mitglied geworden ist, hat höhere Chancen, bei der Vergabe der Plätze zum Zug zu kommen.

Laut Maro-Vorstand Martin Okrslar haben etwa 60 Bürger aus Oberhaching und den Nachbargemeinden Anteile gezeichnet. 1,15 Millionen Euro kostet die 380 Quadratmeter große WG-Wohnung, 400 000 Euro galt es durch die Mitglieder aufzubringen.

Die Gemeinde stellt das Grundstück kostenlos im Rahmen eines Erbbaurechts zur Verfügung, hier entstehen außerdem im Zuge des Einheimischen-Projekts drei weitere Häuser mit 36 Mietwohnungen sowie Räumlichkeiten für die Nachbarschaftshilfe. Auch schießt die Gemeinde bei der Demenz-WG etwas zur Miete hinzu, wenn es sich bei dem Bewohner um einen Oberhachinger handelt. Etwa 270 Euro werden so Einheimische dort an Miete zahlen, 540 andere Bewohner. Hinzu kommen die Kosten für die Betreuung und das Haushaltspersonal. Damit summieren sich Ausgaben für einen solchen Platz auf etwa 2000 bis 2200 Euro im Monat.

Genaue Angaben zu den Kosten will Maro-Vorstand Inge Schmidt-Winkler noch nicht machen, da diese von den Entscheidungen der Angehörigen der zukünftigen Bewohner abhänge. "Es kommt darauf an, welchen Pflegedienst sie beauftragen und im welchen Umfang sie Haushaltsdienste in Anspruch nehmen", sagt sie und verweist darauf, dass das Konzept ausdrücklich die Mitarbeit der Angehörigen in einem regelmäßig tagenden Gremium vorsieht. "Das Modell ist nicht geeignet, um alle Verantwortung abzugeben."

Die demenzfreundliche Gestaltung des Wohnumfelds liegt auch dem Landkreis am Herzen. Mit einem Modellprojekt fördert er erstmals in diesem Jahr vier "demenzfreundliche Kommunen" mit 4500 Euro. Bewerben können sich Gemeinden noch bis zum 31. Juli.

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