Viel Lärm um Baustellen:Chronologie des Schreckens

Viel Lärm um Baustellen: Die Anschlussstelle ist mittlerweile in Betrieb, eine offizielle Eröffnung mit dem Landkreis gab es jedoch nicht.

Die Anschlussstelle ist mittlerweile in Betrieb, eine offizielle Eröffnung mit dem Landkreis gab es jedoch nicht.

(Foto: Robert Haas)

Der Landkreis wird von der Kostenexplosion der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning überrascht - und will nicht zahlen

Von Martin Mühlfenzl, Aschheim/Ismaning

Ein Ruhmesblatt ist das Vollkleeblatt für die Autobahndirektion Südbayern sicher nicht - und der Overfly-Kreisel wird es auch nicht mehr zum planerischen Überflieger bringen. Das hat die Behörde, die für die Verlegung der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning verantwortlich zeichnet, ja selbst längst eingeräumt. Die massive Kostenexplosion beim Neubau der Autobahnausfahrt aber hat nicht nur ein mittlerweile eher schockgefrostetes Verhältnis zwischen Autobahndirektion und Landkreis zur Folge - letzterer lehnte eine offizielle Eröffnung kategorisch ab -, auch das juristische Nachspiel bezüglich der Kostenverteilung ist noch längst nicht abgeschlossen und wird bis ins kommende Jahr hinein andauern.

Es ist schon eine groteske Geschichte, die sich in diesem Jahr rund um die Anschlussstelle abgespielt hat - eine Baustelle, deren Notwendigkeit aufgrund des massiven Verkehrsaufkommens auf der A 99 von nahezu allen politisch Handelnden im Landkreis stets betont worden ist. Nur die Grünen stemmten sich schon immer gegen die Verlegung. Mittlerweile aber sprechen viele eher von einer "Chronologie des Schreckens", die am 17. März ihren Anfang fand.

Damals teilte der damalige Präsident der Autobahndirektion Südbayern, Paul Lichtenwald, Landrat Christoph Göbel (CSU) mit, dass die Kosten für die Umgestaltung der Ausfahrt von 25,4 auf 44,5 Millionen Euro explodieren würden. Ihr vorläufiges Ende - und es ist tatsächlich nur das vorläufige - verkündete Lichtenwalds Nachfolger Wolfgang Wüst in einer Art Vorstellungsschreiben an den Kreistag schließlich Anfang November: Da gab der neue Präsident bekannt, es kämen noch einmal drei Millionen Euro oben drauf.

Die Anschlussstelle Aschheim/Ismaning ist nicht nur zur Prüfung des Verhältnisses einer Behörde des Bayerischen Innenministeriums zum bevölkerungsreichsten Landkreis des Freistaates geworden - alle Vorgänge rund um die Kostenexplosion werden mittlerweile auf mehreren Ebenen auch juristisch geprüft.

Den spektakulärsten Coup landeten dabei wohl die Grünen im Kreistag, die bereits Anfang April den Bundesrechnungshof in Bonn mit der Bitte um Überprüfung der Baustelle anriefen. Zwar hat die selbständige und weisungsfreie Finanzkontrolle des Bundes dieser Bitte bisher noch nicht entsprochen; es ist aber nicht nur für die Grünen ein Erfolg, dass der Bundesrechnungshof eine Überprüfung noch nicht abgelehnt hat.

Es geht bei der Anschlussstelle freilich um viel Geld. Und der Landkreis hat angekündigt, nur für alle Kosten aufzukommen, die auch dem Planfeststellungsverfahren entsprechen. Es geht aber auch um das Verhalten der Autobahndirektion als Partner des Landkreises - und dieses wurde und wird nicht zuletzt von Landrat Göbel massiv kritisiert. Denn die Behörde informierte den Landkreis "viel zu spät" über die Kostenexplosion. Die Autobahndirektion selbst gestand ein, dass eine Kostensteigerung zwar normal sei, sie eine nahezu Verdoppelung allerdings selbst nicht auf dem Schirm hatte. Verrechnet aber hätten sich die Mitarbeiter nicht; vielmehr hätten höhere Grundstückspreise, die Entsorgung von Kampfmitteln und auch ein neuer Brückenbau den Kostenrahmen derart gesprengt. In einer Weise, dass sich mittlerweile Juristen im Landratsamt und auch bei einer externen Kanzlei mit den Vorgängen beschäftigen.

Die Bauarbeiten selbst dürfen indes als Erfolgsgeschichte gewertet werden. Nahezu reibungslos verliefen die Vorbereitungen und alle späteren Maßnahmen, befürchtete Megastaus auf der Umfahrung der Landeshauptstadt konnte die Autobahndirektion auch mit dem groß angelegten Einsatz technischer Mittel verhindern. Doch auch die Steuerungsmechanismen des Verkehrs trieben die Baukosten deutlich in die Höhe. Auch davon erfuhr der Kreistag viel zu spät - hatte also keinerlei Möglichkeit, in die Planungen direkt einzugreifen.

Auf Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer griff schließlich auch das Innenministerium ein und unterzog den Bau einer internen Prüfung. Das Ergebnis: Ein reibungsloser Ablauf samt normaler Kostensteigerungen. Den Zorn der Kreisräte konnte dies freilich nicht eindämmen, untersteht die Autobahndirektion Südbayern doch dem Innenministerium.

Mehr als sechs Millionen Euro müsste der Landkreis mittlerweile als beteiligter Baupartner für die Verlegung der Anschlussstelle aufbringen. Das ist viel Geld für einen Landkreis, der erst vor wenigen Wochen eine massive Erhöhung der Kreisumlage auf den Weg gebracht hat und bereits jetzt mit einem Nachtragshaushalt rechnet. Doch es ist nicht nur die haushalterische Ausgangslage, die den Kreistag zu gleich mehreren Überprüfungen des Baus bewogen hat - es ist auch der Zorn auf eine Behörde, die gewissermaßen aus dem Elfenbeinturm heraus alle Entscheidungen getroffen und den Kreis dabei außen vor gelassen hat.

Diesen Fehler räumt die Autobahndirektion ein. Sie lässt aber auch verlautbaren, dass es erstens der ausdrückliche Wunsch des Landkreises und der betroffenen Gemeinden war, der zur Eile angetrieben hat - und zweitens eine deutliche Aufstockung des Personals innerhalb der Behörde nötig wäre, um für mehr Transparenz und eine Verringerung von Fehlern zu sorgen. Ob der Landkreis tatsächlich eine Kostenreduzierung erwirken kann, ist indes unsicher. Den Versuch aber wollen die politisch Handelnden trotzdem wagen, auch wenn es möglicherweise ein langer Weg wird.

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