Carl-Orff-Gymnasium:Rammstein mit Streicherklängen

Lesezeit: 2 min

Musikalisch und optisch ein Vergnügen: Hier interpretieren Schülerinnen den Trude-Herr-Song "Morgens bin ich immer müde". (Foto: Florian Peljak)

Schüler und Lehrer des Carl-Orff-Gymnasiums präsentieren in Unterschleißheim eine Reise durch ein halbes Jahrhundert deutscher Popmusik - teils mit innovativen Arrangements

Von Cathrin Schmiegel, Unterschleißheim

Sie haben streng genommen nicht viel gemein: Jan Delay, die fünf Herren um die Wise Guys und Till Lindemann - letztgenannter bekannt als Sänger der Band Rammstein, die bei ihren feurigen Bühnenshows das richtige Maß längst verloren zu haben scheinen. Diese These stützt sich alleine auf die diversen Genres, in denen sich die Musik der Männer bewegt: Der eine hat den nasalem Soul auf Deutsch perfektioniert, die anderen können grob als Vokal-Pop-Künstler charakterisiert werden und Rammstein, nun ja, macht, was Rammstein eben macht - die Bandmitglieder sind quasi die bekannteste Vertreter des martial-musikalischen Subgenres "Neue Deutsche Härte". Betrachtet man diese Künstler globaler, gibt es aber doch eine Gemeinsamkeit: sie alle sind nicht unwesentlicher Bestandteil der deutschen Musiklandschaft und Musikgeschichte - und sie prägen als erfolgreiche Exponenten teilweise auch das Bild dieses Landes in der Welt.

Gabriel Keeser, Musiklehrer am Carl-Orff-Gymnasium in Unterschleißheim, wollte diesen kleinsten gemeinsamen Nenner herauskehren. Am Dienstag und Mittwoch veranstaltete er deswegen im Unterschleißheimer Bürgerhaus zwei Konzertabende mit dem Titel "Mit freundlichen Grüßen. Reise durch ein halbes Jahrhundert Popmusik in Deutschland". Keeser dirigierte, über 100 Schüler wirkten mit: als Sänger, Tänzer und Instrumentalisten. Alterstechnisch war an diesem Abend die gesamte Spannbreite der Schule vertreten. Die Mitwirkenden besuchten die fünfte bis zur zwölften Klasse. Der Sprung durch die Jahrzehnte und die Stile gelang ihnen sehr gut. Jeder der Zuschauer dürfte etwas gefunden haben, das seinem persönlichen Geschmack entsprochen hat. Geprobt haben die Gymnasiasten dafür seit dem vergangenen Jahr, teils in Einzelunterricht mit Kreese.

Zuerst entführte das Carl-Orff-Gymnasium in die frühen Sechziger: Die Schülerin Julia Deuter legte bei ihrer Interpretation von "Morgens bin ich immer müde" genau so viel dunkle Coolness in ihre Stimme wie einst auch Trude Herr. Hildegards Knefs "In dieser Stadt" gelang Deuter noch besser. Mit nonchalantem schiefem Lächeln brachte sie den Swing sogar in ihre Mimik. Kokett agierte später auch das Vokal-Ensemble Stimmtz. An Bela Bs und Farin Urlaubs ironischem Glitzern in den Augen und den lockeren Sprüchen fehlte es den jungen Männern nicht, bei ihrer A-capella-Version von "Männer sind Schweine", dem großen Hit der Ärzte.

Doch auch Stadionmomente gab es an diesem Abend: Als die Big-Band-Klasse, das Orchester, die COG-Band, der Chor und der Unterstufenchor "New York, Rio, Rosenheim" der Sportfreunde Stiller von 2013 spielten: Über den Köpfen der Zuschauer sprenkelte eine einsame Discokugel Lichtpunkte über den Raum. Statt mit Peter Bruggers schön schiefem Gesang verzauberten die Chöre dieses Mal mit den Zeilen "Knips die Sonne aus, alles muss dunkel sein" die Zuschauer.

Ein weiteres Stück funktionierte an dem Abend sehr gut mit größerer Besetzung als gewohnt: Rammsteins "Engel" von 1998. Statt harscher Gitarren intonierte das Stück ein Streichquartett. Der Solist Andreas Riedl gab mit seiner Interpretation von Lindemanns Gesang dem Stück seine Eindringlichkeit zurück: sein R rollte fast ebenso teutonisch wie das des Sängers. Dass Riedl später als Mitglied der Vokalgruppe Stimmtz ebenso mühelos "Jetzt ist Sommer" von den Wise Guys geben konnte, steht repräsentativ für das breite Spektrum des Konzertabends und die Wandelbarkeit seiner Mitwirkenden. Die Zuschauer konnten noch vielen anderen Stücken der Musikgeschichte lauschen: Udo Jürgens' "Ich war noch niemals in New York", Kraftwerks "Roboter" oder eben Jan Delays "Oh Johnny", das Markus Schmidt sang.

Dass das Feld der Popmusik in Deutschland recht weit zu fassen ist, zeigte der Lehrer Gabriel Kreese mit ein paar Exkursen ins deutsche Nachbarland: Mit "Vienna Calling" von Falco und "Fürstenfeld" von STS gab es bekannte Titel von österreichischen Musikern zu hören. Die sind in Deutschland aber ohnehin selbst zur Institution geworden.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: