Baierbrunn:Babacar und seine Patin

Die Schauspielerin Hedwig Rost unterstützt einen Senegalesen, der in seine Heimat zurückgekehrt ist und dort eine Hühnerzucht begonnen hat. Auch dank der Inititative "Baierbrunn hilft"

Von Felix Gömöry, Baierbrunn

"Und plötzlich waren wir mitten in Afrika. Wir haben viele Hände geschüttelt und viele Leute kennengelernt", sagt Hedwig Rost, wenn sie an ihren ersten Besuch in der zur Notunterkunft umgewandelten Sporthalle in Pullach denkt. An die 100 Flüchtlinge lebten dort zu diesem Zeitpunkt, im Juni 2015. Die Schauspielerin war mit ihrem Mann Jörg Baesecke aus Neugierde gekommen. Und wurde gleich gefragt, ob sie Deutschunterricht geben wolle. Rost sagte zu, denn sie spricht Französisch und konnte sich so mit den Westafrikanern verständigen.

Zu ihrer ersten Stunde war genau ein Schüler anwesend: der Senegalese Babacar G. "Er war mein treuster Schüler und verpasste keine Stunde", erinnert sie sich. Aber in Deutschland gibt es für Menschen wie ihn keine Perspektive, denn der Senegal gilt als sicheres Herkunftsland und Flüchtlinge aus solchen Staaten erhalten keine Arbeitserlaubnis. Inzwischen ist er in sein Heimatland zurückgekehrt, um sich dort eine Existenz mit einer Hühnerzucht aufzubauen. Rost hat ihn mit ihrem Engagement und einer Spendenkampagne unterstützt, ohne die er wohl sonst mit leeren Händen zurückgekehrt wäre.

Zunächst versuchte Rost, ihm und den anderen Schülern zumindest die Grundsätze der deutschen Sprache zu vermitteln, doch für einige war es der erste Schulbesuch überhaupt. So auch für Babacar. Er stammt aus einer Maurerfamilie mit 13 Kindern. Das Maurerhandwerk ist das einzige, was er je erlernt hatte.

Doch Rost merkte, dass es "weniger um den Unterricht ging als um die Begegnung, darum, dass man miteinander redet, sich kennenlernt". Insbesondere mit Babacar, den sie als ihr Patenkind bezeichnet, habe sie sich viel über Kultur und Religion ausgetauscht. "Ich finde es schön, mir einen fremden Menschen vertraut zu machen."

Sengeal Baierbrunn

Hedwig Rost (Dritte von rechts) und ihr Mann Jörg Baesecke (links) am Tag des Abschieds von Babacar G. (Zweiter von links).

(Foto: Privat)

Sie erfuhr, dass Babacar 2009, mit 26 Jahren, den Senegal verließ, weil es für ihn, wie auch für seine Brüder und seinen Vater, schwierig war, Arbeit zu finden. Laut Rost flog er mit einem Visum, für das seine Familie viel Geld bezahlen musste, nach Süditalien. Er arbeitete dort auf dem Feld für drei Euro die Stunde, aufgrund der hohen Mieten schlief er in verlassenen Häusern und wurde oft rassistisch angefeindet. "Italien war ein Albtraum", sagte er später zu Rost. Er erhielt eine Aufenthaltsgenehmigung von den Behörden, die ihm jedoch entzogen wurde, da er am Strand gefälschte Markenartikel verkauft hatte.

Daraufhin beantragte er in Deutschland Asyl. Und realisierte erst, als er schon da war, dass er hier nicht arbeiten darf. Er wollte aber auch nicht zurück in den Senegal. "Die Familien sind im Senegal sehr solidarisch, aber wer aus Europa mit leeren Händen zurückkehrt, wird mit Verachtung bestraft", sagt Rost. Babacars gesamte Familie legte viel Geld zusammen, damit er nach Europa konnte.

Viele Senegalesen, so sagt Rost, spielen mit dem Gedanken, nach Frankreich oder Spanien abzutauchen, um dort Schwarzarbeit zu verrichten. Davon riet sie Babacar aber ab. Sie überzeugte ihn, dass er nur in seiner Heimat eine wirkliche Chance haben könne. "Ich wollte, dass er bereichert und mit neuen Fertigkeiten zurückkehrt, damit er sich was aufbauen kann", sagt Rost. Sie begleitete ihn zu Arztbesuchen, Behördengängen und klagte gegen seine Abschiebung. Sie versuchte zudem, Babacar zu vernetzen, indem sie ihn bei Kochprojekten wie der Volxküche anmeldete. Sie besuchten die BMW-Welt, den Gasteig und die Stadtbibliothek. Zudem sollte Babacar "viel Know-How aus Deutschland mitnehmen". Deshalb vermittelte Rost ihm die deutschen Strukturen: "Dass wir gut organisiert, pünktlich und zuverlässig sind. Dass wir über die Zukunft nachdenken." Auch zum Schwimmunterricht nahm sie ihn mit. "Ich habe ihn ein bisschen erzogen", sagt Rost.

