Ausblick 2017:Kühler Kopf im Schatten Berlins

Ausblick 2017: Möchten SPD-Direktkandidatinnen bei der Landtagswahl 2018 werden: Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Ingrid Lenz-Aktas (links) und stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche.

Möchten SPD-Direktkandidatinnen bei der Landtagswahl 2018 werden: Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Ingrid Lenz-Aktas (links) und stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche.

(Foto: Claus Schunk)

Die Bundestagswahl im September, auch die Landtagswahl 2018 setzt schon jetzt parteipolitische Entscheidungsprozesse im Landkreis in Gang.

Von Martin Mühlfenzl

Auf den ersten Blick gibt es ein politisches Ereignis, das im Jahr 2017 alle anderen überschatten wird. Die Bundestagswahl im Herbst, deren Bedeutung für die kommunale Ebene nicht unterschätzt werden darf; haben die Wähler doch in der Hand, wen sie als ihre Interessenvertreter nach Berlin entsenden - und wessen politische Karriere sie möglicherweise beenden.

Vor allem bei der SPD wird die Kandidatenkür interessant

Doch es gibt noch eine zweite Wahl, die ihren Schatten bereits voraus wirft und den politischen Betrieb in den kommenden zwölf Monaten in manchen Parteien gehörig durcheinanderwirbeln wird. Denn mitten im Bundestagswahlkampf wird in den Hinterzimmern der Parteien ausgekartelt, wer sich 2018 um einen Sitz im Maximilianeum bewerben darf. Und dieses Spiel wird ungleich spannender als die vorhersehbare Bewerbungsrunde für die Wahl 2017. Vor allem bei den hiesigen Sozialdemokraten.

Wenn die Helfer der Ortsverbände und Vereine schon Monate vor der Wahl im Herbst losziehen und Plakatständer aufstellen, Broschüren in die Briefkästen werfen und an Infoständen Kugelschreiber verteilen, wird eines bereits mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen: Florian Hahn wird wieder die CSU als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis München-Land in Berlin vertreten - über die bayerische Landesliste wird sich dem Putzbrunner der Sauerlacher Anton Hofreiter für die Grünen anschließen. Es wäre schon eine außerordentlich große Überraschung, wenn die beiden Parlamentarier den Sprung in den Bundestag nicht mehr schaffen.

Zwei, drei oder vier? Wie viele Landkreispolitiker gehen nach Berlin?

Die Wähler dürfen auch eine spannendere Frage beantworten: Zwei, drei oder vier? Wie viele Abgeordnete aus dem Landkreis werden künftig zwischen ihrer Heimatgemeinde und der Hauptstadt hin- und herpendeln? Die Sozialdemokratin Bela Bach aus Planegg hat ihre Ausgangsposition im Vergleich zur Wahl von vor vier Jahren verbessert und darf sich Hoffnungen machen, auf Platz 20 der SPD-Bayernliste ihren großen, beruflichen Traum zu realisieren. Allerdings weiß die 26-Jährige, dass es - auf bairisch gesagt - saueng wird.

Vor vier Jahren kam die SPD bundesweit auf 25,4 Prozent der Zweitstimmen. Die Genossen in Bayern hatten an diesem ohnehin mauen Ergebnis keinen allzu großen Anteil: Im Freistaat erreichten sie mit ihrem Spitzenkandidaten Florian Pronold gerade einmal 20 Prozent. Dementsprechend schafften es nur 22 bayerische Abgeordnete in die Bundestagsfraktion der SPD - für Bela Bach war dieses Rennen auf Platz 32 der Landesliste von vorneherein aussichtslos.

Vergiftete Stimmung

Dass die Stimmung im Putzbrunner Gemeinderat in diesem Jahr noch einmal schlechter werden dürfte als im abgelaufenen - was viele ohnehin nicht für möglich halten -, hat seine Ursache im Jahr 2005. Damals hatte Bürgermeister Josef Kellermeier nach Streitigkeiten um die Finanzierung des Projektes Betreutes Wohnen seinen Rücktritt erklärt und die Bürger wurden 2006 zur Wahl aufgerufen. Seitdem wählen die Putzbrunner außer Turnus; soll heißen, bei ihnen fallen Bürgermeister- und Gemeinderatswahl nicht zusammen.

Die oft vergiftete Stimmung im Gemeinderat rührt also auch daher, dass die nächste Wahl eines Rathauschefs schon im März 2018 ansteht - und nicht erst 2020, wenn die Bürger im Freistaat zur Kommunalwahl aufgerufen werden. Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) - seit 2006 im Amt - sieht sich einem Dauerwahlkampf ausgesetzt, der im vergangenen Jahr an Schärfe zugelegt hat. Eine Entwicklung, die sich 2017 wohl fortsetzen wird. Schmutzig nennen viele diese Art der Auseinandersetzung, wird doch der Gemeinderat als politische Projektionsfläche missbraucht, auf der sich Klostermeiers Gegner austoben.

Ortsumfahrung, Haushalt, Maschinenhalle eines Gemeinderats der Freien Wähler, Flüchtlingsunterbringung - es gibt kein Thema, bei dem kein heftiger Streit ausbricht. Der Bürgermeister indes behält dabei meist die Ruhe und konnte es sich in der letzten Sitzung des Gremiums sogar leisten, mit Blick auf zwei exklusive Weine, die jeder Gemeinderat mit nach Hause nehmen durfte, anzumerken, er sehe nur "Flaschen".

