Bestürzung über Bluttat:Tage der Tränen

Nach dem Amoklauf trauern die Menschen im Landkreis um die Todesopfer und sagen Veranstaltungen ab. Einige der Erschossenen stammen aus dem Umland, gingen hier zur Schule oder spielten in Fußballvereinen

Nach dem Amoklauf mit neun Todesopfern und zahlreichen Verletzten im Olympia-Einkaufszentrum haben auch die Menschen im Landkreis inne gehalten: Einige der Erschossenen stammen aus dem Umland, gingen hier zur Schule oder spielten in Fußballvereinen. Getrauert wurde an diesem Wochenende in allen Kommunen des Landkreises. Vielerorts wurden die für Samstag oder Sonntag geplanten Veranstaltungen und Feste abgesagt. Aus Pietätsgründen und aus Mitgefühl für die Opfer und ihre Familien, wie etwa der Unterföhringer Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer sagte. In der Stadtrandgemeinde hätte am Sonntagnachmittag ein Fest für die Bevölkerung am Bürgerhaus stattfinden sollen. "Das wäre mehr als unpassend gewesen. Wir sind mit unseren Gedanken bei den Betroffenen." Ähnlich äußerte sich der Ottobrunner Rathauschef Thomas Loderer: Aus Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen wurde das Kultur-Sommerfest am Samstag abgesagt. "Die Ottobrunner Bürgerinnen und Bürger trauern um die getöteten Menschen, unser Mitgefühl gilt ihren Angehörigen. Den Verletzten wünschen wir Gesundung an Leib und Seele."

Unter den Todesopfern des Attentats am Münchner Olympia-Einkaufszentrum ist auch der 20-jährige Dijamant Z. aus dem Oberschleißheimer Ortsteil Lustheim. Seine Familie hat eine Trauerseite auf Facebook gestellt. Der gebürtige Kosovare machte eine Ausbildung am Münchner Flughafen. Unmittelbar nach Veröffentlichung der Nachricht wurden am Wohnhaus der Familie an der Hochmuttinger Straße in Lustheim Kerzen und Blumen niedergelegt. Der Oberschleißheimer Bürgermeister Christian Kuchlbauer sprach der Familie sein Beileid aus.

Auch die Fußballvereine im Landkreis trauerten. Vor dem Regionalliga-Fußballspiel zwischen der SpVgg Unterhaching und dem VfR Garching gab es Worte des Gedenkens von BFV-Präsident Rainer Koch, dann erklang die Nationalhymne. Die Partie hatte am Samstagvormittag unmittelbar vor der Absage gestanden. "Die Kernfrage war, ob genügend Polizisten zur Verfügung stehen würden, um dieses Spiel sicher über die Bühne zu bringen", sagte SpVgg-Präsident Manfred Schwabl. Es sei aber auch der explizite Wunsch des BFV-Präsidenten gewesen, "nicht einzuknicken", so Schwabl. Zudem seien die mehr als 300 Kinder, die der Verband eingeladen hatte, um sie beim Regionalligaspiel für ihre errungenen Meisterschaften in der abgelaufenen Saison zu ehren, zum Teil schon auf dem Weg nach Unterhaching gewesen. Letztlich habe die Polizei dann grünes Licht gegeben, die Partie konnte stattfinden. Die SpVgg Unterhaching ist aber auch sehr direkt von den Folgen des Amoklaufes betroffen. Eines der Opfer, der 14 Jahre alte Can L. aus München, hat die Mittelschule neben dem Sportpark besucht und ist dort in eine der Fußball-Eliteklassen gegangen. "Er ist zum Teil von unseren Trainern trainiert worden", sagte Schwabl.

Bestürzung über Bluttat: Terrorlage mit Folgen auch für den Landkreis. Die Polizei kontrollierte an den Ausfallstraßen jedes Auto, auch im Münchner Umland.

Terrorlage mit Folgen auch für den Landkreis. Die Polizei kontrollierte an den Ausfallstraßen jedes Auto, auch im Münchner Umland.