Ein Thema ihrer vielen Diskussionen war ihr unterschiedliches Familienbild. Babacar, der zwölf Geschwister und dessen Vater zwei Frauen hat, dachte laut Rost, dass die Deutschen ihre Kinder nicht mögen würden. Sie antwortete ihm: "Nein, wir lieben unsere Kinder, aber wir wollen für sie da sein und sie fördern." Sie überzeugte ihn davon, dass er, zurück in seiner Heimat, maximal drei Kinder und nur eine Frau haben wird. Im November 2016 wurde die Klage gegen Babacars Abschiebung zurückgewiesen. Babacar musste zurück nach Italien. Wieder überlegte Babacar unterzutauchen und schwarz zu arbeiten. Aber Rost redete ihm das aus.

Finanzspritze für die Heimkehr

Die Gruppierung trägt den Zweck ihrer Gründung bereits im Namen: "Baierbrunn hilft". Momentan liegt ihr Schwerpunkt auf der Betreuung von Flüchtlingen. Zur Unterstützung zweier junger Männer aus dem Senegal wird die Gemeinde den Helferkreis mit einem Zuschuss in Höhe von 500 Euro unterstützen. Die beiden Senegalesen wollen freiwillig in ihren Heimatort zurückkehren, um sich dort eine kleine landwirtschaftliche Existenz mit Gartenbau und Hühnerzucht aufzubauen. Das notwendige Handwerkszeug haben sie im Vorjahr erworben, als sie im Gemeinschaftsgarten Buchenhain "mit Begeisterung mitgegärtnert" haben, wie es in der Beschlussvorlage heißt. Die Kosten für die Rückreise werde von der Rückkehrorganisation "Coming home" der Landeshauptstadt München getragen. Die Rückkehr mache allerdings nur dann Sinn, wenn die Männer Startkapital zum Aufbau der Farm hätten. Von Privatpersonen sei bereits ein Grundstock an zweckgebundenen Geldspenden bei "Baierbrunn hilft" eingegangen. Der Zuschussantrag wurde vom Finanzausschuss der Gemeinde einstimmig gebilligt. mm

Während Babacar, so sagt Rost, nach Italien zurückkehrte, startete sie für ihn eine Spendenkampagne. Zuvor hatten sie versucht, Hilfe vom Projekt "Coming Home" zu bekommen, das rückkehrwillige Flüchtlinge mit Geldern der Europäischen Union unterstützt. Laut Rost finanziert das Projekt den Rückflug und überweist zusätzlich 500 Euro. Auch Geschäftsideen werden, bei Vorlage eines realistischen Geschäftsplans, mit bis zu 3000 Euro unterstützt. Babacars Plan war und ist, eine Hühnerzucht aufzubauen. Er kalkulierte 35 000 Euro ein. Zu viel. Und selbst, wenn "Coming Home" einem Rückkehrer finanzielle Unterstützung zusagt, müsste derjenige erst die Dinge kaufen und mit Rechnungen belegen.

Die Spendenaktion, die Rost gemeinsam mit der Initiative "Baierbrunn hilft" organisiert hat, war da erfolgreicher. "Ich bin Künstlerin und kenne viele Leute", sagt sie. Schließlich spendeten um die 20 Personen aus ihrem Bekanntenkreis sowie die Gemeinde Baierbrunn, und es kam innerhalb von zwei Wochen weit mehr Geld zusammen als "Coming Home" gegeben hätte. "Doch das Leben im Senegal ist nicht günstig", sagt sie. Allein das 900 Quadratmeter große Grundstück für seine Hühnerzucht habe 4500 Euro gekostet und verschlang somit schon die Hälfte des Geldes.

Im März diesen Jahres reiste Babacar zurück in den Senegal. Seine Familie nahm ihn wieder auf. Sein nächster Plan ist, einen Zaun um sein Grundstück zu bauen. Im Moment hat er einen Stall mit 600 Hühnern von seinem Bruder übernommen, der einen vorübergehenden Auftrag als Maurer erhalten hat. Babacar setzt auf die großen Feste am Ende des Ramadans, um dort Eier und Hühnerfleisch verkaufen zu können. Rost steht weiterhin in Kontakt mit Babacar, sie telefonieren ab und zu. Im Juli wird sie ihn im Senegal besuchen. Zum einen möchte sie das, was Babacar jetzt macht, sehen und zum anderen ist es auch ein freundschaftlicher Besuch.

In Baierbrunn sind weiterhin Senegalesen untergebracht, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren möchten. Die Initiative "Baierbrunn hilft" unterstützt sie mit einer Spendenaktion. Wer spenden oder mehr erfahren möchte, kann sich an Stefan Erbacher wenden. Entweder per E-Mail an stefan.erbacher@baierbrunn-hilft.de oder unter der Telefonnummer 089/793 49 81.

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