So entspannt wird es in diesem Jahr wohl nicht zugehen. Klostermeier, der eher Unauffällige, hat aber eine zweite Ebene, auf der er glänzen kann, ohne gleich auf den nächsten Seitenhieb gefasst sein zu müssen. Der Rathauschef ist so etwas wie der eigentliche Anführer seiner Partei im Landkreis. Er gilt als Wortführer im Kreistag, der es auf Augenhöhe mit der CSU schafft, Akzente zu setzen. Das wird in einem Jahr, in dem in der SPD weitreichende personelle Entscheidungen fallen, noch wichtiger. Gemeinsam mit dem Aufsteiger aus Unterschleißheim, Bürgermeister Christoph Böck, wird Klostermeier den Genossen Stabilität verleihen müssen. Dass er das kann, zweifeln nur seine Gegner im Gemeinderat an. Martin Mühlfenzl

Nun geben die aktuellen Umfragewerte der SPD in Bayern und im Bund wenig Anlass zur Hoffnung, dass es tatsächlich für mehr als 22 Abgeordnete reichen könnte. Der Trend zeigt eher in die entgegengesetzte Richtung. Bach wird zittern müssen. Das gilt freilich auch für den Liberalen Jimmy Schulz, der für die FDP schon einmal im Bundestag saß und nach nur einer Legislatur den krachenden Absturz seiner Partei im Jahr 2013 miterleben musste. Schafft es die FDP, die derzeit bundesweit in allen Umfragen um die fünf Prozent pendelt, in den Bundestag, könnte der Hohenbrunner Schulz dabei sein. Die Bayern-FDP gilt dank ihrer Stärke in München und den umliegenden Landkreisen als einer der liberalen Stimmenbringer - davon werden im Falle des Erfolges oberbayerische Bewerber profitieren.

Bei Grünen und CSU scheint die Sache klar

Vier Abgeordnete aus dem Wahlkreis München Land gab es zuletzt von 2005 bis 2009: Damals schafften Georg Fahrenschon (CSU), Otto Schily (SPD), Anton Hofreiter (Grüne) und der Liberale Martin Zeil den Sprung in den Bundestag.

Während der Bundestagswahlkampf eine öffentliche Auseinandersetzung wird, werden hinter verschlossenen Türen mancherorts die Fetzen fliegen. Nicht bei der CSU, denn dort gilt als ausgemacht, dass erneut Kerstin Schreyer (Stimmkreis München-Land-Süd) und Ernst Weidenbusch (Nord) noch in diesem Jahr als Direktkandidaten für die Landtagswahl 2018 nominiert werden. Bei den Grünen gilt der Oberschleißheimer Markus Büchler als erster Anwärter für den Stimmkreis Nord; allerdings ist noch vollkommen offen, wer der ehemaligen Landtagsabgeordneten und heutigen Pullacher Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund als Direktkandidat im Süden nachfolgen könnte. Infrage kommen die beiden Kreisvorsitzenden Sabine Pilsinger aus Gräfelfing und Antje Wagner aus Grünwald. Bei der FDP wird es im südlichen Stimmkreis auf den Neubiberger Tobias Thalhammer hinauslaufen, der schon von 2008 bis 2013 im Maximilianeum saß. Im Norden ist indes noch vollkommen offen, wer für die Liberalen antreten könnte.

Ausblick 2017: Als Bürgermeister in Putzbrunn nur bis 2018 gewählt: Edwin Klostermeier (SPD). Der Wahlkampf tobt daher schon lange vor der Kommunalwahl im Gemeinderat.

Als Bürgermeister in Putzbrunn nur bis 2018 gewählt: Edwin Klostermeier (SPD). Der Wahlkampf tobt daher schon lange vor der Kommunalwahl im Gemeinderat.

(Foto: Claus Schunk)

Bleibt die SPD. Die wird eine Frage schnell klären. Im Stimmkreis Süd gilt die Generalsekretärin der Bayern-SPD Natascha Kohnen als gesetzt.

Der Norden aber könnte für die Genossen zur Zerreißprobe werden. Noch hat der Haarer Grandseigneur der SPD, Peter Paul Gantzer, nicht entschieden, ober er 2018 - dann mit 79 Jahren - noch einmal ins Rennen einsteigen wird. Egal wie er diese Frage beantworten wird, es werden wohl zwei weitere prominente Figuren der Kreis-SPD ihren Hut in den Ring werfen. Aus Kreisen der SPD ist immer wieder zu hören, dass sowohl die Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Ingrid Lenz-Aktas, als auch die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche an einer Bewerbung mehr als nur interessiert sind. Nun ist bekannt, dass es um das Verhältnis der drei untereinander - in Abstufungen - nicht zum Besten bestellt ist. Persönliche Befindlichkeiten könnten den einen oder anderen bewegen, anzutreten oder aus dem Rennen auszuscheiden. Je nachdem, wer zuerst die Hand hebt.

Die Wahlen stellen die Weichen in der Flüchtlingspolitik des Landkreises

Trotz aller parteipolitischen Entscheidungsfindungsprozesse werden die Kommunalpolitiker auch in diesem Jahr kühlen Kopf bewahren müssen. Die Herausforderungen werden nicht weniger - und das Geld, um all diese Bewährungsproben meistern zu können, wird nicht mehr.

Allen voran die Integration der mittlerweile mehr als 4000 Flüchtlinge, die im Landkreis wohnen, muss vorangetrieben werden. Landrat Christoph Göbel (CSU) mahnt mit Recht bei jeder Gelegenheit, dass die Arbeit in diesem Bereich jetzt erst richtig losgehe. Neben der Sanierung der Kreisfinanzen sowie drängenden Problemen wie Wohnungsnot und Verkehrsüberlastung wird hier das Hauptaugenmerk der Kreispolitik liegen.

So gesehen spielen die bevorstehenden Wahlen auf Bundes- und Landesebene eine große Rolle. Werden dabei doch die Weichen in der Flüchtlingspolitik gestellt.

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