Crosby, Stills & Nash beim Tollwood:Heilige Messe unterm Zeltdach

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Von Entzückung in verbrauchten Gesichtern und vergangenen Zeiten: Tollwood feiert einen perfekten Abschluss - mit Sonnenschein und einem Konzert von Crosby, Stills & Nash.

Lars Langenau

Tollwood, das ist eigentlich ein Synonym dafür, dass der Sommer in München Pause macht. Sobald die Zelte des überdimensionierten Hippiefestivals in den vergangenen Jahren im Olympiapark aufgebaut waren, verwandelte sich München und Umgebung in eine einzige Schlammpfütze. Regen, Stürme, Kälte. Dieses Jahr hatten die Veranstalter Glück. Und trotzdem schien es fast wie ein Tribut an die Schlammschlachten der vergangenen Jahre, dass eine Band wie Crosby, Stills & Nash (ohne Young) das Abschlusskonzert geben durfte.

Geben keine Konzerte, sondern feiern Messen: Graham Nash und David Crosby. (Foto: ap)

Denn diese oft heillos zerstrittene kalifornische Supergroup spielte schon in Woodstock anno 1969 - und auch dieses gigantische, nicht wiederholbare Festival ging ja bekanntlich baden. Knietief im Schlamm entstand der Ruhm von Love & Peace.

Crosby, Stills & Nash also. Drei ältere Herren, die Nachgeborene zu dem Satz verleiten, dass die nicht wie Hippies aussehen würden. Eher wie drei gesetzte Physiklehrer. Und einer jüngeren Besucherin entfährt es angesichts des Publikums: "Mein Gott, sind die alle alt."

Alt, aber oho! Denn da tanzten Hippie-Mütter mit ihren Hip-Hop-Töchtern um die Wette, da wurden gestandenen Herren mit graumelierter Haarpracht die Augen feucht. Selbst die wenigen anwesenden jungen Damen gerieten bei Gassenhauern wie "Marrakesh Express", "Teach Your Children" oder "Judy Blue Eyes" in einen Zustand nahe der Ekstase.

Aus der Zeit gefallen

Die drei Herren taten ihnen den Gefallen, die Vergangenheit für mehr als zweieinhalb Stunden in die Gegenwart zu heben. Da machte es auch gar nichts, dass Neil Young fehlte, der dem Trio in einer Hassliebe verbunden war und ist.

Das hier, das ähnelte tatsächlich eher einer heiligen Messe unterm Zeltdach anstatt einem gewöhnlichen Konzert. Natürlich für einen happigen Eintritt von 61 Euro an der Abendkasse, aber das Kirchengeld wurde offenbar gern gezahlt.

Die Songs der unglaublichen Drei begleiteten unter anderem die Anti-Vietnam-Demos, Protestmärsche gegen Rassendiskriminierung und die Anti-AKW-Bewegung. Und sie sind noch immer zeitgemäß. Nash stimmte einen neueren Folksong gegen den religiösen Wahnsinn in der Welt an: "Gott, kannst Du mir helfen gegen mein Leiden? Kannst Du nicht das Töten in Deinem Namen beenden?"

(Stephen) Stills, (David) Crosby und (Graham "Willie") Nash spielten in der ihnen eigenen lässigen Eleganz neben ihren eigenen Hits Coverversionen von Bob Dylan, den Beatles und selbst von Michael Stipe. Völlig erlegen war das Publikum bei Hymnen wie "Wooden Ships".

In diesen Momenten können auch Nachgeborene nachvollziehen, wie das Charisma, die lässige Eleganz, der einzigartige, mitreißende Country-Jazz-Folk-Rock von Crosby, Stills & Nash einst 17-jährige Mädchen fast um den Verstand gebracht hatten. Aber so ist das eben bei den Dreien: Sie geben keine Konzerte mehr, sondern feiern Messen. Heilige Messen.

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