Baierbrunn:Vertrauensvorschuss verspielt

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Die amtsmüde Baierbrunner Bürgermeisterin Barbara Angermaier wurde 2014 ohne Gegenkandidatin gewählt. Mit ihrer offenen Art erwarb sie viele Sympathien. Aber weil im Ort wenig voranging, wurde sie zunehmend kritisiert

Von Udo Watter, Baierbrunn

Der Begriff "Landesvater" mag etwas altbacken klingen, aber die politischen Tugenden, die man damit verbindet, sind noch lange nicht aus der Mode. Konziliant und führungsstark ist so ein Landesvater. Einer, der sich kümmert, der im Idealfall über schnöden politischen Partikularinteressen schwebt, der immer das Gesamtwohl des Wahlvolks im Auge hat.

Man tut Barbara Angermaier wohl nicht unrecht, wenn man ihr unterstellt, sie habe als Bürgermeisterin von Baierbrunn ähnlichen Idealen nachgeeifert. Die gelernte Innenarchitektin, die 2014 für die Baierbrunner Interessengemeinschaft (BIG) als Kandidatin angetreten war und in den Chefsessel des Rathauses gewählt wurde, war stets "das Miteinander im Ort" ein Anliegen. Auf vielen Veranstaltungen betonte sie das "Wir-Gefühl" der Gemeinde. Wenn sie über "unsere Baierbrunner Bürger" sprach, hörte mancher gar einen fast zärtlichen Tonfall heraus. Kurzum: Die vierfache Mutter, die gern öffentliche Auftritte im Dirndl absolvierte, hegte quasi landesmütterliche Gefühle für ihre Gemeinde.

Nun hat sie nach gut drei Jahren hingeschmissen. Die Rathauschefin hat beim Gemeinderat einen Antrag auf Entlassung aus dem Bürgermeisteramt gestellt, wie sie am Montag mitteilte. Die Annahme des Gesuchs galt am Dienstag vor der entscheidenden Sitzung als sicher. Als Grund für ihren Entschluss gibt die 1962 geborene Angermaier "massive persönliche Angriffe" und eine "daraus resultierende Belastung" an. Obgleich sich die Gemeinderatsmitglieder fraktionsübergreifend überrascht gaben über Angermaiers Rückzug, kam er nicht völlig aus dem Blauen. Angermaier, die vor ihrer Wahl drei Jahre lang für die BIG im Gemeinderat saß, sonst aber keine konkrete politische Erfahrung hatte, äußerte sich schon bald erstaunt angesichts der vielfältigen und zeitaufwendigen Herausforderungen, die das neue Amt - das sie ehrenamtlich ausführte - mit sich brachte.

Ein Bild aus schöneren Tagen: 2014 wurde Barbara Angermaier ins Baierbrunner Rathaus gewählt. (Foto: Claus Schunk)

Gleichwohl packte sie, die ihr berufliches Motto als "Ganz oder gar nicht" bezeichnete, entschlossen an, wollte Transparenz fördern, eine gesunde Ortsentwicklung und die örtlichen Vereine. Angermaier, die ohne Gegenkandidatin ins Rathaus eingezogen war, konnte auf einen großen Vertrauensvorschuss bauen, doch letztlich wenig von dem umsetzen, was sie vorhatte. Ihre offene Art und ihr freundlicher Umgangston waren das eine - aber Entscheidungen zogen sich oft lange hin oder versandeten in den Tiefen unergiebiger Arbeitskreise. Manche Gemeinderäte vermissten Stringenz und vermuteten, Angermaier nehme sich zu viel vor und verzettele sich. CSU-Gemeinderat Bernhard Ketterl formulierte es mal so: "Wer nicht mehr weiter weiß, bildet einen Arbeitskreis."

Ein Dauerthema war die Erweiterung der Grundschule. Auch hier wurden wichtige Punkte nicht öffentlich diskutiert, sondern in Arbeitskreise ausgelagert, was wohl dazu führte, dass etwa die SPD-Gemeinderätin Michaela Lichtblau 2015 entnervt das Gremium verließ. Spätestens als im Sommer 2016 innerhalb kurzer Zeit die ganze Führungsriege der Gemeindeverwaltung Baierbrunn verließ, stand auch der Führungsstil Angermaiers in der Kritik. Damals warf man ihr vor, mit dem Amt überfordert zu sein und durch "herrisches Auftreten" heftige atmosphärische Spannungen zu schaffen. Angermaier wies die Vorwürfe zurück, aber der Eindruck blieb: Das ist eine, die Transparenz und ein Rathaus der offenen Türen predigt, aber alles kontrollieren will, suboptimal kommuniziert und an der Spitze der Verwaltung mitunter den Überblick verliert. Ob das mit dem neuen Personal wirklich besser klappte, ist nun nicht mehr entscheidend.

Vielleicht wollte die mehrfache Mutter, die sich auch in diversen Ehrenämtern engagiert hat, es zu gut machen. Nicht selten wird sie als perfektionistisch bezeichnet, und ein Vorwurf lautet: Sie hat in bester Absicht unglücklich agiert. Mitunter wirkte Angermaier im öffentlichen Auftreten auch ein wenig unsicher.

Damit kein Missverständnis entsteht: Die Gemeinde Baierbrunn steht nicht schlecht da, kann auf einen soliden Haushalt bauen, Lebens- und Gemeinschaftsgefühl im Isartal sind gut - bei der vergangenen Bundestagswahl haben rekordverdächtige 90 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Angermaier, die in den vergangenen Wochen offenbar mehrmals unpässlich war - an diesem Donnerstag wird die im Oktober abgesagte Bürgerversammlung nachgeholt - scheint jetzt erst mal weitgehend die Öffentlichkeit zu meiden.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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