"Saustall Höhenkirchen-Siegertsbrunn":Nach dem Müll-Protest kommt die Abfuhr

"Saustall Höhenkirchen-Siegertsbrunn": SPD-Gemeinderätin Priska Weber findet, die Gemeinde hätte nicht so lange tatenlos zusehen dürfen, wie die Schrebergärten verkommen. Der Bauhof sei doch auch ganz in der Nähe, sagt sie.

SPD-Gemeinderätin Priska Weber findet, die Gemeinde hätte nicht so lange tatenlos zusehen dürfen, wie die Schrebergärten verkommen. Der Bauhof sei doch auch ganz in der Nähe, sagt sie.

(Foto: Claus Schunk)

Plastikflaschen auf Straßen, Uringestank und verwahrloste Flächen - eine SPD-Gemeinderätin prangert das Erscheinungsbild von Höhenkirchen-Siegertsbrunn an. Die Bürgermeisterin hält das für überzogen.

Von Anna Reuß, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Egal, ob in Paris, Kairo oder Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Auf der ganzen Welt verwechseln anscheinend Menschen Gleis-Unterführungen mit Toiletten. Anders ist es nicht zu erklären, dass man beim Hinabsteigen sofort üblen Urin-Geruch wahrnimmt. Was Höhenkirchen-Siegertsbrunn betrifft, muss man allerdings schon zu den Ignorantesten aller Zeitgenossen gehören - steht doch direkt neben der Treppe, die hinunterführt, eine Toilettenkabine.

Der Geruch ist nicht das einzige, was Klaus Träger, Bürger der Gemeinde, dort unten stört. Die vielen Schmierereien erregten ebenfalls sein Gemüt, sagt er. Und wenn er mit angehaltenem Atem durch die Unterführung läuft und hinaufsteigt, steht er direkt am Kreisel vor dem Gymnasium: Auch der sei in einem unerträglichen Zustand, findet Träger. Das Gras wachse unkontrolliert. Auf dem Asphalt liegt eine plattgefahrene Plastikflasche.

Klaus Träger ist Rentner und war von 2004 bis 2008 und von 2012 bis 2014 Mitglied des Gemeinderats. Außerdem engagiert er sich im Arbeitskreis Ortsentwicklung und Mobilität. Ein attraktives Ortsbild liegt ihm am Herzen. Gerade der Bereich am S-Bahnhof sei das erste, was Leute sähen, die von außerhalb nach Höhenkirchen-Siegertsbrunn kämen. Und der sei nicht gerade einladend. "Die Unterführung kann man niemandem zumuten. Hier tut sich nichts gegen den Willen der Bürgermeisterin", klagt er und benennt zugleich diejenige, die er in der Verantwortung sieht.

Angestoßen hat die Debatte über den "Saustall Höhenkirchen-Siegertsbrunn", wie es jetzt immer wieder heißt, seine Parteikollegin und Gemeinderätin Priska Weber (SPD). Ende Oktober verschickte sie eine Mitteilung, in der sie die "Vermüllung" anprangerte. "Beschwerden von Bewohnern" über den "Unrat" im Ort hätten sie erreicht, schrieb Weber. Angeblich lagen Essensreste auf offener Straße herum. Die Randsteine an den Straßen seien ungepflegt. Und ein Foto dokumentiert tatsächlich, dass nahe der S-Bahn-Haltestelle Wächterhof ein Regal entsorgt worden ist - samt Pfandflaschen im geschätzten Wert von 1,60 Euro. Klaus Träger findet das mutig von Weber, er nennt sie seine "politische Lieblingsfrau".

Von den Schrebergärten ist nur Sperrmüll geblieben

Was die beiden Genossen ebenfalls stört, ist der Zustand der ehemaligen Schrebergärten an der Ottobrunner Straße, Ecke Sportplatzstraße. Vielmehr: Dass sich an dem beklagenswerten Zustand dort nichts ändert. Denn seitdem die ehemaligen Pächter das Gelände so hinterlassen haben, liegen dort Müllsäcke, Fensterrahmen, Kunststoffdächer und ein alter Regenschirm herum. "Ich möchte, dass das hier verschwindet", sagt Träger beim Anblick der Überbleibsel. Doch er gibt zu, dass diejenigen, die dort einst laue Sommerabende im eigenen Gartenhaus verbrachten, offenbar bei ihrem Auszug alles liegen und stehen lassen haben. "Nach dem Motto: Nach mir die Sintflut", sagt er.

