Bürgerentscheide:Zwei Meilensteine

Kirchheims Bürger stimmen für eine neue Ortsmitte - die Münchner bescheren Unterföhring den vorzeitigen Kohleausstieg

Von C. Hertel, S. Wejsada, Kirchheim/Unterföhring

Heizkraftwerk München Nord in Unterföhring, 2017

Die Münchner haben mehrheitlich für die Abschaltung von Block 2 im Heizkraftwerk gestimmt.

(Foto: Florian Peljak)

40 Jahre lang haben Gemeinderäte und Bürger gestritten: Soll zwischen Kirchheim und Heimstetten ein neues Zentrum mit vielen Geschäften entstehen? Oder hauptsächlich Einfamilienhäuser? Oder gar nichts von all dem? Seit Herbst ist der lange Streit beendet. Es steht fest: Die Ortsteile Kirchheim und Heimstetten bekommen eine neue Mitte. Darüber sind sich seit dem 24. September nicht nur die Gemeinderäte mehrheitlich einig. Auch fast Dreiviertel der Wähler stimmen bei einem Bürgerentscheid dafür.

Zwischen Kirchheim und Heimstetten entstehen nun bis 2030 ein großer Ortspark, ein Gymnasium, Kinderbetreuungseinrichtungen, ein Rathaus, 900 Wohnungen und 330 Eigenheime. Dort sollen etwa 3300 Menschen einziehen. Nur 28,2 Prozent sprechen sich bei dem Bürgerentscheid gegen diese Pläne aus. Dass so eine große Zustimmung zustande kommt, liegt wohl auch an der intensiven Überzeugungsarbeit, die Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) und die Gemeinderäte von CSU, SPD, FDP und ÖDP das Jahr über geleistet haben. Im Sommer findet fast jede Woche eine andere Veranstaltung statt, bei der sich die Anwohner einbringen können. Auch auf die Gegner des Projekts - von den Grünen und den Gruppierungen VFW und LWK - geht der Bürgermeister nach der Entscheidung zu und hört sich deren Bedenken an.

Drei große Anregungen werden wohl verwirklicht, wie Rathauschef Böltl ankündigt. Die Querung durch den Park könnte anders verlaufen, die alte Turnhalle beim Gymnasium erhalten werden und die Anbindung am Seniorenzentrum anders aussehen. "Die Bürger können sich mit Anliegen weiterhin melden", sagt Böltl. Denn los geht die Baustelle im nächsten Jahr noch nicht. Es erfolgt bloß der Spatentisch für das Haus für Kinder. Ansonsten wird 2018 weiter geplant und verhandelt. Damit die Ortsteile Kirchheim und Heimstetten endlich zusammenwachsen können.

Keine sechs Wochen später sind die Münchner zur Wahlurne gerufen und stimmen in einem Bürgerentscheid über die vorzeitige Abschaltung des Kohleblocks im Heizkraftwerk München Nord ab, das auf Unterföhringer Flur steht. Das Votum vom 5. November fällt deutlicher aus als erwartet: 60,2 Prozent der Wähler sprechen sich dafür aus, den Block 2 im Heizkraftwerk bereits zum 31. Dezember 2022 stillzulegen. Das nötige Quorum von mindestens 111 000 Ja-Stimmen wird beim Entscheid sogar um knapp 7000 übertroffen. Von den insgesamt mehr als 1,1 Millionen stimmberechtigen Münchnern gehen nur wenige zur Wahl: Mit nur 17,8 Prozent ist die Beteiligung gering.

Den Befürwortern des früheren Kohleausstiegs ist das egal: Der Sieg beim Bürgerentscheid sei "ein Meilenstein aktiver Klimaschutzpolitik", sagt etwa ÖDP-Landesvorsitzender Klaus Mrasek. Seine Partei ist Motor des Aktionsbündnisses "Raus aus der Steinkohle" gewesen. Lange Gesichter dagegen bei den Stadtwerken München, die das Heizkraftwerk betreiben. Sie beklagen einen großen finanziellen Verlust durch den Ausstieg.

In Unterföhring atmen die Kommunalpolitiker und Bürger nach dem Votum auf. Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU) ist froh darüber, dass die Münchner so entschieden haben. "Ich hoffe allerdings, dass der Stadtrat und der OB sich auch daran halten und es nicht ein Jahr liegen lassen, um dann zu sagen, dass das Ergebnis nicht mehr bindend sei", sagt er. Gleichzeitig sichert der Rathauschef "volle Unterstützung" aus Unterföhring zu, was den möglichen Bau eines Ersatz-Gaskraftwerks durch die Stadtwerke am selben Standort betrifft.

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