Bürgerschaftliches Engagement:Rückenwind für das Nordlicht

Bürgerschaftliches Engagement: Das Ruder herumgeworfen: Der Kurs von Theaterchef Matthias Riedel findet Anklang bei Gudrun Tomlinson, Ulrike Holtappel und Horst Aßmann (v. li.).

Das Ruder herumgeworfen: Der Kurs von Theaterchef Matthias Riedel findet Anklang bei Gudrun Tomlinson, Ulrike Holtappel und Horst Aßmann (v. li.).

(Foto: Claus Schunk)

Matthias Riedel kann als Leiter des Kleinen Theaters Haar auf die Unterstützung eines wachsenden Freundeskreises bauen

Von Bernhard Lohr, Haar

An einem regnerischen Mittwochabend bietet sich der kurze Weg nach Hause an. Schnell auf die Couch, und dann den Arbeitstag ausklingen lassen. Doch in Haar zieht es viele an diesem trüben Tag ganz woanders hin. Immer wieder huscht noch jemand rein ins Kleine Theater, klappt den Schirm zusammen und klopft die Füße ab. Im Café spielt Titus Waldenfels an der Gitarre. Er hat zum "Feierabend im Theater" seine kleine Band dabei. Silvia-Maria Jung singt Swing, Country und "Bayerische Breziosen": freche Lieder und dazu ein Drink und Fingerfood in entspannter Atmosphäre. 50 Freunde der Kleinkunst bevölkern die Tische.

Das Kleine Theater macht sich unter seinem neuen Leiter Matthias Riedel, der mit neuen Programmideen und seiner lockeren norddeutschen Art die Menschen für sich und sein Projekt einzunehmen versteht. An diesem Abend sieht er schon, dass es wieder läuft. "Das Café wird heute wieder voll sein", sagt er, "die Leute werden sich wieder ein Stück wie zu Hause fühlen." Das Kleine Theater gewinnt gerade mit seinen Mittwochveranstaltungen fleißig an Freunden hinzu. Und die, die dem Haus schon lange die Treue halten, ziehen zufrieden Bilanz.

In den vergangenen Jahren bildete sich ein Freundeskreis heraus, der die Einrichtung auf dem ehemaligen Gelände des Isar-Amper-Klinikums begleitet. Seit sich die Klinik zurückzieht aus dem Areal, muss die Kultureinrichtung unter dem Dach des Sozialpsychiatrischen Zentrums des Bezirks (SPZ) lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Als sich am 17. Februar 2016 der Freundeskreis als Verein konstituierte, herrschte noch die Sorge vor, dies könnte schiefgehen.

Mittlerweile ist die Sorge reger Geschäftigkeit gewichen. Riedel hat sich vor Beginn des Mittwochskonzerts Zeit genommen und sitzt gut gelaunt mit dem Vorsitzenden des Freundeskreises, Horst Aßmann, dessen Stellvertreterin Ulrike Holtappel und Vorstandsmitglied Gudrun Tomlinson in einem Besprechungsraum im ersten Stock des Theaters und erzählt von Neuerungen, die er eingeführt hat, von dem sozialen Auftrag des Kleinen Theaters und der vorsichtigen Öffnung zur Populärkultur, für die die Auftritte des Chiemgauer Volkstheaters exemplarisch stehen.

Mancher im Freundeskreis sah den neuen Kurs anfangs skeptisch. Aßmann macht daraus kein Geheimnis. Doch er hat gesehen, wie professionell diese Leute vom Bauerntheater arbeiten. Er hat amüsante Aufführungen erlebt und vor allem Vertrauen gewonnen, dass Riedel als Theaterchef nicht seinen Anspruch aus den Augen verliert, nur um Publikum anzulocken. Als letztens Bierbänke aufgestellt werden mussten, weil erstmals im Theatersaal ein Starkbierfest stattfand, halfen die Freunde des Kleinen Theaters stundenlang mit. Sie sind genauso präsent, wenn nach einer Theatervorstellung umgebaut werden muss, weil jemand die Räume für eine Hochzeit angemietet hat. Aßmann lobt den im August 2015 installierten Theaterchef: "Matthias Riedel hat als neuer Chef wirklich das Ruder herumgeworfen." Der Freundeskreis habe sich zur Aufgabe gemacht, diesen mit "bürgerschaftlichem Engagement" zu unterstützen.

