Beginn des Ausbildungsjahrs:"Die Leute werden immer Essen brauchen"

Beginn des Ausbildungsjahrs: Metzgerlehrling Patrick Klotzsch (rechts) schüttet das Öl zu den pürierten Putenflügeln. Ausbilder Jens Walter schaut ihm dabei über die Schulter.

Metzgerlehrling Patrick Klotzsch (rechts) schüttet das Öl zu den pürierten Putenflügeln. Ausbilder Jens Walter schaut ihm dabei über die Schulter.

(Foto: Claus Schunk)

Patrick Klotzsch sieht den Beruf des Metzgers als Chance an. Doch viele Lehrstellen in der Lebensmittelbranche bleiben unbesetzt

Von Lenja Hülsmann, Ottobrunn

Patrick Klotzsch steht an dem langen Tisch. Weiße Latzhose, weiße Mütze, weiße Gummistiefel. Sogar die Kacheln an den Wänden sind weiß. Es riecht nach gekochtem und rohem Fleisch, wie Mettwurst. Vor ihm liegt ein gekochter Schweinekopf, die Augenlider sind geschlossen. Er öffnet die rosa-bräunliche Schnauze, entfernt mit den Händen den Unterkiefer, wirft die Knochen in eine blaue Tonne. Dann folgt der Oberkiefer. Die Augenmuskeln des Schweins landen in einem roten Korb. Sie werden später zu Leberwurst verarbeitet. Ekelig findet Klotzsch das nicht.

"Ein bisschen ungewohnt am Anfang", sagt er. Fleisch sei nun mal ein ganz normales Lebensmittel, das von vielen Leuten gegessen wird. Zum Beispiel in Form von Presssack.

Patrick ist Metzger-Lehrling, an diesem Freitag beginnt offiziell seine Ausbildung bei der Metzgerei Franz Schlammerl in Ottobrunn. Weil er zuvor schon eine Lehre zum Fleisch-Fachverkäufer gemacht und Erfahrungen beim Schlachthof München gesammelt hat, konnte der 19-Jährige schon vor Ausbildungsbeginn in der Produktion bei Schlammerl arbeiten. "Ich sehe die Lehre zum Metzger als Chance, mich weiterzuentwickeln", sagt er.

Viele streben ein Studium an

Lehrstellen sind noch zu haben

Zum Beginn des Ausbildungsjahres bleiben 578 der insgesamt 2341 gemeldeten Berufsausbildungsstellen im Landkreis München unbesetzt. Das entspricht einem Rückgang der frei gebliebenen Stellen um 14,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese Daten veröffentlichte die Bundesagentur für Arbeit aktuell. Am begehrtesten waren bei Frauen Lehrstellen als medizinisch-technische Fachangestellte, bei Männern war es der Kfz-Mechatroniker. Ganz oben auf der Liste stehen auch kaufmännische Berufe. Obwohl die Betriebe der Lebensmittel- und Genussmittelherstellung viel Werbung für Ausbildungen als Bäcker oder Metzger machen, können dort viele Plätze nicht vergeben werden. Mehr als ein Drittel der Lehrstellen bleiben frei. Ende 2016 bildeten nur noch zehn Metzgerbetriebe im Landkreis aus, manche in mehreren Filialen. 67 Filialen gebe es im Umland, sagt Jens Christopher Ulrich, Pressesprecher der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Wer noch keinen Ausbildungsplatz hat, muss nicht aufgeben. Er kann sich zum Beispiel bei der "LastMinit"-Ausbildungsmesse im Stadtteilzentrum Hasenbergl-Nordhaide der Münchner Volkshochschule am 9. September informieren. Dort stellen sich von 10 bis 14 Uhr Firmen vor, die noch Lehrlinge suchen. hül

Wie Patrick sehen das aber nur wenige Jugendliche im Landkreis München. Viele seiner Altersgenossen streben ein Studium an oder eine Ausbildung im Büro. Besonders das Lebensmittelgewerbe hat es schwer, Auszubildende zu finden. Zum 1. September bleiben 19 der 52 gemeldeten Stellen unbesetzt. Bis in den Oktober hinein gebe es aber noch für Jugendliche ohne Platz die Möglichkeit, einen Ausbildungsvertrag zu unterschreiben, betont Jens Christopher Ulrich, Pressesprecher der Handwerkskammer für München und Oberbayern.

Dass es immer weniger qualifiziertes Fachpersonal gibt, das bekam auch die Metzgerei Schlammerl im vergangenen Jahr zu spüren. Obwohl das Familienunternehmen zurzeit zwei Lehrlinge ausbildet, sollte 2016 ein neuer Metzger eingestellt werden. Für Anzeigen im Internet und in der Zeitung haben Brigitte und Franz Schlammerl 3000 Euro ausgegeben. "Nicht mal das Telefon hat geklingelt. Es hat sich überhaupt niemand gemeldet", sagt die Metzgermeisterin.