(Foto: Claus Schunk)

"Die Bestürzung ist groß", sagte auch Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer. Noch am Samstag seien alle Klassenkameraden in der Schule zusammengeholt worden, wo sie vom Tod ihres Mitschülers erfuhren. Seitdem kümmert sich ein Kriseninterventionsteam um die Jugendlichen. Zudem hat die Schule auch die Eltern in einem Elternbrief informiert und im Schulgebäude einen Trauerraum eingerichtet. Die Lehrer würden in ihrer Konferenz am Montag sicher auch besprechen, wie man die Kinder nach dieser schrecklichen Tat begleiten kann. Eine Mitarbeiterin des Kriseninterventionsteams habe geraten, man solle schauen, "einen möglichst geregelten Tagesablauf zu gestalten". Auch eine Trauerfeier für den jungen Mann werde es geben. Der Bürgermeister konnte aber noch keinen Termin nennen, das müsse die Schule entscheiden.

Auch im nordöstlichen Landkreis trauern Fußballer mit einem ihrer Kollegen: Die Schwester von Arbnor S., der bis zur Sommerpause beim FC Unterföhring spielte, ehe er nun zum FC Pipinsried in den Dachauer Landkreis wechselte, ist ebenfalls unter den Opfern. "Armela - unsere geliebte Tochter, Schwester, Freundin und in erster Linie ein geliebter Mensch ist heute durch den Amoklauf in München ums Leben gekommen. Wir lieben dich, Engel", schrieb Arbnor S. auf seiner Facebook-Seite. Das für Samstag angesetzte Heimspiel des FC Unterföhring wurde ebenso wie alle anderen Partien Unterföhringer Mannschaften an diesem Wochenende abgesagt. Und auch in Aschheim ist man betroffen: Der 19-jährige Giuliano K., bis zur vergangenen Saison Torhüter der zweiten Mannschaft des FC Aschheim gehört zu den Todesopfern von Freitag.

Während viele Großereignisse abgesagt wurden, haben sich andere bewusst entschieden, ihre Veranstaltung stattfinden zu lassen. So zum Beispiel in Sauerlach, wo sich am Samstag Cheerleader in der Mehrzweckhalle zu einem Wettbewerb trafen. Kurzzeitig stand im Raum, die seit Monaten geplanten Southern Cheer & Dance Classics (SCDC) abzusagen. Die Veranstalter schlossen sich trotz vereinzelter Zweifel bei Eltern der Einschätzung der Polizei an, dass für die Bevölkerung weiter keine Gefahr mehr bestehe.

Bestürzung über Bluttat: Ein trauriges Münchner Kindl postet die Gemeinde Haar, die auch an ihre Schüler erinnert, deren Feier im Bayerischen Hof ein jähes Ende fand.

Ein trauriges Münchner Kindl postet die Gemeinde Haar, die auch an ihre Schüler erinnert, deren Feier im Bayerischen Hof ein jähes Ende fand.

(Foto: Kim McMahon)

Die Geschehnisse vom Freitagabend waren aber allgegenwärtig. Die Veranstaltung begann mit einer Schweigeminute, die Mannschaften trugen Trauerflor. Bevor die junge Sportlerin Maggy der Green-Storm-Cheer aus Unterhaching auf der Matte ihre Flic-Flacs und Salti zeigt, legte sie ein Schild mit der Aufschrift "Pray for Munich" an den Mattenrand. Maggys starker Auftritt war von großem Jubel begleitet. Strahlende Gesichter gehören zum Cheerleading-Sport wie Athletik, Bässe aus den Lautsprechern und Anfeuerungsrufe. Doch all das vermochte nicht aus den Köpfen zu vertreiben, dass nur Stunden vorher junge Menschen gestorben sind. "Wir sind traurig und wütend", war auf der Facebook-Seite der Green-Storm-Cheerleaders zu lesen. Auf einem Bild mit einer Kerze ist "I'm Munich" zu lesen.

Überhaupt dienten die sozialen Netzwerke nach der Bluttat als Plattform der Trauer. Politiker, Kommunen und Vereine bekundeten ihre Anteilnahme. So auch Haar: Unter dem Titel "Minga - Haar ist bei Dir" äußerte die Gemeinde ihr Mitgefühl: "Eine Nacht voll Bangen liegt hinter uns. Wir sind in Gedanken bei all denen, die von der Bluttat direkt oder indirekt betroffen sind. Wir dachten auch an unsere Schüler der Realschule Vaterstetten, die gestern ihren Abschluss im Bayerischen Hof feiern wollten und dort dann erst mal fest saßen. Glücklicherweise konnte Entwarnung gegeben werden - das zu verdauen, wird wohl dauern."

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