Bürgerentscheid Pullach:Sieger und Verlierer reichen sich die Hand

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Nach dem Bürgerentscheid beschwören beide Seiten in Pullach, zur Sacharbeit zurückkehren zu wollen. Deutlich wird aber auch: Manche Gräben, die der Konflikt gerissen hat, werden nicht mehr zu schließen sein.

Von Michael Morosow, Pullach

Man kennt es vom Boxsport, dass Kontrahenten zuerst aufeinander eindreschen, um sich nach dem Schlussgong wie Freunde in die Arme zu fallen.

Am Sonntag ist auch in Pullach ein lange geführter Kampf zu Ende gegangen, bei dem die Gegner über Wochen hinweg verbal aufeinander eingeschlagen hatten. Aber sowohl die Gewinner des Bürgerentscheides um einen kommunalen Wohnungsbau, die Fraktionsmitglieder von CSU, FDP, Grünen und SPD, als auch die Verlierer von der Wählergemeinschaft Wir in Pullach (WIP) waren am Abend der Abstimmung weit entfernt von einer solchen sportlichen Geste.

Beim Bürgerentscheid waren auch einige ungültige Stimmzettel dabei. (Foto: Claus Schunk)

In einem Punkt aber sind sich die Kontrahenten einig: "Wir müssen jetzt schnell zur Sacharbeit zurückfinden", heißt es aus beiden Lagern. Zu groß und zu bedeutend für den Ort seien die Herausforderungen, vor denen Rathaus und Gemeinderat stünden, die Ortsentwicklungsplanung etwa, die Nutzung des BND-Geländes oder Schul- und Schwimmbadbau.

"Ich würde mir wünschen, dass wieder sachlich diskutiert werden kann", sagte WIP-Gemeinderätin und Zweite Bürgermeisterin Cornelia Zechmeister kurz nach der Auszählung. Sprecher der vier Fraktionen reichen zumindest in diesem Sinne der WIP-Fraktion die Hand und beteuern ihre Absicht einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Wählergemeinschaft. Aber dass so schnell die Gräben überbrückt werden können und das gegenseitige Vertrauen wieder vollends hergestellt werden kann, glauben nur wenige. Für das ambivalente Verhältnis ist die Haltung des FDP-Fraktionsvorsitzenden Johannes Burges beispielhaft: "Ich würde mich freuen, wenn die Gräben wieder zugeschüttet werden würden", sagt er. Aber mit seinem langjährigen Freund, dem WIP-Fraktionsführer Reinhard Vennekold, will er nichts mehr zu tun haben.

Wollte die WIP der Bürgermeisterin schaden?

Dass die Auseinandersetzung derart ausgeartet sei und so tiefe Gräben gerissen habe, sei von ihm und der ganzen WIP nicht gewollt gewesen, sagte Vennekold. Ihm sei nun sehr daran gelegen, dass wieder zur Sacharbeit zurückgefunden werde. Auch Architekt Wilhelm Wülleitner (Grüne), wegen dessen angeblichen privaten Verwicklung beim Bau des umstrittenen Wohnhauses die WIP eine Anfrage an die Aufsichtsbehörde gestellt hatte, wünscht sich eine Rückkehr zur "normalen Sacharbeit". Alle seien angetreten, um Pullach nach vorne zu bringen. Er habe jetzt keine Vorbehalte mehr, sagt Wülleitner, aber er glaube zu wissen, dass es der WIP in erster Linie gar nicht um den Hausbau gegangen sei, sondern darum, "der grünen Bürgermeisterin zu schaden".

Vor allem die SPD-Fraktion reicht der WIP die Hand. "Keine Eskalationen mehr, die sind für niemanden schön und für alle belastend", sagte Arnulf Mallach bereits am Wahlabend. Der Graben könne wieder geschlossen werden. Jedoch sei dazu die WIP gefordert, die den Tonfall vorgegeben habe. SPD-Fraktionsführer Holger Ptacec geht noch einen Schritt weiter: "Strich drunter", sagt er, "ohne weitere Vorbehalte und ohne Groll." Die SPD wolle zur Sacharbeit zurückkehren, "und dazu ist uns jede andere Fraktion willkommen". Schwimmbad und Schule seien nun die wichtigsten Bretter, die gebohrt werden müssten, und er hoffe, dass gerade für das Schwimmbad noch in der laufenden Wahlperiode der erste Spatenstich gesetzt werden könne. Dies sei ein ehrgeiziges Ziel und vertrage keine weiteren zeitlichen Verzögerungen.

Am Ende war die Freude groß. (Foto: Claus Schunk)

Am Sonntag hatte sich Andreas Most (CSU) noch erleichtert darüber gezeigt, dass sich "die Sacharbeit und nicht der Populismus" durchgesetzt habe. Tags darauf mahnte er eine Versachlichung der Diskussionen an. Die Gemeinde habe "so vieles vor der Brust", so etwa die Ortsentwicklungsplanung, sagte Most. Deshalb sei es jetzt dringend erforderlich, im Gemeinderat ein paar Zeichen zu setzen. Er würde gerne ähnliche Auseinandersetzungen wie zuletzt mit der WIP wegen des Wohnhausbaus vermeiden. "Sonst haben wir wegen eines jeden Verkehrsschildes ein Bürgerbegehren." Was andere dabei nicht sehen würden, sei die große Belastung, die die Organisation eines Bürgerbegehrens für das Rathaus mit sich bringe. 64 Wahlhelfer seien am Sonntag im Einsatz gewesen, die Hälfte davon Gemeindemitarbeiter.

830 Stimmzettel waren ungültig. (Foto: Claus Schunk)

Über den Stand der Ortsentwicklungsplanung können sich die Interessenten von diesem Dienstag, 27. Februar, bis Sonntag, 4. März, in einer Ausstellung im Bürgerhaus informieren. Eröffnet wird die Ausstellung um 18 Uhr mit einem Vortrag des Planungsteams.

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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