Beginn des Ausbildungsjahrs: Nicht alles am Metzgerberuf ist so ansprechend wie frische Wiener. Auf der Suche nach Ausbildungsplätzen lassen sich viele von der Arbeit mit Fleisch abschrecken.

Nicht alles am Metzgerberuf ist so ansprechend wie frische Wiener. Auf der Suche nach Ausbildungsplätzen lassen sich viele von der Arbeit mit Fleisch abschrecken.

(Foto: Claus Schunk)

Das liegt vor allem daran, dass es nur noch wenig neue Metzgergesellen gibt. "Viele haben einfach ein falsches Berufsbild vom Metzger, vor allem in den Städten. Da heißt es oft, man hätte nichts Besseres bekommen", erzählt Metzgermeister Jens Walter. Er arbeitet seit 20 Jahren bei Schlammerl, bildet die Lehrlinge aus und leitet die Produktion. "Der Beruf des Metzgers ist heute keine Maloche mehr. Wir arbeiten mit großen Maschinen, es ist also gewisserweise auch ein technischer Beruf", sagt Walter.

Patrick Klotzsch macht seinen Job gern. Auch wenn er dafür jeden Morgen um 4.30 Uhr aufstehen muss. Genug Schlaf bekomme er aber trotzdem. "Ich habe meinen Rhythmus und brauche nur sechs Stunden Schlaf. Wenn ich zum Beispiel acht Stunden schlafe, bin ich den ganzen Tag träge", sagt er. Und träge darf er nicht sein, denn der Arbeitstag ist anstrengend. Dennoch hat der 19-Jährige nach Produktionsschluss um 14 Uhr noch genug Elan, seinen Nachmittag zu nutzen.

Im Januar fängt die eigene Tochter im Betrieb an

Im Sommer spielt er dreimal in der Woche Fußball, im Winter wechselt er zu Eishockey. Um nebenbei bisschen Geld zu verdienen, jobbt Patrick regelmäßig im Biergarten in seiner Heimatgemeinde Aying. Seine berufliche Zukunft hat er klar vor Augen: "Ich möchte meinen Meister machen, um dann selbst Azubis ausbilden zu können. Vielleicht mache ich mich auch irgendwann selbständig mit einem eigenen Laden." Denn eines weiß Patrick sicher: "In der Lebensmittelproduktion wird man immer sein Geld verdienen, denn die Leute werden immer Essen und Trinken brauchen."

Die Vielzahl der offenen Lehrstellen im Handwerk, vor allem in der Lebensmittelbranche gibt auch der Handwerkskammer zu denken. "Ohne Auszubildende fehlen dem Handwerk die Fachkräfte von morgen und die Meister und Betriebsnachfolger von übermorgen", sagt Pressesprecher Ulrich. Mit den in Rente gehenden Handwerkern gehe viel Fachwissen verloren, wenn keine jungen Leute den Beruf erlernten. Die Metzgerei Schlammerl hat mit ihren Lehrlingen vorgesorgt. Im Januar fängt die eigene Tochter ihre zweite Lehre im Familienbetrieb an. "Wenn wir wollen, dass unser Betrieb so weiter läuft, müssen wir selbst ausbilden und die Lehrlinge anschließend übernehmen", sagt Brigitte Schlammerl. Die Schulnoten seien für sie kein Kriterium. "Wichtig ist nur, dass der Lehrling den Beruf des Metzgers gerne machen möchte", sagt Ausbilder Walter.

Viele Betriebe im Landkreis haben schon aufgegeben. "Seit zehn Jahren haben wir keinen neuen Azubi mehr eingestellt. Wir finden einfach niemanden", sagt Beate Huber von der Metzgerei Huber in Kirchheim. Es sei ein Problem, dass manche Betriebe ihre Lehrlinge als billige Arbeitskraft ausnutzten und die jungen Leute nichts in ihrer Ausbildung lernten. "Das wirkt sich auf den Ruf aller Metzger-Betriebe aus, auch auf den der guten." Aber es gibt noch andere Gründe. Nicht jede Metzgerei hat die Möglichkeit, eigene Mitarbeiter auszubilden. "Unser Betrieb mit fünf Angestellten ist einfach zu klein, wir könnten uns zeitlich nicht um einen Azubi kümmern", sagt Thomas Schäfert aus Unterföhring. Kaum noch jemand wolle den Beruf von der Pike auf erlernen.

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