Das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte:Der Terror vor der Tür

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Julia Sturm hat einen Preis für ihre Seminararbeit bekommen. (Foto: Schunk)

Die Unterhachinger Abiturientin Julia Sturm ist für ihre Seminararbeit über die Todesmarsch-Mahnmale ausgezeichnet worden

Von Christina Hertel, Unterhaching

Pi mal Daumen 182 Tage Arbeit hat Julia Sturm investiert. Sie ging in Archive, in Bibliotheken, führte Interviews, vergrub sich in Büchern. Und es hat sich gelohnt: Für ihre Seminararbeit verlieh der Bayerische Club der ehemaligen Schülerin des Lise-Meitner-Gymnasiums in Unterhaching nun einen Preis.

Sturms Seminararbeit befasst sich mit den Mahnmalen, die zum Gedenken an die Todesmärsche aus dem KZ Dachau und seinen Außenlagern entlang ihres Weges aufgestellt wurden. Mehr als 20 solcher Denkmäler gibt es. Im Landkreis München steht zum Beispiel eines in Grünwald. Sie alle wurden von dem Pullacher Künstler Hubertus von Pilgrim geschaffen, alle sehen gleich aus. Zu sehen ist eine Gruppe von Menschen, dicht aneinander gedrängt, gebückt, mit abgeschorenem Haar.

Dass sich Julia Sturm ausgerechnet dieses Thema ausgesucht hat, ist eher Zufall. Denn anders als früher, als die Seminararbeit noch Facharbeit hieß, können die Schüler nicht mehr ganz frei wählen, welchem Thema sie sich widmen wollen. Sie belegen vorher ein so genanntes W-Seminar, das bereits ein Überthema hat. In Sturms Fall war das "Denk mal! Denkmäler in Bayern". Die Richtung was also schon klar. Dann hat eine Bekannte Sturm von den Denkmälern in der Region erzählt. "Je mehr ich mich mit dem Thema befasst habe, desto spannender wurde es für mich", sagt das Mädchen mit dem braunen Lockenkopf, dem man ansieht, dass es sich für eine Sache begeistern kann.

Initiiert wurden die Mahnmale von der Gemeinde Gauting. Sie sollen an den Leidensweg der Häftlinge erinnern. 1989 wurde das erste und 2005 das letzte eingeweiht. Jahr für Jahr finden Gedenkzüge zu den Mahnmalen statt. Julia Sturm nahm an einem solchen Gedenkzug teil, sie traf Überlebende, wenn auch nur kurz. "Solche Geschichten kann man freilich nicht im Vorbeigehen erzählen." Bewegt hat Sturm auch der lokale Aspekt ihrer Arbeit: "Durch die Denkmäler wird der Terror vor unserer Haustür sichtbar." Wie schwer es aber für Menschen war, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, versteht die 18-Jährige erst jetzt. Sie studierte den Briefwechsel zwischen den Gemeinden und las, dass viele zuerst nicht bereit waren, ein solches Denkmal in ihrem Ort zu errichten. ",Es muss ein Vergessen eintreten' oder ,Wir haben schon ein Denkmal' waren solche Ausreden."

Für ihre Arbeit und für die Präsentation danach hat Sturm 15 Punkte bekommen. Ihre Lehrerin schlug sie für den Preis vor, der vom Bayerischen Club und dem Kultusministerium für Arbeiten zur bayerischen Geschichte, Gegenwart oder Kultur vergeben wird. Außer Sturm wurden noch sechs weitere bayerische Abiturienten ausgezeichnet, in den verschiedensten Fächern. Ein Gilchinger Abiturient wurde beispielsweise für seine Untersuchung der Schweinsbratenkruste im Fach Chemie ausgezeichnet

Doch Julia Sturm hat sich nicht wegen des Preises oder der Noten so viel Mühe gegeben. Sie hat der Ehrgeiz gepackt, weil sie einfach die Geschichte um das Denkmal so interessant fand. Und auch das Schreiben machte ihr Spaß. "Ich habe über jeden Satz dreimal nachgedacht, ob er auch schön klingt." Deshalb studiert sie von diesem Semester an Geschichte und Politikwissenschaften in München. Ihr Ziel: Journalistin werden.

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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