Bundestagswahl 2017:Das schwarz-rote Debakel

Bela Bach wird bei der Bundestagswahl vom Sog der SPD-Katastrophe mitgerissen und schafft es wieder nicht in den Bundestag. Die CSU schneidet erschreckend schlecht ab - Grüne, FDP, Linke und AfD triumphieren

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Eigentlich war alles angerichtet für lauter fröhliche, vielleicht strahlende Gesichter. Bei den Sozialdemokraten im Landkreis etwa hatte die Euphorie ja schon im Dezember 2016 eingesetzt. Genauer gesagt: Am 10. Dezember, als die Delegierten der Bayern SPD die Planeggerin Bela Bach bei der Landesversammlung auf Platz 20 der Landesliste für die Bundestagswahl am 24. September wählten. Platz 20. Das müsste doch eigentlich reichen, entsandte doch die Bayern-SPD vier Jahre zuvor 22 Abgeordnete in den Deutschen Bundestag.

Als dann am 24. September, Punkt 18 Uhr auf dem Bildschirm im vierten Stock des Landratsamtes die Balken bei der ersten Hochrechnung nach oben fahren, ist schnell klar, dass das mit den glücklichen Gesichtern nichts werden wird. Zumindest nicht bei allen Anwesenden.

Bela Bach versucht mit maximaler Anstrengung die Fassung zu bewahren. Florian Hahns (CSU) starrer Blick auf den Screen verrät, dass der Zeitpunkt für eine Analyse definitiv noch nicht gekommen ist. Christoph Nadler von den Grünen indes grinst in Vertretung von Anton Hofreiter zufrieden. Gerold Otten von der AfD klatscht kurz mit der stellvertretenden Kreisvorsitzenden Christina Specht ab.

Bundestagswahl 2017: Fassungslose Gesichter bei der CSU-Prominenz: Kerstin Schreyer, Karin Hobmeier, Ernst Weidenbusch sowie Tina und Florian Hahn (von links) ist im Landratsamt der Schock anzusehen, als der Balken der Union bei der ersten Hochrechnung der Bundestagswahl in der ARD bei nur noch 32,5 Prozent hängen bleibt.

Fassungslose Gesichter bei der CSU-Prominenz: Kerstin Schreyer, Karin Hobmeier, Ernst Weidenbusch sowie Tina und Florian Hahn (von links) ist im Landratsamt der Schock anzusehen, als der Balken der Union bei der ersten Hochrechnung der Bundestagswahl in der ARD bei nur noch 32,5 Prozent hängen bleibt.

(Foto: Claus Schunk)

An diesem denkwürdigen Abend verschieben sich die politischen Machtverhältnisse: im Bund, im Freistaat und auch im Landkreis München. Einen Tag später, am 25. September, ist schnell klar, dass der Landkreis statt bisher von nur zwei künftig gleich mit fünf Abgeordneten im 19. Deutschen Bundestag vertreten sein wird. Der Putzbrunner Florian Hahn als erneuter Gewinner des Direktmandats, der grüne Fraktionschef im Bundestag Toni Hofreiter aus Sauerlach, Rückkehrer Jimmy Schulz (FDP) aus Hohenbrunn und der Putzbrunner Gerold Otten für die AfD. Ebenfalls neu dabei ist Eva Schreiber für die Linke, die in der Landeshauptstadt wohnt, aber im Landkreis kandidierte.

Ein sehr buntes Potpourri an Parlamentariern, das die Vielfalt des bevölkerungsreichsten Landkreises Bayerns widerspiegelt, in dem bei einer Wahlbeteiligung von 84,4 Prozent so viele Menschen ihrer Bürgerpflicht nachgekommen sind wie nirgends sonst in der Republik.

Für eine aber endet der 24. September in einer "Katastrophe". In dieser Deutlichkeit beschreibt die Planeggerin Bela Bach das Ergebnis der Sozialdemokraten, die im Landkreis - einst eine ihrer Hochburgen - deutlich unter den eigenen Erwartungen zurückbleiben. Wie auch Bela Bach selbst. Die 27-Jährige verliert bei den Erststimmen deutlich an Zustimmung und kommt nur noch auf 16,3 Prozent (2013: 20,3). Bei den Zweitstimmen wird die SPD (14 Prozent) sogar von den Liberalen überholt, die mit 15,3 Prozent zweitstärkste Kraft werden. Alles in allem entwickelt sich der Abend für die Sozialdemokraten zu einem furchtbaren Debakel: Die bayerische SPD schickt nur noch 18 Abgeordnete nach Berlin - Bela Bach ist dementsprechend nur zweite Nachrückerin auf der Landesliste.

Bundestagswahl 2017: Die Daten werden nicht besser: Der SPD-Kandidatin Bela Bach ist am Wahlabend der Frust anzumerken.

Die Daten werden nicht besser: Der SPD-Kandidatin Bela Bach ist am Wahlabend der Frust anzumerken.

(Foto: Claus Schunk)

Die Speerspitze der Kreis-CSU zieht sich indes kurz nach der ersten Hochrechnung zum Krisengespräch zurück: Landrat Christoph Göbel, der Haarer Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch und Florian Hahn beraten in einem Nebenraum, wie sie mit einem Zweitstimmenergebnis von nur noch 37,3 Prozent umzugehen gedenken. Monate später wird klar, dass sie auch darauf hinarbeiten, einen Satz wahr werden zu lassen, den ein hochrangiger Christsozialer noch am Wahlabend sagt. Als Horst Seehofer vor die Kameras tritt und eine intensive Aufarbeitung des Debakels verspricht, sagt dieser: "Aber sicher nicht mit dir." So wird es jetzt auch kommen.

Jimmy Schulz, der Direktkandidat der FDP, kann sich vier Jahre nach dem Ausscheiden vor allem auf seine Klientel im Isartal verlassen; in Grünwald holen die Liberalen satte 27,5 Prozent der Zweitstimmen - und Schulz ist auch dank des starken Abschneidens im gesamten Landkreis zurück in Berlin. Dort sitzt er mittlerweile nah bei Gerold Otten von der AfD, die im Landkreis schlechter abschneidet als im Bundes- und Landesdurchschnitt. 9,4 Prozent wählen im Landkreis die AfD, bayernweit sind es 12,4.

Erst am Montag, als in den Parteizentralen längst das Ergebnis analysiert wird, erfährt Eva Schreiber, dass auch sie über die Landesliste in den Bundestag eingezogen ist. Die Linke ist die einzige Frau, die den Landkreis in Berlin vertreten wird.

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