Das Grundstück braucht die Gemeinde, um die Ottobrunner Straße weiterzuführen und einen Kreisel am Ortsausgang zu erweitern. Außerdem sollen dort Sozialwohnungen gebaut werden. Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) sagt, die Gemeinde befinde sich nach wie vor in Verhandlung mit dem Grundstückseigentümer der ehemaligen Schrebergarten-Siedlung. Insofern sollten sich Gemeinderäte, die sich über die Zustände aufregten, fragen, ob sie nicht der Lösung des Problems im Wege stünden, sagt sie. Demnächst werde im Bauausschuss des Gemeinderats entschieden, wie es mit dem Grundstück weitergehe. Alles Weitere werde dann im Gemeinderat beschlossen und erst dann "können wir endlich aufräumen".

Angesprochen auf Mayers Aussagen, sagte Priska Weber: "Die Gemeindeverwaltung kommt nicht in die Pötte." Dafür gebe es schließlich den Bauhof und der sei ganz in der Nähe. Vom Eigentümer wüssten die Gemeinderäte, dass der Erwerb des Grundstückes kein Hindernis darstelle, dort aufzuräumen. Bis 25 000 Euro Kosten könne die Bürgermeisterin so etwas alleine entscheiden. Sonst sei Mayer auch "nicht zimperlich" bei Entscheidungen, sagt Weber.

"Saustall Höhenkirchen-Siegertsbrunn": Klaus Träger sagt, der Bahnhof verdiene als Aushängeschild der Gemeinde besondere Aufmerksamkeit. Uringestank dürfte es dort nicht geben.

Klaus Träger sagt, der Bahnhof verdiene als Aushängeschild der Gemeinde besondere Aufmerksamkeit. Uringestank dürfte es dort nicht geben.

(Foto: Claus Schunk)

Was die S-Bahn betrifft, appelliert Mayer vor allem an die Mündigkeit der eigenen Bürger: Sie seien schließlich diejenigen, die für die angebliche "Vermüllung" verantwortlich seien. Und über den Uringeruch in der Unterführung sagt sie: "Das sind Spuren unserer Bürger." Einmal pro Jahr werde die Unterführung mit einem Hockdruckreiniger vom Schmutz befreit. Der Gestank von Urin sei stets nach kurzer Zeit wieder zurück: ein "Perpetuum mobile" sei das.

"Man kann nicht alles auf die Bürger schieben"

Klaus Träger findet: "Man kann nicht alles auf die Bürger schieben." Ungeachtet der Tatsache, dass die Deutsche Bahn AG für die Unterführungen und die Ordnung an den Bahngleisen zuständig ist, vertritt Träger die Meinung, dass trotzdem die Gemeindeverwaltung tätig werden sollte. Mayer entgegnet, sie habe längst mit dem Gymnasium ein Projekt eingefädelt, die Unterführung zusammen mit den Schülern und einem Künstler zu verschönern. Wann genau das umgesetzt wird, steht noch nicht fest.

Träger wünscht sich, dass die Gemeindeverwaltung jemanden auf 450-Euro-Basis anstellt, der die S-Bahn-Haltestelle in Ordnung hält. Der Arbeitskreis habe noch nicht besonders viel bewegen können, sagt er. Viele Anregungen hätten er und seine Mitstreiter an den Gemeinderat übermittelt, doch wenig sei passiert. Bürgermeisterin Mayer habe ihn persönlich aufgefordert, sich mit ihr in Verbindung zu setzen, erzählt er. "Das werde ich jedoch bleiben lassen." Er habe schließlich kein politisches Amt mehr.

Der Streit um den angeblichen Saustall in Höhenkirchen-Siegertsbrunn könnte in den nächsten Sitzungen der Verwaltungsgremien noch einmal Thema werden. Der Sperrmüll in der Nähe des Wächterhofs wurde jedenfalls entsorgt.

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