Als Aßmann das erste Mal ins Kleine Theater ging, war das noch ein Geheimtipp. Er wohnte in Ottendichl und hatte nahe dem Haarer Bahnhof seinen Arbeitsplatz. Er musste irgendwann reinstolpern in das an der Leibstraße gelegene Theater. Er lernte das Kleinkunst-Programm kennen und schätzen und als das unter Riedels Vorgängerin zurückgefahren wurde, wurde ihm das Theater fremd. Heute gibt es Hochzeiten, Bauerntheater und Konzerte - zugleich lebt aber die Kleinkunst wieder auf. Der Blick in das soeben veröffentliche Herbst- und Winterprogramm zeigt das mit Auftritten von Sandra Kreisler und Roger Stein ("Wortfront"), Frederic Hormuth und auch Christian Ude, der mit seinem Alter Ego Uli Bauer mit dem Programm "Der doppelte Ude" gastiert. Aßmann sagt, der Verein wolle jetzt mit anpacken, und ideelle und finanzielle Hilfe leisten. Besonders liege ihm daran, das Kleine Theater im Ort "sichtbar zu machen".

Aßmann und auch Ulrike Holtappel halten das Kleine Theater für ein bisher zu wenig beachtetes Kleinod, bei dem es nicht dem Zufall überlassen werden darf, ob es von kulturell Interessierten entdeckt wird. Sie begrüßen es, dass jetzt ganz praktisch auch mit Transparenten und Wegweisern offensiver auf das Haus hingewiesen wird. Holtappel macht ihre Begeisterung für das Theater am Gebäude fest. Es sei "einfach dieses Haus" im Jugendstil, sagt sie. Vor 25 Jahren habe sie das "Original" als Neubürgerin in Haar entdeckt. Sie genießt, dass sich dort jetzt wieder mehr rührt. "Ich bin im letzten Jahr so oft dagewesen wie in den 24 Jahren vorher." Früher habe es mehr mentale Barrieren gegeben, weil viele das Theater als Teil der Klinik gesehen hätten, sagt Holtappel und spricht von "Berührungsängsten".

Um die 70 Mitglieder zählt heute der gemeinnützige Freundeskreis-Verein, ohne Berücksichtigung von Familienangehörigen. Eben erst hat der Freundeskreis Riedel 4150 Euro übergeben, mit denen 2017 gezielt Projekte im Bereich der Inklusion und für Kinder unterstützt wurden. Geld floss in Aufführungen beim Zamma-Kulturfestival des Bezirks, wie etwa in ein klassisches Konzert rund um Geschichten psychisch erkrankter Musiker. Inklusive Kinderkonzerte wurden ermöglicht und eine Aufführung mit dem Theater Apropos, bei der sich Menschen mit psychischen Erkrankungen und in der Psychiatrie professionell Tätige ohne therapeutischen Anspruch begegnen konnten.

Aber der Freundeskreis, den es übrigens parallel zum Verein auch noch in loser Form gibt, wirbt mit Infoständen für das Theater bei Veranstaltungen in Haar und übernimmt auch mal Arbeitskosten, wenn Reparaturen anstehen. Man organisiert selbst Veranstaltungen, wie Vorstandsmitglied Roland Karasek, der ein Weißwurstfrühstück eingeführt hat. Vereinsmitglieder stehen bei den Mittwochs-Veranstaltungen hinter der Theke und bedienen. Wie sagt das bekennende Nordlicht Riedel: "Es segelt sich leichter, wenn man Rückenwind hat."

Der als gemeinnütziger Verein eingetragene Freundeskreis Kleines Theater steht neuen Mitgliedern offen, 20 Euro zahlen Einzelpersonen im Jahr, 40 Euro Familien. Beim Ticketkauf im Theaterbüro erhalten Mitglieder zehn Prozent Ermäßigung.

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